Ich kenne Ähnliches aus meiner Familie. War letztes Wochenende bei meinen Großeltern, extra mit Zug von Frankfurt ins tiefste Sachsen gefahren, weil Oma Geburtstag hatte. Und was kriege ich zur Begrüßung zu hören?
"Nein, Kind, hast du etwa schon *wieder* zugenommen? Also nein, wo soll *das* nur hinführen?!"
Und so verlief das gesamte Wochenende, bei allem was ich gegessen oder getrunken habe, kam irgendein Kommentar...
"Nun schling doch nicht so, du musst mehr kauen!"
"Willst du *wirklich* noch ein Brötchen essen?"
"Trink doch nicht so viel, das leiert doch den Magen aus!"
Als ich allerdings den Eisbecher nicht essen wollte, weil da Alkohol drauf war (sie weiß ungefähr, seit ich legal Alkohol konsumieren darf, dass ich selbigen nicht ausstehen kann), wurde mir erklärt, dass es "nicht anständig" sei, einfach Essen stehen zu lassen. Ja können wir uns jetzt bitte mal entscheiden?
Ich bin eigentlich hingefahren, weil sich meine Großeltern beschwert haben, dass ich mich so selten melde und dass ich ja mal von mir hören lassen sollte. Ich wollte also erzählen, dass mir die neue Stadt gefällt, dass mein Job mir Spaß macht, dass ich großartige Kollegen habe und dass mein Leben aktuell wirklich toll ist. Und sie schafft es schon zur Begrüßung, dass ich mir wünschte, ich wäre nicht hingefahren.
Ich bring es aber auch nicht über mich, den Kontakt ganz abzubrechen, vor allem weil meine Mum dann alles abbekommt. Und mich gegen meine Oma verbal zur Wehr zu setzen, fällt mir trotz 114kg auf der Waage und 24 Jahren auf dieser Welt schwer.
In der Öffentlichkeit hingegen habe ich es inzwischen (mit Tunnelblick, Sonnenbrille und Kopfhörern) geschafft, blöde Blicke weitestgehend zu ignorieren. Ja, auch ich will mir einfach mal an der Eisdiele eine Kugel Eis holen, weil es warm ist, das ist keine Todsünde, für die ich mich verstecken müsste.
Am meisten Kraft geben mir mein Bekanntenkreis und meine Freunde, die thematisieren mein Gewicht nicht und akzeptieren mich so, wie ich bin, auch auf Arbeit habe ich keinerlei Probleme. Von daher ist meine Oma vielleicht so eine Art "ausgleichende (Un)gerechtigkeit".