Diskussion über ALG 2: zwischen Armut und Luxus...

Zitat von tanja

letztendlich wohnt sie immer noch (da mindestmietdauer) in einer viel zu teuren wohnung und hat unterm strich dreißig euro mehr als mit harz4 zu verfügung und kommt damit bestens aus. sie fragt sich, berechtigt, wie menschen mit harz4 nicht mit dem geld auskommen können.

Ja, ja, ist klar... ALG 2 ist ja auch so viel. Solang man billig essen kann und sonst keinerlei Verpflichtungen hat, die sich von vorher ergeben (wie zB Ratenzahlungen) und man absolut notwendige Versicherungen (Haftpflicht!) nicht abschließt und keinen Cent für die irgendwann-mal-Rente spart, und obendrein irgendwo wohnt wo es eher günstig ist, ist das selbst als Single ganz ok. Nur leider ist dieses nicht immer gegeben. Ich hab zB arge Probleme, weil ich noch Zahlungsverpflichtungen habe, in einer teuren Stadt wohne und eine Nahrungsmittelunverträglichkeit habe (bei der ich Zusatzstoffe und viele billige Lebensmittel einfach nicht vertrage). Außerdem "leiste" ich mir eine Haftpflichtversicherung und spare ein klein wenig auf meine Rente. Da muss man schnell mal schauen - und Weihnachtsgeschenke sind da kaum drin. Dabei konsumiere ich weder Zigaretten noch Alkohol.

Nunja, etwas offtopic. Es läuft halt mit der Verwendung von ALG 2 nicht immer so glatt, und das ohne dass man verschwenderisch ist oder sein will. Das sollte sich deine Freundin ruhig vor Augen führen.

Gruß
Dani
(die hofft, dass aus dem Bewerbungsgespräch nächste Woche was wird - 4,5 Monate ALG 2 reichen!)

Zu der Sache "mit Hartz 4 prima auskommen":
klar, für ein paar Monate wird das wohl jedem gelingen.
Vorausgesetzt, man hat vorher "besser" gelebt und kann von einem ordentlichen Bestand an Klamotten, Möbeln, Haushaltsgegenständen und Haushaltsgeräten leben. Käuft man sich "halt" mal ein paar Monate nichts
Aber wenn dann die Vorräte aufgebraucht, die Schuhe und Klamotten verschlissen, die Geräte etc. nach und nach ihren Geist aufgeben (und das am liebsten gleichzeitig), der letzte Urlaub schon nicht mehr wahr ist und ständig verzichtet werden muss - dann wird es hart(z).
Und die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen, die von Hartz 4 oder Grundsicherung leben, ist eher die, dass sie diese Gelder nicht nur über Monate sondern über Jahre beziehen müssen! Und gerade bei der Grundsicherung, die ja für Menschen gedacht ist, die alt, und / oder behindert sind und NICHT mehr arbeiten können, finde ich diese "Anreiz-schaffen-scheiße" unerträglich!
So, das musste mal raus eben.
Ich bin heilfroh, dass ich eine gute Ausbildung habe, gesund genug zum Arbeiten bin und einen schönen Job habe. Da muss man heutzutage dankbar für sein.

... und ich kann auch nur wiederholen, was ich schon vor Jahren geschrieben habe: Es lässt sich gut leben vom ALG2-Satz. Ich bleibe viele Monate im Jahr noch locker unter dem Satz, aber ich bin zu gern selbständig, als dass ich anders leben wollte. (Ich verstehe aber, dass man in einer teuren Großstadt + Nahrungsmittelunverträglichkeit oder anderen Sperenzien ans Limit kommt und mal am Ende des Monats kein Geld übrig ist.)

Zitat von chante

... und ich kann auch nur wiederholen, was ich schon vor Jahren geschrieben habe: Es lässt sich gut leben vom ALG2-Satz. Ich bleibe viele Monate im Jahr noch locker unter dem Satz, aber ich bin zu gern selbständig, als dass ich anders leben wollte. (Ich verstehe aber, dass man in einer teuren Großstadt + Nahrungsmittelunverträglichkeit oder anderen Sperenzien ans Limit kommt und mal am Ende des Monats kein Geld übrig ist.)

Und nun sollen mir noch solche leute erzählen das sie sich sogar noch freizeitaktivitäten leisten ???
Wenn man mit dem geld auskommen will , muss man nur in seiner bude sitzen und kann sich gar nix leisten das ist so ein schwachsinn . Alles notwendige kann man damit nich auffangen .

Zitat von chante

Ich bleibe viele Monate im Jahr noch locker unter dem Satz, aber ich bin zu gern selbständig, als dass ich anders leben wollte.

Darf ich mal fragen, was genau du damit meinst? Das klingt für mich erstmal wie "Ich habe so gerne viel Zeit für mich, deshalb gehe ich nicht arbeiten, sondern lebe von ALG2.", aber vielleicht verstehe ich dich ja auch falsch.

Ist wirklich nur ne Nachfrage.

Zitat von Alioshya

Darf ich mal fragen, was genau du damit meinst? Das klingt für mich erstmal wie "Ich habe so gerne viel Zeit für mich, deshalb gehe ich nicht arbeiten, sondern lebe von ALG2.", aber vielleicht verstehe ich dich ja auch falsch.

Ist wirklich nur ne Nachfrage.

ich glaub, dann würde sie nicht schreiben, dass sie "unter" dem ALGII satz liegen würde...versteh das eher so, dass sie kein ALG bekommt sondern selbstständig ist.

Zitat von Alioshya

Darf ich mal fragen, was genau du damit meinst? Das klingt für mich erstmal wie "Ich habe so gerne viel Zeit für mich, deshalb gehe ich nicht arbeiten, sondern lebe von ALG2.", aber vielleicht verstehe ich dich ja auch falsch.

Ist wirklich nur ne Nachfrage.

Zitat von chante

Es lässt sich gut leben vom ALG2-Satz. Ich bleibe viele Monate im Jahr noch locker unter dem Satz, aber ich bin zu gern selbständig, als dass ich anders leben wollte.

ich verstehe das so, dass chante selbstständig ist und finanziell ohne Netz und doppelten Boden lebt.

Es ist im übrigen ein Trugschluss, dass Selbstständige mehr Freizeit haben.

Es ging auch nicht darum wieviel zeit man hat sondern was man sich da leisten kann .

Alioshya
Ich hatte es so verstanden, dass chante selbständig ist, aber damit nur sehr wenig verdient.

goldfisch
Genau mit diesen "Vorräten" merke ich, dass ich langsam sehr an die Grundsubstanz gerate. Ich habe in den letzten Jahren die meiste Zeit was anderes gemacht als ALG 2 zu beziehen, aber da ich zuerst Studentin war und später in der Ausbildung, war ich auch dort sozusagen "am Minimum". Das ging zuerst ganz gut. Ich brauchte als Studentin keine eigene Haftpflicht, die habe ich mir erst vor etwa einem Jahr zugelegt. Ich hab immer wieder versucht zu sparen, allerdings hat das nie auf Dauer funktioniert. Ich hab letzten Endes dann auf "den nächsten Umzug" gespart, wie ich feststellen musste. Seitdem ich in meiner Studentenzeit dick geworden bin, ist es klamottentechnisch sehr eng, ich hätte mich komplett neu einkleiden müssen, wofür ich nciht das Geld hatte. Kein Wunder, wenn man sich überlegt, wie viel man pro Monat für Kleidung ausgeben "darf" bzw. kann. Zwischendurch kamen dann noch diverse Zahlungsverpflichtungen. Tja, und dann steht man am Ende der Ausbildung ohne Job da und es ist nichts Neues in Sicht. Zwischendurch mal 2 Monate nen Vollzeitjob und gleich wieder ohne Job. Ja, da schaut man dann halt...Sowohl mein Wintermantel als auch meine 10 Jahre alten Winterstiefel sind mittlerweile nicht mehr wirklich tragbar zu nennen, aber woher nehmen? Selbst eine Reparatur für den Mantel würde bedeuten, dass ich erstmal länger sparen müßte, wenn ich denn Geld zum sparen hätte. Bis dahin ist der Winter vorbei. Und meine NMU macht jeglichen Sparwillen zunichte. Nunja. Ich hoffe einfach, dass das demnächst aufhört und ich endlich für längere Zeit arbeiten und Geld verdienen kann, damit ich etwas entspannter leben kann und mir nicht andauernd wie der letzte Schmarotzer vorkomme, weil ich nicht selbst zahle(n kann), sondern ich dann auch auf kleinste Dinge eingeladen werde...
Fürs tägliche Einkaufen ist ALG 2 wohl für viele ausreichend, aber nur dann, wenn keine kostenintensiven Anschaffungen (alles ab 25 Euro) notwendig sind, würde ich sagen.

Gruß
Dani

Zitat von toni

Es ist im übrigen ein Trugschluss, dass Selbstständige mehr Freizeit haben.

Da stimme ich Dir vollkommen zu.

ALG2 soll ja auch nur eine Übergangslösung für den Notfall sein. Genau dafür wurde es geschaffen und nur so kann es auch zukünftig von den Steuerzahlern finanziert werden. Es soll kein Dauerzustand sein, mit dem man bequem leben kann.
Für seine Existenz sollte schon Jede/r selbst sorgen.

Zitat von Sonnenkuss

Für seine Existenz sollte schon Jede/r selbst sorgen.

Was aber effektiv durch das System selbst verhindert wird. Ich sag nur: 1€-Jobs, die illegal und unkontrolliert als Wettbewerbsvorteil genutzt werden - und zwar von den Arbeitgebern! Oder die geilen Sprüche, die bei den Billich-Ketten gefallen sind, von wegen, wenn der Lohn nicht reicht, solle man doch zum Amt gehen.
Solange es auch nur einen einzigen Arbeitnehmer gibt, der trotz Vollzeitbeschäftigung weiterhin als "Aufstocker" vom Amt abhängig ist, stimmt da etwas ganz gewaltig nicht.

Zitat

Solange es auch nur einen einzigen Arbeitnehmer gibt, der trotz Vollzeitbeschäftigung weiterhin als "Aufstocker" vom Amt abhängig ist, stimmt da etwas ganz gewaltig nicht.

Genau. Die Aufstocker repräsentieren den größten Teil der AlgII-Empfänger. 50 Milliarden jährlich steckt sich so die deutsche Wirtschaft indirekt in die Tasche, um weiter Niedrigstlöhne zahlen zu können, die noch vor wenigen Jahren (prä-Hartz IV) niemand angenommen hätte.

Zitat von House M.D.

50 Milliarden jährlich steckt sich so die deutsche Wirtschaft indirekt in die Tasche, um weiter Niedrigstlöhne zahlen zu können, die noch vor wenigen Jahren (prä-Hartz IV) niemand angenommen hätte.

Hallo

weil damals niemand gezwungen wurde unter soclehn Bedigunge zu arbeiten.

Zu Hartz4 schreibe ich nicht viel, das hatten wir irgendwann schon mal hier. Es reicht zum Überleben, nicht mehr aber auch nicht weniger.

Womit wir beim Thema "Mindestlöhne" angelangt wären (mehr oder weniger). :p
Ich hab neulich übrigens von einer drohenden "Invasion" von Billigarbeitern etwas mitgekriegt. Es ist wohl so, dass in ein paar Monaten auch die östlichen europäischen Staaten arbeitmarkttechnisch geöffnet werden. Und da hier in Deutschland bei Zeitarbeit keine deutschen Tarifverträge gelten müssen, sondern jedweder Tarifvertrag, können zB polnische Anbieter ihre Arbeitskräfte für nen Appel und n Ei anbieten, bzw. können sich deutsche Zeitarbeitsunternehmen polnische Arbeiter/Angestellte ebenfalls sehr günstig "einkaufen", wenn sie eine dortige Außenstelle haben, und sie hier entsprechend günstig anbieten. Die Politiker hierzulande wiegeln ab und überlegen, das Zeitarbeitsgesetz zu ändern, die Polen etc. bereiten sich entsprechend auf Expansion des Geschäfts nach Deutschland vor...
Das so nebenbei.

Ich bin auch derzeit (noch) Aufstocker bei ALG 2. Ich bekomme etwas ALG 1, aber da ich vorher nicht besonders viel verdient habe bzw. nicht lang genug richtig verdient, ist das nicht viel. Also bekomme ich ALG 1 und 2 etwa halb und halb. Nunja. Hat ja evtl. bald ein Ende.

Gruß
Dani

Hallo.. bin leider seit fast 2 jahren auf ALGII angewiesen (Umschulung) und hoffe, dass das nach der Abschlussprüfung ein Ende hat.

Auch wenn ich jetzt bestimmt einige verärgern werde, bin ich der Meinung, dass es mit Hartz generell bescheiden ist.. zuwenig zum leben und zuviel zum sterben, aber ganz hart trifft es die, die ledig sind, also keine Kinder haben. Ich will nicht sagen, dass es Alleinerziehende leicht haben, aber im Gegensatz zu Alleinstehenden wohl.

Und ich erkläre auch gerne warum.
Eine Freundin von mir (macht die gleiche Umschulung, Alleinerziehend, 2 Kinder) kann sich ein Auto halten, 100 qm Wohnung, Kinder in sämtlichen Vereinen und stets gut gekleidet (sowohl sie als auch die Kinder), leistet sich monatlich nen schicken Friseurbesuch.
Ich (alleine) darf höchstens eine 45 qm Wohnung bewohnen (was meistens nicht klappt weil diese Wohnung das Budget sprengen-laut ARGE), also man wohne in nem 30 qm Wohnklo (musste meine große Wohnung nach Trennung vom Mann auflösen -zu teuer-), kann mir kein Auto leisten.. also stehe ich jeden morgen an der bahnhalte und fahre geschlagene 3 std. zur Schule (Auto-35min) um auch nur im geringsten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben... Freizeitgestaltung kann man sogut wie knicken und von Altersvorsorge wollen wir mal gar nicht reden.
Fazit: Entweder man jammert nicht und schafft es aus der Misere raus oder man schaffe sich nen dutzend Kinder an... sorry aber da scheint für mich in diesem Land einiges schief zu laufen.

Und wer behauptet, man könne mit Hartz gut über die Runden kommen soll mir bitte einen Finanzplan zu senden wie man alle seine Rechnungen bezahlt und dazu noch genügend für Kleidung, Schulmaterial (in der Erwachsenenbildung gibts dafür keine Kohle), kaputte Waschmaschine usw übrig hat..

So und nun dürft ich auf mich eindreschen

mein mann und ich leben von grundsicherung, im prinzip der H4-satz nur auf dauer.
wenn mein mann nciht die wertmarke in seinem behindertenausweis hätte und wir die wohnbetreuung, die uns beim einkaufen hilft (die wir wahrscheinlich nächstes jahr nur noch starkt reduziert haben werden) müssten wir, um allein in diesem kaff gütersloh mit dem bus zu fahren 70€ für 2 monatskarten ausgeben, mal eben zu meinen eltern düsen währ auch nicht drin.
mit abzug von miete, telefon/internet, tv und dem anderen festkostengedöns (jaaa, wir haben haftpflicht und hausrat, wir sind priveligiert ) haben wir für uns zwei und dem hamstertier knapp über 310 euro im monat, also für kleidung, essen, freizeitaktivitäten (haha...) etc.
wenn wir in einer behindertenwerkstatt arbeiten würden, würden wir bei der hier 1 oder 2 jahre umsonst arbeiten und dann würde sich das gehalt nach den jahren staffeln, als maximum bekommt man bei 8 stunden arbeit täglich und 28 tagen urlaub 350 euro, von denen das amt nochmal 70% abzieht, weil es bei grundsicherung nicht den zuverdienstfreibetrag von 100€ für hartz4 gibt, uns wird jeder cent angerechnet, auch wenn ich bei ibäh unsere couch reinstellen würd, bekäme das amt das spitz gäbs strafe und fast alles vom verkauf würde einbehalten.
wie es aussehen wird in 25-40 jahren, weiß ich nicht, aber sobald einer von uns pflege brauchen würde säh es zappenduster aus, rente oder vermögen haben wir ja nicht, und bei dem raubbau am system können wir froh sein, wenn wir nicht bis dahin unter der brücke hocken.