Dick aufgrund "schlechter Eltern" (?!)

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich weiß´gar nicht so recht, wo ich anfangen soll und ob das Thema hierher passt.


    Ich fange einfach mal an: Ich leide seit ca. 8 Jahren unter immer wieder kehrenden Depressionen, hatte 2 Burn-Outs und bin seit dem letzten vor 1 1/2 Jahren endlich (scheinbar) bei der richtigen Therapeutin gelandet.


    Dick bin ich seit meiner Pubertät (davor war ich allerhöchstens ein bisschen stämmiger als andere in meinem Alter), seit dem Teenageralter nehme ich kontinuierlich zu und bin jetzt bei fast XXXkg auf 1,65m angekommen. Ich bin jetzt Anfang 40.


    Durch die Therapie habe ich festgestellt, dass der Grundstein meiner Probleme eigentlich schon in der Kindheit gelegt wurde, da ich eine sehr schwierige Mutter habe, die mir immer das Gefühl gab, nicht gut genug zu sein. Ich wurde sehr viel ausgeschimpft, Lob und positive Bestärkung gab es so gut wie nie. Ich wurde auch mehrmals, wenn meine Mutter völlig ausrastete, von ihr kreuz und quer durch die Wohnung geprügelt.


    Mein Vater hielt sich immer raus, steht voll unter der Fuchtel meiner Mutter.


    Die letzten Jahre als ich so krank war, mutierte meine Mutter zu meiner Hauptansprechpartnerin und teilweise meinem einzigen Kontakt zur Außenwelt, da sie selbst schon Depressionen hatte, war sie die einzige, die mir noch die Stange hielt.


    Mittlerweile geht es mir wieder gut und durch die Therapie kommt die ganze aufgestaute Wut aus der Kindheit in mir hoch, so dass ich Anfang des Jahres aufgrund einiger verletzender Äußerungen meiner Mutter (was ich normalerweise um des lieben Friedens Willen über mich ergehen lasse), den Kontakt abgebrochen habe.


    Es würde mich interessieren, ob ihr ähnliche familiäre Probleme habt und wie ihr damit umgeht?


    Durch die Krankheit habe ich mich die letzten Jahre extrem zurückgezogen und habe deshalb auch so gut wie keine Freunde mehr mit denen ich über solche Probleme sprechen könnte. Freue mich auf einen (hoffentlich) regen Gedankenaustausch...

  • Hallo,


    ich bin seit meiner Kindheit dick. Hatte auch schwierige Familiensituation. Meine Mutter war ziemlich überfordert. Kann mich nicht erinnern mal gelobt worden zu sein. Oder daran daß mir meine Mutter mal gesagt hätte daß sie mich lieb hat oder so.
    War als Kind sehr viel bei meiner Oma, die hat mich regelrecht gemästet, so nach dem Motto, das arme Kind, keiner will es, Vater hats auch keinen, solls wenigestens Essen was sie will... War sicher lieb gemeint, aber der Grundstein meines heutigen Dilemmas.


    War in einer Phase wo es mir richtig schlecht ging mal bei einem Therapeuten. Der meinte meine Probleme hab ich da meine Eltern Vollkoffer waren (so hat er das wortwörtlich gesagt)
    Er meint normal lernt man als Kind selbstbewußt zu sein, dadurch daß die Eltern sagen daß man das tollste ist, am schönsten malen, am tollsten hüpfen usw kann. Und lernt man das nicht dann fehlts halt auch als Erwachsener. Meinte auch solange ich nicht lerne selbstbewußter zu sein, werde ich auch nicht abnehmen.
    Mein Gewicht ist meine Entschuldigung, ich finde keinen Partner weil ich dick bin. Keiner hat mich deswegen lieb.... Wenn ich jetzt abnehmen würde und meine Träume trotzdem nicht in Erfüllung gehen hab ich ich dieses dicksein nicht mehr als Ausrede bzw Schutz. Dann müßte ich zugeben daß es vielleicht an mir liegt oder gar ich etwas falsch mache. Nur wie man lernt selbbewußt zu werden, das hat er mich auch nicht gesagt.
    Sorry daß das ganze so lange geworden ist. Aber langer Rede kurzer Sinn: Die Familie hat ganz sicher auch was mit den Problemen mit denen wir kämpfen zu tun.

  • Ich denke, die Familie und die Kindheit und wie man sie erlebt hat, hat sehr sehr viel mit dem Gewicht zu tun. Es ist ja mittlerweile auch unter Psychologen bekannt, dass traumatisierte und missbrauchte Kinder überdurchschnittlich oft dick werden.


    Allerdings finde ich es nicht in Ordnung, sich als Erwachsene immer noch dauernd drauf zu berufen: ich bin dick/krank/sonstiges, weil ich eine scheiß Kindheit hatte.
    Es war so, man sollte das würdigen, und dann versuchen, das eigene Leben in den Griff zu bekommen.

  • hi,


    wie sage ich immer so schön bei neuvorstellungen bei docs


    mein vater war sehr "liebevoll" und meine mutter hatte "schlagkräftige" argumente, auf gut deutsch sex. mb und misshandlungen ab kleinstkindalter


    und lt. meiner thera pränatal auch schon beeinflusst, d.h. ungewollt, nur war abtreibung 1964 noch nicht möglich.


    ansonsten bin ich lt. meinem erzeuger am herzinfarkt meiner mutter schuld und weil die medis, die sie dagegeben bekam darmkrebs erzeugen können, auch an ihrem darmkrebs und dem tod schuld.


    was mein vater mit mir als kleinstkind angestellt hat, muss mir so im alter zwischen 3 und 4 jahren "bewusst" geworden sein, denn es sind auf fotos von mir gravierende änderungen erkennbar, d.h. von total schmal auf dick, von lausmädchen-ausstrahlung auf maske und leere im ausdruck.


    meine mutter ist 1981 gestorben, mit meinem vater habe ich seit fast 5 jahren keinen kontakt mehr.


    der smb war bei mir lange "weg", verdrängt, es waren nur auswirkungen da. erst vor 14 jahren habe ich mit der aufarbeitung angefangen ...... nur sind die folgen sehr gravierend.


    was therapeuten betrifft, so hatte ich immer den, der zu dem zeitpunkt passte ........ das weiß ich heute. damals habe ich auch auf viele geschimpft und für unfähig gehalten.


    das was ich bei meiner jetzigen therapeutin und der davor auf- und erarbeite mit sämtlichen instabilen psych. phasen hätte ich früher nicht überlebt, d.h. die behandler davor haben schon in gewisser eine basis geschaffen, mir werkzeug in die hand gegeben, nur konnte ich die gebrauchsanweisung nicht lesen.


    wie es bei mir weitergehen wird ...... meine ernährungsthera ist da sehr zuversichtlich, ich manchmal weniger.


    manchmal ist ein therapiefortschritt für einen selbst nicht unbedingt ein fortschritt. so meinte mein psychiater am montag, der mich seit 2004 kennt ...... er spürt mich immer mehr, ich meine hier die gefühle.


    da hat er recht, ich bin nicht mehr so "tod", aber dadurch ist das leben für mich nicht unbedingt leichter, weil ich vieles nicht verdrängen kann, auf der anderen seite ist mein leben dadurch "bunter" geworden. habe gelernt kleinigkeiten wahrzunehmen und zu genießen.


    gruß zegge


  • Allerdings finde ich es nicht in Ordnung, sich als Erwachsene immer noch dauernd drauf zu berufen: ich bin dick/krank/sonstiges, weil ich eine scheiß Kindheit hatte.
    Es war so, man sollte das würdigen, und dann versuchen, das eigene Leben in den Griff zu bekommen.


    Ich schätze das kommt auf den Grad der Beschissenheit an.

  • hi blonder engel,



    Allerdings finde ich es nicht in Ordnung, sich als Erwachsene immer noch dauernd drauf zu berufen: ich bin dick/krank/sonstiges, weil ich eine scheiß Kindheit hatte.
    Es war so, man sollte das würdigen, und dann versuchen, das eigene Leben in den Griff zu bekommen.


    irgendwie ist bei mir der satz erst jetzt so richtig angekommen.



    kann dir nur sagen: ich versuche mein leben in den griff zu bekommen ....... und "ruh" mich nicht auf meiner vergangenheit aus.


    nur jammern und nichts tun ..... da gehen mir auch die schnürsenkel auf.


    nur mit dem "was tun" sind einem oft auch gewissen grenzen gesetzt. weiß nicht, wie gut du dich auskennst, aber wer eine psychotherapie macht, hat meistens nach 100 durch die krankenkasse genehmigten stunden erst mal 2 jahre zwangspause oder man zahlt selbst.


    und in kliniken ....... meine mehrfache erfahrung, die haben ihr schema F, entweder man passt rein, läßt sich passend machen oder kann gehen.


    gruß zegge

  • Wow! Mit soviel Resonanz und vor allem Offenheit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Vielen Dank für Eure Beiträge!!! :)


    @Blonder Engel: es geht mir gar nicht darum, mich auf irgendwas auszuruhen oder meine bescheidene Kindheit als Ausrede zu benutzen. Mir wird nur jetzt durch die Psychotherapie vieles bewusst, was ich eben bis vor Kurzem so nicht gesehen hab. Und Selbsterkenntnis soll ja oft der erste Weg zur Besserung sein. Ich arbeite dran... :)


    zegge: Oh je, bei Dir war aber wirklich das volle Programm angesagt. Ich finde es sehr gut, dass Du Dir, so wie ich auch, Hilfe geholt hast und Dich mit all diesen schlechten Erlebnissen auseinandersetzt. Ich lese aus Deinen Zeilen, dass Du auch kämpfst und Dich nicht unterkriegen läßt. Ich wünsche Dir von Herzen viel Erfolg bei der Verarbeitung!

  • Na, habe ich mich wohl nicht klar ausgedrückt.
    Wie ich bereits geschrieben hatte, weiß ich durchaus, dass Probleme in der Kindheit große Probleme später machen.


    Und mit der anderen Äußerung schreibe ich Euch mal, was ich meine.
    Ich bin selbst 13 Jahre meines LEbens sexuell missbraucht worden, von meinem Opa und noch von anderen. Meine Jugend war die Hölle. Und die meiner Schwester auch.


    Ich war u.A. in einer 12-Schritte- Klinik, und dort habe ich Gott sei Dank gelernt, dass es nicht weiterhilft, Wochen, Monate und Jahre in den alten Verletzungen rumzuwühlen. In dieser Klinik wurde immer gesagt: Ja, das war schlimm. Und wie geht es JETZT weiter?
    Das war für mich erst mal rau und ziemlich schlimm, letztendlich hat es mich gerettet.


    Meine Schwester, der das gleiche passiert ist, hat sich dem "Ich bin missbraucht worden und hatte eine schlimme Kindheit - und jetzt muss die ganze Welt für mich sorgen" Sog ergeben. Immer hat jemand anders schuld. Grundsätzlich. Sie ist chronisch krank, in Frührente und nimmt Psychopharmaka, Beruhigungsmittel, Schmerzmittel.


    Und ich sehe halt einfach, dass das alles zu nix führt.
    Also, versteht mich nicht falsch. Ich kann das alles nachfühlen und nachvollziehen. Den Schmerz, die Wut, den Hass, die Trauer. Und es gibt sicher immer wieder Zeiten im Leben, in denen man sich dem stelle muss.
    Heilung kommt aber erst, wenn ich würdigen kann, was mir passiert ist und es "integriere", also damit leben lerne. Und mich dann auf MEIN Leben konzentriere.

  • blonder engel - bin ich zu 100% bei dir - weil ich das Thema auch aus eigener Erfahrung kenne.

    abschließen mit dem Thema, sich bewusst sein, dass es Teil des Lebens ist, aber Vergangenheit....

    was damals passiert ist, konnte man sich nicht aussuchen und es nicht verhindern - was aber die Vergangenheit heute mit einem macht - das hat man selber in der Hand.

    lg

  • Ja, gut formuliert. Der Missbrauch und der ganze Schlonz ist ein Teil meiner Geschichte, ein wichtiger Teil, aber eben nur EIN Teil.


    Hallo Blonder Engel,


    Respekt, dass du das so sehen kannst. Ich habe auch lange gebraucht, bis ich die Schicksalsschläge, die mich schon als Jugendliche ereilt haben (kein Missbrauch) nicht als Entschuldigung für alles benutzen kann und trotzdem jetzt ein gutes Leben führen kann.


    Ist ja auch so schön einfach: ich bin dick, deshalb mag mich niemand, ich hatte eine harte Jugend, meine Eltern sind schuld, Gott ist schuld. - All das ist ein Teil meines Lebens, den ich nicht ändern kann. Aber was ich aus der Zukunft mache, ist ebenso ein Teil meines Lebens, und den kann ich beeinflussen, gestalten.

    Liebe Grüße Mendi


    "Wer eine schöne Stunde verschenkt, weil er an Ärger von gestern denkt oder an Sorgen von morgen, der tut mir leid. Mein Name ist Hase, ich weiß Bescheid." (Bugs Bunny)

  • Ich denke, dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit vieles härter und anstrengender machen, noch Jahre später.
    Natürlich habe ich oft zu kämpfen. Und oft trauere ich über die Dinge, die mir passiert sind und wünsche mir, sie wären nicht passiert.
    Und, oh ja, ich war sehr wütend auf meine Eltern.


    Mit der Klinik, in der ich war, hatte ich Glück, obwohl es mir am Anfang nicht so erschienen ist. Ich wollte bemitleidet werden, und ich wollte, dass sie sehen, wie übel mir mitgespielt worden ist.
    Sie haben das gesehen und gewürdigt, es hat mich aber niemand bemitleidet. Heute sage ich: Gott sei Dank.
    Sie haben mir in den 16 Wochen vermittelt, dass ich jetzt erwachsen bin und selbst entscheiden kann, wie ich mit den Dingen umgehe, was schon oftmals schwer ist. Sie haben mir vermittelt, KEIN Opfer mehr zu sein.
    Dort werden z.B. Menschen, die missbraucht worden sind, nicht als Inzest-Opfer, sondern als Inzest-Überlebende bezeichnet. Das finde ich ganz wichtig.
    Ich bin kein Opfer, sondern habe etwas sehr Schlimmes überlebt und überstanden und mache jetzt das Beste aus meinem Leben.


    Aber natürlich würdige ich alle, die jetzt in Therapie sind und aufarbeiten, was sie erlebt haben.
    Ich habe öfter von Freunden und Bekannten, die Therapie machen, mitbekommen, dass sehr viel in der Vergangenheit rumgegraben wurde, teilweise jahrelang. Und es wurde jemand gefunden, der schuld war.
    Ich denke, dass das alles eine gewisse Zeit lang seine Berechtigung hat, aber dass die große Gefahr besteht, stecken zu bleiben und den nächsten Schritt nicht zu gehen. Das wollte ich mit meinem ersten Beitrag sagen.

  • Hallo Blonder Engel,


    ich kann mich auch in die Reihe hier einklinken. Ich war als Kind schon dick und habe als Kind auch aus Angst gegessen, zum Nerven beruhigen. Vater war Alkoholiker und meine Mutter leider so unselbständig, dass sie nicht im Stande war, ihn zu verlassen. War zu der Zeit nicht üblich. Ich wurde nie geschlagen, habe aber ansehen müssen, wie meine Mutter geschlagen wurde etc. Das war alles nicht einfach...
    Man sieht auch bei meinen Geschwistern, dass die Veranlagung zum Dick sein da ist, aber ich bin diejenige bei der es voll "durchschlägt" :)


    Der Schlüssel war für mich mit Mitte / Ende Zwanzig, aus der Opferrolle rauszukommen. Warum ich? warum musste ich das mitmachen? Warum hat meine Mama nix unternommen? etc etc.


    Die Antwort war irgendwann für mich die: All das hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. mutig, Gerecht, stark etc.


    Daher war es eine "gute Schule".
    Ich versuche das positive daraus zu ziehen. Die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern.


    Ich habe mich irgendwann auch mit meinen Eltern ausgesöhnt (mein Vater lebt nich mehr). Mir war klar, sie haben ihren eigenen Rucksack dabei gehabt und sind in einer Zeit groß geworden, wo nie über Gefühle gesprochen wurde und auch nicht gezeigt wurden. Mein Vater, so vermute ich, wurde deswegen zum Alkoholiker weil ein Kind von ihnen beiden starb (sprich ein Bruder von mir, den ich aber nie gekannt habe da ich noch nicht auf der Welt war), woran er schuld war. und meine Mutter hat es auch nie überwunden. Und dann kam, ganz unplanmäßig, ich ein paar jahre später als nachzügler auf die Welt.
    Ich bin mir heute sicher, dass die beiden es nicht besser konnten. Heute würde solchen Familien vielleicht anders geholfen, zu der Zeit war es halt so; jeder mit seinen Sorgen und Nöten für sich alleine.


    Mir hat die spirituelle Sicht geholfen, dass sich das Kind bzw. die Seele aussucht, in welche Familie sie geboren wird um dort ihre "Lernaufgaben" für dieses Leben machen zu können.


    Das ganze hat mich dann Frieden mit meinen Eltern schließen lassen und hat den Schmerz genommen.
    Schlanker bin ich deswegen zwar nicht geworden, aber trotzdem fühle ich mich leichter.


    Liebe Grüße,
    MollyLady

  • Hallo Blauer Engel,


    nichts für ungut, aber ich finde, was du da


    Meine Schwester, der das gleiche passiert ist, hat sich dem "Ich bin missbraucht worden und hatte eine schlimme Kindheit - und jetzt muss die ganze Welt für mich sorgen" Sog ergeben. Immer hat jemand anders schuld. Grundsätzlich. Sie ist chronisch krank, in Frührente und nimmt Psychopharmaka, Beruhigungsmittel, Schmerzmittel.


    über deine Schwester schreibst, ist unglaublich abwertend. Ihr mögt die selbe schlimme Kindheit erlebt haben und die gleichen Unsäglichkeiten - aber ihr seid zwei getrennte Personen. Und wenn deine Schwester auch mit körperlichen Symptomen (Schmerzmittel!) reagiert und ihre psychischen nicht so "in den Griff" bekommt wie du, dann muss sie sich gar keinem "Sog ergeben" haben.


    Sie ist einfach anders als du. Ein anderer Mensch.


    Ist ähnlich wie mit dem Dicksein. Auch da haben Geschwister mit den gleichen Eltern, der gleichen Kindheit und dem gleichen Essen nicht unbedingt den gleichen Körperbau.

  • Obwohl Du an den blauen Engel schreibst, denke ich mal, Du meinst mich.
    Ich empfinde das anders. Du kennst meine Schwester nicht, und ich schon, seit vielen Jahren.
    Ich erlebe mit, wie sie ihre vielen Talente verkümmern lässt und jeden Tag irgendwas anderes hat. Ich erlebe mit, wie sie Pläne hat und sie aber nicht umsetzt, weil sie wartet, dass jemand anders kommt und es ihr abnimmt.
    Ich erlebe mit, wie ein begabter Mensch in Therapie immer nur lernt, über andere zu schimpfen, und andere verantwortlich zu machen, anstatt selbst in die Gänge zu kommen.
    Ich erlebe, wie sie erwartet, dass sich alle anderen um ihren kleinen Sohn kümmern, weil sie grad kiffend auf dem Balkon sitzt.


    Ich schreibe nicht abwertend über sie. Ich schreibe das, was ich erlebe, und was hart zu beobachten ist, weil ich sie liebe. Und ich schreibe es als Warnung davor, immer jemanden zu suchen, der Schuld ist. Das bringt gar nix.
    Meine Schwester hat genug Leute, die sie bemitleiden und versuchen, ihr alles abzunehmen. Da reihe ich mich nicht ein.

  • Ich denke, daß das Grundproblem die Suche nach Schuld und Entschuldigung ist, statt nach Lösungen zu suchen bzw. die Tatsachen zu akzeptieren.


    Ich finde außer im Strafrecht hat das nichts zu suchen. Ich komme ebenfalls aus einer dicken Familie, aber was nützt mir die Antwort, ob ich aus Veranlagung, durch die Erziehung meiner Eltern oder meinetwegen dick bin, das ändert ja nichts an dieser Tatsache. Davon werde ich weder dünner, noch können meine Eltern rückwirkend irgendetwas ändern. Im schlimmsten Fall bin ich auf sie böse und breche den Kontakt ab.


    Ich denke, das ist allerdings ein Problem unserer (zum Teil übertriebenen) Leistungsgesellschaft, die für jeden größeren beruflichen Mißerfolg, jede Lücke im Lebenslauf, für jedes Semester an der Univesität mehr, für jedes Sitzenbleiben in der Schule und für jedes Kilo zu viel, Mißbrauch von Medikamenten, Alkohol oder Tabak oder andere Laster einen Schuldvorwurf macht.


    Diesen soll man doch bitte mindestens durch Beibringen einer geeigneten Entschuldigung ausgleichen und überhaupt will man immer, dass man sich gut verkauft - was natürlich jeden in Unbehagen versetzt, der sich nicht mehr "verkaufen" kann oder zumindest glaubt, es nicht mehr zu können.


    Denn im Grunde ist dann trotzdem die "Kreditwürdigkeit" verspielt, also das Vertrauen des Gegenübers, künftig die geforderte Leistung zu bringen. Bei Dicken ist das dann vielleicht die vermutete Disziplinlosigkeit, von der sie sich irgendwie "reinwaschen" müssen, z.B. durch schlechte Eltern, um hinsichtlich des Versagens gegenüber den gesellschaftlichen Ansprüchen entschuldigt zu sein.


    Echtes Selbstbewußtsein, also zu seinen Stärken und Schwächen zu stehen, ist zum Teil wenig gefragt, das geht ja mitunter bis in den engeren Kreis von Freunden und Familie. Leute, die dann irgendwo den Anschluß verpaßt haben, gewinnen ihn zuweilen nicht wieder und werden zu verkrachten Existenzen und trösten sich dann darüber hinweg, daß ja gar nicht sie selbst, sondern andere an der eigenen Misere schuld sind (keine Lösung) und sie viel mehr hätten erreichen können, wenn man sie nur...


    Selbst an seiner "Misere" schuld zu sein, unabhängig davon, ob es zutrifft, ist jedenfalls anscheinend etwas ganz Schlimmes. Solange, aber Eigenverantwortung nur zur Selbstkonditionierung verstanden wird, ist sie im Versagensfall ziemlich nutzlos, weil das in Extremfällen eben zum Rauschmittelkonsum, zur Kriminalität (um den geünschten Lebensunterhalt zu gewinnen) oder im gefühlten Totalversagen in den Selbstmord führt.


    Ich habe zum Glück relativ wenig Probleme damit, dass ich dick bin, weil ich es als mein gutes Recht und Teil meiner Freiheit, mein Leben zu gestalten sehe (selbst, wenn ich "unabsichtlich" dick bin), aber wenn das nicht so wäre, hätte ich vielleicht auch das Problem irgendjemandem nicht genügen zu können. Wie es sich bei einem endgültig nicht bestandenen Examen oder langjähriger Arbeitslosigkeit verhalten hätte, weiß ich ehrlich gesagt nicht, davor hatte ich immer Angst, dann plötzlich als gescheitert und nutzlos dazustehen.


    Die Quintessenz soll jetzt allerdings nicht sein, dass die Gesellschaft daran schuld ist, sondern, ob wir nicht alle versuchen sollten, unseren Mitmenschen ihre Schwächen nachzusehen und immer wieder Chancen zu geben und zur Not mehr auf den guten Willen als auf das Ergebnis zu sehen. Das würde uns und unseren Mitmenschen vielleicht guttun.

  • Hallo,
    bin 43 Jahre alt.
    ich bin auch seit ich 6 Jahre bin dick. Und jetzt stark übergewichtig.
    Ich hatte auch eine schwierige Kindheit. Und hatte schon xDepression. Mein Vater führte ein Doppelleben und hat auch ein anderes Kind. Also hatte ich einen Halbbruder mit 8 Jahren bekommen. So lebte mein Vater tageweise bei mir und meiner Mutter und tageweise dann bei der anderen Frau mit meinem Halbbruder. Meine Mutter tolerierte das und die andere Frau auch.
    Und ausgelassen hat es mein Vater an mir oder meinem Halbbruder.
    Durch Schläge, psychische Misshandlungen, Verbote.
    Ich war auch vor 20 Jahre in Psychotherapie. Und mit der Schuld ich gab mir die Schuld für alles was geschehen ist. Auch dann als junger Erwachsenee zog ich mir jeden Schuh und nahm immer die Schuld auf mich. Meine Therapeutin hat gesagt das war sehr anstrengend mit mir dass ich mir jede Schuld für alles und jeden gab. Jedenfalls bis sie das aus mir heraushatte..
    Ich häng auch in der Vergangenheit fest. Und bei mir kommen aber immer wieder Alpträume und Flashbacks. Ich suche zur Zeit auch wieder einen Psychotherapeuten wegen dem Kindheitstrauma. Vor 20 Jahren konnte ich kaum darüber reden aber jetzt bin ich bereit dazu. Wegen meiner Esssucht die sich da sein Kindesbeinen an entwickelt hat. Traurig finde ich dass du keine Freunde hast. Ich lebte auch mal zeitlang ohne Freunde. Inzwischen habe ich wieder einige Freundschaften geschlossen. Die sind alle überwiegend auch psychisch erkrankt sind.

  • Hallo Wurlixxl und Willkommen im Forum :),


    da hast Du ein ordentliches Päckchen zu tragen.
    Dass man das Verhalten der beteiligten Erwachsenen in dieser Dreiecks-Beziehung insbesondere als Kind nicht nachvollziehen kann, ist aus meiner Sicht verständlich.
    Als Erwachsener hast Du jedoch die Chance nach Deinen eigenen Moralvorstellungen zu leben und Dinge besser zu machen als Deine Eltern.
    Du hast definitiv das Recht das Verhalten Deiner Eltern zu kritisieren, in Frage zu stellen und zu verurteilen, schließlich wurdest Du zu einem ungefragten und leidtragenden Beteiligten gemacht.
    So schwer es auch ist, so muss man im Leben lernen einen Cut zu machen, nur das schützt Dich selber! Das sagt sich alles so leicht, insbesondere wenn man tiefe Verletzungen erlitten hat, aber Du hast ja nichts falsch gemacht. Die Schuld bei anderen zu suchen ist nicht verwerflich, in Deinem Fall sogar absolut richtig.
    Kinder sind einfach immer wieder die Leidtragenden. Sie sind schutzlos den Entscheidungen und Handlungen anderer ausgeliefert. Bis da Hilfe kommt, ist oftmals schon ein tief sitzender Schaden angerichtet.


    Eine chinesische Weisheit sagt: Egal wie weit der Weg auch ist, man muss den ersten Schritt tun.
    Du bist bereit den ersten Schritt zu gehen - das ist doch ein prima Anfang!

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