Diskriminierung im Alltag dicker Menschen

  • Guten Morgen,


    über die Diskussion zur BR3-Dokumentation "Fett, faul, dumm - Vorurteilsfalle Übergewicht" bin ich wieder mal dazu gekommen über Diskriminierung im Alltag dicker Menschen, bzw. auch in meinem Alltag nachzudenken.
    Lange Zeit habe ich mich mit dem Thema kaum beschäftigt und habe auch (scheinbar) seit längerer Zeit keine herabsetzenden Erlebnisse mehr mit dem Thema gehabt. Ich dachte auch, dass das eher ein Problem in der Jugend sei, da die meisten Erlebnisse, an die ich mich erinnere in Kindheit, Jugend und Studentenzeit passiert sind.


    Vielleicht irre ich mich aber auch nur und kann solche Dinge heute besser ignorieren.
    Wenn hier mir sehr selbstbewusst wirkende Menschen schreiben, dass sich beim Falafelkauf über die lustig gemacht wird, dann gibt mir das schon zu denken. Ich hätte nicht gedacht, dass sich das gegenüber gestandenen Erwachsenen getraut wird.
    Ich habe mal in einem Fernsehinterview mit Tine Wittler gesehen, dass sie sich sehrwohl diskriminiert fühlt und vor allem bestürzt war, was alles über sie im Internet geschrieben wurde.


    Trifft es Frauen eventuell doch öfter als Männer, oder sprechen ebendiese nur öfter darüber? Wird auch ein Sigmar Gabriel mal angepöbelt? Wie weit reicht dieses Phänomen wirklich?


    Ich bin dann mal in mich gegangen und kann mich an drei konkrete Erlebnisse in den letzten 5 Jahren erinnern, in denen mein Gewicht abschätzend (durch die Blume) zur Sprache kam. Eins in der Nachbarschaft, eines beim Einkaufen und eines familiär (allerdings nicht direkt ins Gesicht gesagt).


    Ohne nachzudenken, hätte ich aber eher gesagt, dass mir das nicht passiert, bzw. dass es deutlich weniger geworden ist, aber so ganz scheint das bei genauerem Hinschauen nicht zu stimmen.


    Ich denke auch, dass es nochmal einen Unterschied macht, ob man sich in seinem vertrauten Umfeld bewegt (Beruf, Nachbarschaft, kleinerer Wohnort, Familie, Freundeskreis) oder auf unbekanntem Terrain ohne festen sozialen Status (Reisen, Großstadt).


    Hängt es womöglich auch mit Kleidung und Auftreten zusammen?
    Habt ihr Unterschiede bemerkt, wenn ihr ab- oder zugenommen hattet?
    Hat sich mit zunehmendem Lebensalter, mehr Lebenserfahrung, wachsendem sozialen Status etwas an der Häufigkeit von Alltagsdiskrimnierung geändert bei euch?


    Ich möchte hier ganz bewusst rein strukturelle Diskriminierung wie Nicht-Verbeamtung, Nicht-Aufnahme bei privaten Krankenkassen und ähnliches reden sondern es wirklich auf das soziale Miteinander im persönlichen und gesamtgesellschaftlichen Bereich beschränken.


    Eure Erfahrungen würden mich sehr interessieren!

  • Ich bin 63 Jahre alt und Vollschlank meine Erfahrungen mit Diskremenierung sind !
    Viele Menschen lassen sich nicht an sich rankommen Sie halten mich für Minderwertieg oder sind stolz das Sie einen schöneren Körper haben und es kommt auch schon mal Spott rüber !
    Aber mit den Leuten mit dem man ins Gespräch kommt geht es auf Augenhöhe nur man solte nicht zu empfindlich sein !


    In Richtung Frauen bin ich ehr der Kumpel den selbst Dicke-Fauen wollen lieber einen schlanken Mann und so bin ich ein bischen zum Einzelgänger geworden

  • Ich möchte nach deiner Antwort nochmal präzisieren, ich würde mich gerne auf ganz konkrete Diskrimnierung beschränken, also ganz konkrete Sprüche, die sich auf das Äußere beziehen oder geäußerte Vorurteile.


    Zitat von stimme

    Viele Menschen lassen sich nicht an sich rankommen Sie halten mich für Minderwertieg oder sind stolz das Sie einen schöneren Körper haben und es kommt auch schon mal Spott rüber !


    Ist das deine Annahme, dass sich Menschen mit einem von dir als attraktiv eingeschätzdem Körper speziell dir gegenüber unnahbar verhalten oder hast du dafür ganz konkrete Anhaltspunkte?
    In welchen Situationen wirst du verspottet?


    Zitat von stimme

    Aber mit den Leuten mit dem man ins Gespräch kommt geht es auf Augenhöhe nur man solte nicht zu empfindlich sein !


    Worauf bezieht sich hier das "zu empfindlich sein"?


    Zitat von stimme

    Dicke-Fauen wollen lieber einen schlanken Mann


    Dein Eindruck ist also, dass du auch von anderen Dicken diskriminiert wirst? Hattest du dazu schon ganz konkrete Rückmeldungen von Frauen oder ist das eher so ein unbestimmtes Gefühl?

  • [...] Ich denke auch, dass es nochmal einen Unterschied macht, ob man sich in seinem vertrauten Umfeld bewegt (Beruf, Nachbarschaft, kleinerer Wohnort, Familie, Freundeskreis) oder auf unbekanntem Terrain ohne festen sozialen Status (Reisen, Großstadt).


    In meinem Beruf hatte ich bis heute, wegen meinem Gewicht, noch keine Probleme und wurde auch noch nie beleidigt oder ähnliches. Bei der Nachbarschaft sieht das anders aus - vor sechs Jahren wohnten wir in einer Wohnung mit einer feierfreudigen Nachbarschaft und als ich nach Mitternacht um etwas Ruhe bat, wurde ich mit sehr schlimmen Schimpfwörtern beleidigt.
    In meiner Familie musste ich mir schon öfter Beleidigungen anhören. Vor fünf Jahren war ich das letzte Mal auf einer Familienfeier und damals wurden lauthals Witze über Dicke gerissen, Tipps für mich über Ernährung und die Aussage „nur der beißende Hunger bringt die Gewichtsabnahme“, oder nett war auch als ich das Zimmer betrat, mit einem dünnen Pulli an, hieß es „zieh doch mal die dicke Jacke aus *schelmisch Grins“.
    Mein Freundeskreis ist sehr klein und dort habe ich noch nie Anfeindungen erlebt, oder hinterlistige Gemeinheiten. Vor noch nicht langem war ich in einem Schwimmbad und dabei meine Bahnen zu drehen, als ich an einer Frau vorbei schwamm und sagte sie „ viel Fisch, viel Gemüse und viel Bewegung dann klappt es „, solch unaufgeforderten Tipps mag ich überhaupt nicht.

    Zitat

    Trifft es Frauen eventuell doch öfter als Männer, oder sprechen ebendiese nur öfter darüber?

    Das weiß ich nicht so genau … als mein Bruder jung war, wurde er sehr oft wegen seinem Dicksein angepöbelt, heute ist er schlank und lacht und lästert selbst über seine Schwester :(


    Zitat

    Hängt es womöglich auch mit Kleidung und Auftreten zusammen?

    Ich bin recht häufig im Wald und da habe ich immer dasselbe an Trainingshose, Outdoorjacke und Wanderstiefel und ich wurde noch nie blöde angesprochen … kann auch daran liegen, dass die Menschen im Wald mehr mit sich selbst zu tun haben. Hier in unserem kleinen Ort wurde ich auf der Straße noch nicht dumm angesprochen, aber in der Stadt ist mir das leider schon oft passiert, obwohl ich gut angezogen war – meistens sind das aber angetrunken Leute, oder Kids im Rudel …


    Zitat

    Habt ihr Unterschiede bemerkt, wenn ihr ab- oder zugenommen hattet?

    Ich hatte den Eindruck, dass ich mehr angepöbelt wurde als ich abgenommen hatte, aber an genauen Erlebnissen kann ich das nicht mehr fest machen. In der Familie wurde ich immer gelobt, wenn ich abgenommen hatte und getadelt, wenn ich zugenommen hatte.


    Zitat

    Hat sich mit zunehmendem Lebensalter, mehr Lebenserfahrung, wachsendem sozialen Status etwas an der Häufigkeit von Alltagsdiskrimnierung geändert bei euch?

    Ja, ich glaube schon, dass ich bis zum Alter von ca. 30-35 Jahren mehr beleidigt wurde und seitdem ich zu mir und meinem Körper stehe, habe ich das Gefühl weniger angepöbelt zu werden. Ich verstecke mich heute nicht mehr so wie früher, ich ziehe auch nicht mehr den Kopf ein, wenn es um Ernährung und Gewichtsabnahme geht und wenn jemand so dumm ist über mich etwas Gemeines zu rufen, dann kann es schon passieren, dass ich extrem in meiner Reaktion werde.


    P.S. mir fällt gerade noch ein Erlebnis ein das ich vor kurzem in einem Supermarkt hatte - ich nahm gerade zwei Becher Sahne aus dem Kühlregal, als ein älterer Herr sehr laut zu mir sagte "lassen sie bitte auch noch was für die anderen Kunden übrig".

  • Danke dir Bircan, für das offen Feedback:)!


    Zitat von Bircan

    vor sechs Jahren wohnten wir in einer Wohnung mit einer feierfreudigen Nachbarschaft und als ich nach Mitternacht um etwas Ruhe bat, wurde ich mit sehr schlimmen Schimpfwörtern beleidigt.


    Unschön. Scheint mir aber nicht unüblich zu sein, dass, wenn berechtigt eingeforderte Rücksichtnahme die eigene Freiheit einzuschränken beginnt manchmal aggressive Reaktionen kommen.
    Hier wurde dann auf unterstem Niveau zur Diskriminierungskeule gegriffen um dich mundtot zu machen.


    Das Verhalten deiner Familie macht mich betroffen, das ist schade, dass da kein Rückhalt zu erwarten ist. Ich hatte es vor allem früher mit Ratschlägen zu tun nach dem Motto "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint", die mir und meiner Situation auch in keiner Weise gerecht wurden.


    Zitat von Bircan

    als ich an einer Frau vorbei schwamm und sagte sie „ viel Fisch, viel Gemüse und viel Bewegung dann klappt es „, solch unaufgeforderten Tipps mag ich überhaupt nicht.


    Naja, vielleicht bringst du nächstes Mal ein wasserdichtes Behältnis mit und isst am Beckenrand etwas gedünstetes Gemüse und Fisch während du mit den Beinen strampelst;)
    Das ist ja auch eine Form der Grenzüberschreitung und beinhaltet im Grunde ja nur eine Maßregelung.
    Beim Kauf einer, wie ich dachte, Süßkartoffel (war dann irgendeine andere Wurzel) im Asien-Laden strahlte mich die Verkäuferin auch an mit den Worten: "Das ist super zum abnehmen, aber vor zwölf Uhr essen." Auch mein Ingwer und gemahlener Kardamom wurden wohlwollend erwähnt:rolleyes:
    Ich war so überrascht, dass mir nichts passendes einfiel. War sicher irgendwie nett gemeint, aber ich merke, dass ich nun wenig Lust verspüre, den Laden nochmal zu betreten; das überrascht mich am meisten an mir, dass ich mit sowas nach wie vor nicht gut umgehen kann.



    Zitat von Bircan

    Hier in unserem kleinen Ort wurde ich auf der Straße noch nicht dumm angesprochen, aber in der Stadt ist mir das leider schon oft passiert, obwohl ich gut angezogen war – meistens sind das aber angetrunken Leute, oder Kids im Rudel …


    Also ich bin ebenfalls, wie du auch erwähntest gern in Trainingskleidung im Wald unterwegs, da fühl ich mich auch nie doof angeschaut und habe auch keine Problem körperbetont rumzulaufen.
    Ok, dann ist das in der Stadt anscheinend doch gang und gäbe, zumindest was bestimmte Gruppen betrifft, die enthemmter auftreten. Ich kenne das vor allem aus jüngeren Jahren, da haben mir gerne mal junge Männer in Cliquen etwas hinterhergerufen, manchmal aber auch eher in die sexistische Richtung tendierend.



    Zitat von Bircan

    a, ich glaube schon, dass ich bis zum Alter von ca. 30-35 Jahren mehr beleidigt wurde und seitdem ich zu mir und meinem Körper stehe, habe ich das Gefühl weniger angepöbelt zu werden. Ich verstecke mich heute nicht mehr so wie früher, ich ziehe auch nicht mehr den Kopf ein, wenn es um Ernährung und Gewichtsabnahme geht und wenn jemand so dumm ist über mich etwas Gemeines zu rufen, dann kann es schon passieren, dass ich extrem in meiner Reaktion werde.


    Kann ich so unterschreiben, auch wenn ich bei mir das Alter meiner Emanzipation was das Thema betrifft ein wenig früher ansetzen würde. Die innere Haltung scheint schon einen gewissen Unterschied zu machen, vielleicht auch schon die potentielle Bereitschaft, sich zur Wehr zu setzen.


    Zitat von Bircan

    P.S. mir fällt gerade noch ein Erlebnis ein das ich vor kurzem in einem Supermarkt hatte - ich nahm gerade zwei Becher Sahne aus dem Kühlregal, als ein älterer Herr sehr laut zu mir sagte "lassen sie bitte auch noch was für die anderen Kunden übrig".


    Auch nett:rolleyes:
    Manchmal habe ich direkt mit solchen Situationen gerechnet bin also mit innerlich gefletschten Zähnen im Supermarkt durch die Gänge gestapft und es ist dann nie etwas passiert.
    An dem Tag im Asia-Markt war ich eher freudig beschwingt und dann passiert es, zum ersten Mal in meinem Leben in einer solchen Situation.

  • Was meine Familie angeht, habe ich irgendwann mal "auf den Tisch gehauen", wie man so schön sagt, und seitdem wissen die anderen, dass mir Diätgerede und gute Ratschläge gegen den Strich gehen. Da wird also mit mir nicht drüber diskutiert - und es kommen auch keine Abnehmtipps. Sie wissen, dass ich weiß, dass sie sich freuen, wenn cih abnehme. Sie wissen aber auch, dass das für mich nicht "einfach so" machbar ist. Insofern wird mir mittlerweile schon mehr Respekt entgegen gebracht als zu dem Zeitpunkt, an dem ich noch schlank war.


    Was so öffentliche Situationen angeht, gucken manche Leute einfach... wenn ich es merke schau ich halt interessiert zurück, bis sie weggucken. Meist interessiert mich sowas allerdings zu wenig, als dass ich es bewußt wahrnehme.


    Ich hatte insgesamt eine Situation mit zwei Jungs (Guck mal,, ne Dicke!), mit einer Ärztin (hatte ich im Forum auch beschrieben) und mit einer Kollegin (das hatte ich glaube ich auch schon mal erwähnt). Die Jungs haben einen Spruch zurückbekommen, der Ärztin habe ich, soweit es die Höflichkeit meinerseits zuließ, die Sitrn geboten, Und bei der Kollegin hab ich zurückgeschossen und ordentlich kontra gegeben, da sie sich nicht gerade zurückgehalten hat.


    Das neueste, was ich in Bezug auf Dicksein erlebe, ist bedingt durch meine derzeitige körperliche Situation. Da hat dann meine Chefin zuerst geredet und dann nachgedacht, sich anschließend aber entschuldigt. Meine Ärztin ist in Ordnung, vor allem die Schwestern/Sprechstundenhilfen sind sehr lieb. Details dazu möchte ich hier jetzt aber nicht preisgeben. Vielleicht später, wenn ich mich daran etwas gewöhnt habe.


    Gruß
    Dani

    Dress for the body you have RIGHT now. There is nothing wrong with you right now, and there is sure as heck no reason to wait to look good. Get up, get dressed and face the world and then do it again tomorrow. (Malia Anderson)

  • Meine Erfahrungen dazu:

    Jobmäßig läuft seit 10 Jahren nichts mehr. In meinem Beruf habe ich nie wieder eine Anstellung gefunden. Von meiem Nebenjob ganz zu schweigen, obwohl es xxl-Models gibt, aber dafür bin ich entschieden zu dick.

    Dadurch habe ich mich mit mit einer Second-Hand-Kinderboutique selbständig gemacht. Leider werde ich die aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen.

    Im Ladengeschäft hatte ich noch nie Probleme wegen meinem Aussehen. Was die Kunden sagen, wenn sie den Laden verlassen haben - daß kann ich nicht beurteilen.

    In meiner Familie bin ich die nunmal die einzigste Dicke. Da bleiben Kommentare wie "bist doch immer noch sooo dick", "kann da der Arzt nichts machen" oder "ich hätt mich schon erschossen" nicht aus.

    Mein Mann kann sich auch überhaupt nicht daran gewöhnen, daß ich mich verdreifacht habe. Wir gehen nicht mehr aus, schon gar nicht zu Arbeitsessen in seiner Firma. Er schämt sich für mich und daß merke ich jeden Tag und daß er sich ekelt auch.

    Einen Freundeskreis habe ich nicht. Meine schlanken Freundinnen haben sich abgewandt und mit meinen Freundinnen, die ebenfalls dick sind, komme ich nicht zurecht.

    Eigentlich habe ich nur eine Freundin, die mich so nimmt wie ich bin und ich sie. Sie hat Bulimie und urteilt nicht nach dem Äußeren.

    Bekleidung kaufe ich nur im Internet. Ich hatt mal ganz unschönes Erlebnis in einem Geschäft für Übergrößen. Seit der Zeit probiere ich Sachen lieber zu Hause an.

    Was ich so beobachtet habe ist, daß ein ehemaliger Arbeitskollege (ein Mann wie ein Bär) nie so dumm angemacht wurde.

  • Meine Erfahrungen dazu:
    Mein Mann kann sich auch überhaupt nicht daran gewöhnen, daß ich mich verdreifacht habe. Wir gehen nicht mehr aus, schon gar nicht zu Arbeitsessen in seiner Firma. Er schämt sich für mich und daß merke ich jeden Tag und daß er sich ekelt auch.


    Das tut mir sehr leid für dich enibaS, das muss sehr belastend für dich sein. :( Hast du ihn schon mal auf sein Verhalten dir gegenüber angesprochen?


    Also ich hab jetzt mal die letzten Jahre Revue passieren lassen und kann mich nicht wirklich an Situationen erinnern, in denen in ich wegen meinem Gewicht dumm angeredet worden wäre. Wenn man von diversen Erlebnissen mit Ärzten mal absieht. :rolleyes:


    Im Job hab ich überhaupt keine Probleme und auch im Freundeskreis werde ich so akzeptiert, wie ich nun mal bin.


    Meiner Mutter, die früher gerne schon mal einen Spruch a la "Willst du nicht mal ein bißchen abnehmen?" gebracht hat, habe ich in einem ausführlichen Gespräch erklärt, dass das für mich nicht so einfach ist, schon wegen meiner Krankheit und dem Cortison und dass ihre Sprüche mich verletzen. Seitdem sagt sie dazu nichts mehr. Ich glaube, sie kann meine Situation jetzt besser verstehen.


    Und auf der Straße oder beim Einkaufen hat mich noch nie jemand blöd angemacht.


    Als Teenie war das anders, da hab ich schon öfter fiese Bemerkungen kassiert, aber mit zunehmendem Alter wurde es immer weniger.


    Ich empfinde es schon so, dass dicke Männer es in der Öffentlichkeit leichter haben als dicke Frauen. Das liegt vielleicht daran, dass Männer nicht so sehr über ihr Aussehen definiert werden, sondern mehr über ihren Status oder ihre Leistungen.

  • Mit dem Wort Diskriminierung gehe ich sparsam um - mit der Falafelgeschichte spielst Du hierauf => *KLICK* an, oder?


    Das wäre für mein Empfinden noch keine Diskriminierung, sondern einfach ein dummer Scherz. Ob ich im wahren Leben so irre selbstbewußt wirke wage ich zu bezweifeln, von daher kann der Eindruck hier schon täuschen.


    Ob und wieviele dumme Sprüche man so abbekommt hängt glaube ich auch einfach davon ab wo und wann man unterwegs ist.


    Jemand der sich immer im gleichen Umfeld bewegt, womöglich meist mit Begleitung wird weniger davon spüren als jemand der viel alleine unterwegs ist.


    Mein Ex-Freund, groß und dick... von der Ausstrahlung her ist er jemand den eigentlich fast jeder auf den ersten Blick mag oder sympathisch findet. Die Größe sollte eigentlich auch dazu beitragen weniger mit dummen Gerede belästigt zu werden. Dazu hat er erst im Erwachsenenalter stark an Gewicht zugelegt (auch das spielt eine Rolle denke ich) und hatte nie mit Mobbing oder ähnlichem zu tun.


    Kurz: ein selbstbewußter Mensch mit guter Ausstrahlung. Und selbst er hat immer mal wieder richtig dumme und primitive Erlebnisse gehabt, z.B. jemand, der in der U-Bahn auf ihn zukam und unvermittelt fragte wann er seinen Sch... zuletzt habe sehen können. :eek:


    Wenn man viel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist und das vielleicht noch zu einer Zeit wo die Leute schon angetrunken sind (in Köln also ab ca. 8 Uhr morgens ;)) passiert sowas m.E. einfach.



    Genauso hat aber auch eine schlanke, bildhübsche Freundin davon erzählt dass sie böse angestarrt wird, oder dumme Bemerkungen zu hören bekommt. Inwiefern das also wirklich ein dickenspezifisches Problem ist weiß ich nicht.


    In der Familie war das für mich schlimmste Erlebnis, dass meine Mutter unterwegs von Nachbarn angehalten wurde und man ihr ins Gewissen redete wie sie es zulassen könne, dass ich so dick bin. Da müsse doch etwas "getan" werden. :eek: :confused:


    Immerhin bin ich zarte 40 Jahre alt, wenn man schon sowas dummes sagen muss, dann könnten sie es mir wenigstens ins Gesicht sagen. Wenn ich bei ihr zu Besuch bin, bin ich täglich 2-3 Mal mit ihren Hunden unterwegs - Gelegenheit hätte es genug gegeben. Ich bin ja nicht schwer geistig behindert und damit nicht für mich selbst verantwortlich. :mad:


    Das finde ich dann schon diskriminierend.


    Im Job habe ich bislang noch keine offene Diskriminierung erlebt - nur so Dinge die man nicht so richtig nachweisen kann und davon auch eher wenig. Das ist für mich eigentlich so das einfachste Umfeld.

  • Übrigens habe ich die übelsten Erlebnisse in der Zeit gehabt in der nicht dick war. Klingt paradox, ist aber so.


    Als ich nach einer Crash Diät relativ plötzlich nicht mehr zu den Dicken zählte, merkte ich wie hinter dem Rücken geredet wird - und das ist nicht schön.


    Ich weiß noch, dass jemand über einen dicken Dozenten sagte, die fette Sau solle mal aufhören zu fressen :eek: - also vollkommen ohne Anlaß, er hatte sich nicht über ihn geärgert oder so ... einfach so im Gespräch: " Die fette Sau da drüben könnte auch mal aufhören zu fressen. " :eek:
    Ich stand daneben und dachte ich höre nicht recht, aber solche Sprüche waren wohl normal. Zumindest sagte keiner der Leute die dabei standen etwas dazu oder zuckte auch nur mit der Wimper. :eek:
    Bisher war ich nur durch meine Figur davor verschont gewesen.


    Für mich, die ich von Kind auf an immer dicker als die anderen war, war das schon ein Schock.


    Eine dicke Kommilitonin war damals mit einem ziemlich gutaussehnden (schlanken) Mann zusammen und erst nach meiner Abnahme merkte ich, dass die Leute darüber spekulierten ob das überhaupt eine "richtige" Beziehung sein. (Weiß der Teufel was sie damit meinten :confused:) Auch das hatte man vorher nicht in meiner Anwesenheit angesprochen.


    Ausserdem wurde ich in Gespräche darüber verwickelt, dass sie doch eigentlich auch abnehmen müsse und ob ich sie nicht beraten wolle :rolleyes: (na klar :mad:).


    Ein dicker Körper kann also auch Schutz vor solchem Gerede bieten. So verrückt das klingt.

  • Zitat von Fräulein Wunder

    Mit dem Wort Diskriminierung gehe ich sparsam um - mit der Falafelgeschichte spielst Du hierauf => *KLICK* an, oder?


    Das wäre für mein Empfinden noch keine Diskriminierung, sondern einfach ein dummer Scherz. Ob ich im wahren Leben so irre selbstbewußt wirke wage ich zu bezweifeln, von daher kann der Eindruck hier schon täuschen.



    Ja, genau die Geschichte hatte ich gemeint, ich hoffe, das ist ok, dass ich es erwähnt habe.
    Ich für meinen Teil fand halt diese Schilderung schon in negativer Weise beeindruckend und fände es durchaus diskriminierend, wäre es mir passiert.
    Ich meine, du machst mir zumindest hier nicht den Eindruck, als wüsstest du dich nicht zur Wehr zu setzen, selbstverständlich kann ich nicht wissen, wie du im täglichen Leben rüberkommst.


    Zitat von Fräulein Wunder

    Kurz: ein selbstbewußter Mensch mit guter Ausstrahlung. Und selbst er hat immer mal wieder richtig dumme und primitive Erlebnisse gehabt, z.B. jemand, der in der U-Bahn auf ihn zukam und unvermittelt fragte wann er seinen Sch... zuletzt habe sehen können. :eek:


    Wenn man viel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist und das vielleicht noch zu einer Zeit wo die Leute schon angetrunken sind (in Köln also ab ca. 8 Uhr morgens ;)) passiert sowas m.E. einfach.


    Also zu Studienzeiten in Bielefeld war ich noch etwas umtriebiger als heute und zu allen möglichen Tag- und Nachtzeiten auch allein unterwegs und von blöden Anmachen in der U-Bahn kann ich z.B. nichts berichten, es wundert mich eigentlich selbst.
    Ach doch, einmal: Ich und eine ebenfalls dicke Bekannte wollten ins Kino und mussten durch eine behelfsmäßige Unterführung, die auch der Weg zum letzten Gleis der Bahn war. Es war eng und einige wollten zum Zug. Direkt hinter mir hörte ich jemanden sagen: "Diese dicke Scheiße hier vor mir schon wieder."
    Gut, man könnte es wohlmeinend auch anders interpretieren, aber da derjenige direkt hinter uns drängelte...... nunja.
    Jedenfalls war meine Reaktion nicht sehr freundlich und derjenige wirkte durchaus betroffen.


    Mein Verlobter (ebenfalls groß und moderat dick) wird allerdings mit der gleichen Dummdreistigkeit auf seine Größe angesprochen, allerdings nie auf sein Gewicht (was auch nicht sooo auffällig ist).



    Ich wollte mit dem Thread auch einmal ganz unterschiedliche Eindrücke sammeln um mir ein Bild zu machen, was tatsächlich vorfällt und wie die Umstände dabei sind.



    Zitat von Fräulein Wunder

    Genauso hat aber auch eine schlanke, bildhübsche Freundin davon erzählt dass sie böse angestarrt wird, oder dumme Bemerkungen zu hören bekommt. Inwiefern das also wirklich ein dickenspezifisches Problem ist weiß ich nicht.


    Das glaube ich auch keinefalls und das ist auch nicht meine Prämisse. Mir ging es eher um eine Bestandsaufnahme, was konkret dicken Menschen wirklich an Diskriminierung begegnet, damit will ich aber keinesfalls in Abrede stellen, dass es anderen nicht so ergeht.
    Ob und un in wiefern sich da Quantität und Qualität unterscheiden wäre ja nochmal ein Riesenthema.


    Zitat von Fräulein Wunder

    In der Familie war das für mich schlimmste Erlebnis, dass meine Mutter unterwegs von Nachbarn angehalten wurde und man ihr ins Gewissen redete wie sie es zulassen könne, dass ich so dick bin. Da müsse doch etwas "getan" werden. :eek: :confused:


    Ja, ich erinnere mich und deine Empörung konnte ich da auch gut verstehen, da mir schonmal etwas ähnliches passiert ist, auch wieder so ein Fall von "gut gemeint".


    Zitat von Fräulein Wunder

    Im Job habe ich bislang noch keine offene Diskriminierung erlebt - nur so Dinge die man nicht so richtig nachweisen kann und davon auch eher wenig. Das ist für mich eigentlich so das einfachste Umfeld.


    Es scheint mir nach allen Berichten bisher auch das Feld zu sein, wo das in offener Weise am wenigsten passiert, auch ich kann mich an keinen Fall in meinem Leben erinnern, dafür aber wieder ein paar, die in die sexistische Schiene gegangen sind.



    Zitat von Fräulein Wunder

    Ich weiß noch, dass jemand über einen dicken Dozenten sagte, die fette Sau solle mal aufhören zu fressen :eek: - also vollkommen ohne Anlaß, er hatte sich nicht über ihn geärgert oder so ... einfach so im Gespräch: " Die fette Sau da drüben könnte auch mal aufhören zu fressen. " :eek:


    Naja, pure Profilierung auf Kosten anderer, oder?
    Finde ich aber schon recht niveaulos und umsympathisch.


    Zitat von Fräulein Wunder

    Eine dicke Kommilitonin war damals mit einem ziemlich gutaussehnden (schlanken) Mann zusammen und erst nach meiner Abnahme merkte ich, dass die Leute darüber spekulierten ob das überhaupt eine "richtige" Beziehung sein. (Weiß der Teufel was sie damit meinten :confused:) Auch das hatte man vorher nicht in meiner Anwesenheit angesprochen.


    Naja, das war dann wohl Neid;)


    Und ganz im Grunde sind solche Lästereine ja auch recht menschlich, ich kann mich von sowas auch nicht freisprechen.
    Ich lästere manchmal über Tussis und ich werde nie eine studentische Party vergessen mit lauter Frauen in Jeans, Sneakers und T-Shirt und es kam eine blondierte Dame in Leoprint rein. Blicke, tuscheln und ablästern...hinterher habe ich mich dann für mein Verhalten auch geschämt, man hat ihr auch angemerkt, dass sie die Stimmung bemerkt hatte. War wirklich nicht schön von uns.


    Es ist eben die Frage, wann sowas über ein normales Maß hinaus geht und zu einem diskriminierenden System wird, was gesamtgesellschaftliche Ausmaße annimmt.

  • Zitat von HamsterD

    Sie wissen, dass ich weiß, dass sie sich freuen, wenn cih abnehme. Sie wissen aber auch, dass das für mich nicht "einfach so" machbar ist. Insofern wird mir mittlerweile schon mehr Respekt entgegen gebracht als zu dem Zeitpunkt, an dem ich noch schlank war.


    Also hat der Einsatz für deine Bedürfnisse dir da letzendlich etwas Positives gebracht.
    Danke fürs Teilen.


    Zitat von HamsterD

    Was so öffentliche Situationen angeht, gucken manche Leute einfach... wenn ich es merke schau ich halt interessiert zurück, bis sie weggucken. Meist interessiert mich sowas allerdings zu wenig, als dass ich es bewußt wahrnehme.


    Gucken beachte ich auch eher wenig, in Blicke kann man eben auch eine ganze Menge reininterpretieren.
    Man weiß ja nie so wirklich, warum man nun gerade von einer bestimmten Person intensiver betrachtet wird.



    Zitat von HamsterD

    Die Jungs haben einen Spruch zurückbekommen, der Ärztin habe ich, soweit es die Höflichkeit meinerseits zuließ, die Sitrn geboten, Und bei der Kollegin hab ich zurückgeschossen und ordentlich kontra gegeben, da sie sich nicht gerade zurückgehalten hat.


    Du gibst also eher ein direktes (negatives) Feedback, bzw. reagierst statt zu ignorieren.
    Ich habe auch festgestellt, dass es mir in den meisten Situationen besser geht, wenn ich mich damit aktiv auseinandersetze.

  • Zitat von enibaS

    In meiner Familie bin ich die nunmal die einzigste Dicke. Da bleiben Kommentare wie "bist doch immer noch sooo dick", "kann da der Arzt nichts machen" oder "ich hätt mich schon erschossen" nicht aus.


    Naja, ich finde, solche Kommentare sollten schon ausbleiben, egal ob du nun die einzige Betroffene bist. Finde ich unter aller Kanone, so ein unsensibles Verhalten.


    Zitat von enibaS

    Einen Freundeskreis habe ich nicht. Meine schlanken Freundinnen haben sich abgewandt und mit meinen Freundinnen, die ebenfalls dick sind, komme ich nicht zurecht.

    Eigentlich habe ich nur eine Freundin, die mich so nimmt wie ich bin und ich sie. Sie hat Bulimie und urteilt nicht nach dem Äußeren.


    Schade, dass das bei dir gerade so ist. Sie haben sich abgewendet, weil sie mit deinem Dicksein nicht klarkommen oder hat das noch andere Gründe gehabt?

  • Ich habe da (leider) auch schon die eine oder andere Erfahrung gemacht. Bei einigen davon musste ich (anfangs) schlucken, andere gingen mir an meinem Hinterteil vorbei.


    Das Ganze fängt an mit Blicken ... Blicken, die man in der Öffentlichkeit zugeworfen bekommt. Blicke die förmlich sagen: "Schau dir die mal an. Die ist aber Fett." ... Am Anfang hatte ich damit zu kämpfen, weil mich jeder schräge Blick innerlich verletzt hat. Teilweise war mein Selbstbewusstsein so weit unten, dass ich eine bestimmte Zeit lang die Öffentlichkeit gemieden habe. Ich wollte nicht mehr in die Stadt, nicht mehr ins Kino ... wollte einfach nur noch für mich sein.


    Mittlerweile ist das anders. Die Blicke fremder Menschen in der Öffentlichkeit interessieren mich nicht mehr so wie damals. Sie engen mich nicht mehr ein, machen mich nicht mehr traurig - machen mir keine Angst mehr. Das einzige, was diese Blicke bei mir anrichten, ist Wut. Die Wut auf den meisten Teil der Gesellschaft. Die Wut darauf, dass man nicht so sein darf wie man ist - dass man nicht so leben darf, wie man will und, dass man nicht so aussehen darf, wie man nunmal aussieht. Und für die meisten Menschen ist es leider so, dass ein übergewichtiger Mensch nicht richtig ist, sondern falsch.



    Nun komme ich zu meinem 2. Punkt. Dieser hat mit ausgesprochenen Beleidigungen in der Öffentlichkeit zu tun. Beleidigungen außerhalb der Schule waren eher selten. Ich kann mich nur an ein paar Male erinnern, an denen ich z.B. in der Stadt (von anderen Jugendlichen) beleidigt wurde. Häufiger kam es hingegen in der Schule vor. Sowohl vereinzelt in meiner Klasse, als auch in anderen Klassen. Wobei ich damals nicht extrem übergewichtig war. Hier und da musste ich mir dumme Sprüche anhören.
    "Dass der Stuhl bei dir nicht zusammenkracht ist ein Wunder", oder "Überrollst du deine Freundinnen wenn ihr Streit habt?" oder "Fetti" ... sowas durfte ich mir anhören. Es hat mich sehr verletzt, und vor allem, weil das alles vor meinen Freunden gemacht wurde. Gewehrt habe ich mich auch nicht, da ich so gut wie gar kein Selbstbewusstsein hatte. Im Gegenteil sogar ... ich hab mich immer mehr zurückgezogen, hatte Angst in die Schule zu gehen. Aber das ist zum Glück Vergangenheit.


    Zur Zeit mache ich Abitur. Die ganzen Beleidigungen, die ich mir während der Schulzeit anhören durfte, haben mich hart gemacht. Und ich bin viel, viel Selbstbewusster geworden. Mit der Zeit haben die Beleidigungen abgenommen. Und wenn trotzdem jemand meint, er müsse mir einen Spruch reindrücken ... dann mache ich meinen Mund auf. Bei manchen bringt es was ... bei manchen aber nicht, aber das ist mir dann auch egal.



    Der 3. und auch letzte Punkt den ich jetzt anspreche, spricht Beleidigungen usw. in der Familie an. Ich weiß nicht, ob das auch bei anderen so ist ... vereinzelt habe ich aber schon gelesen, dass ich mit meiner Situation nicht alleine bin. Also: Beleidigungen in der Familie sind bei mir ein großes Thema. Bzw. nur bei meiner jüngeren Schwester (15 Jahre) und bei meinem Vater.
    Ich weiß nicht wieso ... aber beide haben kein Problem damit, mich zu beschimpfen. "Fette Sau", "Fetter Sack", "Guck mal wie Fett du bist", "Du Tonne", "Guck mal wie hässlich du bist" ... sowas darf ich mir ungelogen täglich anhören. Ich weiß nicht, wieso man so zu mir ist. Vor allem, wieso diese beiden Menschen so zu mir sind. Ich habe niemandem was getan. Ich bin einfach nur dick. Aber ist das denn so schlimm? Anfangs hat mich das sehr verletzt, und ich habe versucht mich und mein Gewicht zu verteidigen ... aber mittlerweile sage ich zu solchen Sprüchen nichts mehr.


    Was noch dazu kommt, sind die "Sorgen" meiner Großeltern ... ich liebe meine Großeltern, und würde nie ein schlechtes Wort an sie kommen lassen, aber manchmal weiß ich einfach nicht was ich denken soll. Immer dieses ständige "Kind, du bist so dick, irgendwann wirst du Zuckerkrank und stirbst" - Ja, ich weiß, ich bin dick. Aber mir das jeden Tag zu sagen, bringt nichts. Ich kann mich nicht innerhalb von ein paar Tagen halbieren, das geht nicht. Oder diese ständigen Vergleiche mit meiner Schwester, die sehr schlank ist.
    Wenn ich z.B. mit meiner Oma in einem Geschäft bin, und dort nach Klamotten gucke ... dann fängt sie meistens einen Smalltalk mit der Verkäuferin an. Und immer wieder ist es das Gleiche: "Meine 2. Enkelin ist das komplette Gegenteil von der hier. Die ist richtig schlank - wie ein Model." usw. Und das ist eigentlich das, was mich am Meisten stört. Nirgendwo kann man so sein wie man ist. Nein, von irgendwo kommt immer irgendjemand, der einem das sozusagen "verbietet".

  • Ja das sind immer diese Menschen, die nur in Schwarz oder Weiß können. :( Und wenn sie in ihrem Inneren an Ängste und Grenzen stoßen kehren sie das mit aller Vehemenz nach aussen.


    Dr. House dein Post hat mich sehr berührt, vor allem was die Angst und Wut angeht, was den Punkt angeht, den hab ich noch nicht so richtig überwunden auch wenn ich eigentlich kaum bis gar keine negativen Erlebnisse habe. Ich hab mich aber auch aus andren Gründen schon immer fremd gefühlt.

  • Diskriminierung habe ich schon sehr häufig erlebt. Im Job passierte es meist immer hinterm Rücken, da sagte dann Kollegin x zu Kollegin y "wie findest du das denn, dass Frau ....sooooo fett ist?". Und vorne rum lächeln die einen dann an. Ein Handwerker sollte bei uns mal einen Regalboden im Geschäft wieder gerade biegen; sah mich und meinte "aaah, stell du dich da mal eben oben drauf, dann gehts viel schneller"...:mad:


    auf der Kirmes bin ich mal mit 2 anderen dicken Freundinnen hingegangen, da kam einer auf uns zu und meinte zu seinem Kumpel "ey schau mal, jetzt gibts die schon im Rudel...." und der Rest der größeren Gruppe lachte sich schlapp.


    Meine damalige Kollegin war auch dick, und manche Kundinnen fragten uns "ihr zwei seid doch bestimmt miteinander verwandt...!!!." und solche Dinge.


    Stadt oder Fußgängerzone ist für mich ein einziger Spießroutenlauf, daher meide ich das komplett. Ich wohne auch ländlich und ruhig, und bei uns ist es daher auch im Wald recht überschaubar, eher wenig Leute. Wenn man welche trifft, sind die aber immer recht locker und entspannt.


    Diese Abneigung, teils schon angewiderte Blicke bekomme ich meist nur in bestimmten Gegenden, die nah bei der Stadt liegen, zu spüren. Da haben die Leute einfach eine andere Mentalität, was mir auch im Job extrem aufgefallen ist. Stadt/Großstadt ist einfach anders wie ländlich gelegene Kleinstadt oder das obligatorische Dorf.


    Ich denke schon, dass dicke Männer anders gesehen werden als dicke Frauen; das soll aber nicht heissen, dass dicke Männer nicht genauso unter Diskriminierung leiden können oder das sie nicht genauso mies behandelt werden oder dumme Sprüche abbekommen.


    Aber dicke Männer werden anders gesehen. Frauen müssen doch seit jeder schön und gepflegt sein, sie sind vom Körperbau her schon anders gebaut als Männer; ein Mann kann ruhig kräftiger und schwerer sein als eine Frau, aber umgekehrt?


    Ich sehe da immer Rainer Calmund vor mir; der wird sehr geschätzt, hat so ein Charisma, so eine nette Art, die man gerne mag. Sicher wird da auch gelästert; aber wenn sie an seine Stelle in einer Talkshow eine ebenso dicke Frau setzen würde, wären doch sehr viel mehr Leute entsetzt, würden solche Frauen als undiszipliniert, fett, faul, gefräßig, dumm und sonstwas bezeichen- bei Rainer Clamund meinte jemand mal lapidar "ich verstehe gar nicht, warum seine Frau nicht anders für ihn kocht und ihn nicht bremst......"


    am schlimmsten ist es bei meinen Verwandten. Meine Tante und Onkel können Dicke überhaupt nicht ausstehen, für sie sind das alles gefräßige Leute, die kein Maß kennen und nicht wissen was wirklicher Hunger ist (so wie im Krieg), blabla...


    das geht dann schonmal so weit, dass auch fremde Dicke mal eben belehrt werden, zb im Restaurant oder auf dem Spaziergang. Da kommen dann dumme Sprüche, die laut genug sind, dass sie die Person auch ja versteht. Mir ist das dann immer furchtbar peinlich und meist tausche ich dann Blicke mit der Person aus. Da sie ja sieht, dass ich selber dick bin, versteht sie dann meist auch und ICH tue denen dann leid wegen meiner Verwandtschaft.


    Mein Cousin hat jahrelang über mich gelacht und gelästert, und mir zu verstehen gegeben, dass er dicke Leute nicht ausstehen kann. Das er sich vor soviel "Völlerei" abgrundtief ekeln würde. Heute ist er selber fett, und zwar so richtig. Er machte sich beruflich selbstständig, scheiterte und fing an maßlos zu essen.....


    Nun ist seine Tochter ebenfalls recht pummelig und kämpft da seit langem gegen an, damit es nicht noch mehr wird. Seitdem denkt er ganz anders und ist sehr unglücklich, da sich nun seine andere, sehr schlanke Tochter für IHN schämt, und nicht mehr mit ihm ins Schwimmbad gehen will. Nun spürt er es selber.


    Mich kann er deshalb allerdings nicht besser ertragen, er sagte mir mal "wenn ich dich sehe, sehe ich mein Spiegelbild, mein eigenes Versagen"


    mein Vater liebte mich zwar, nur schämte er sich auch für mich. Vorher unternahmen wir öfter mal was zusammen, und als ich dann dicker wurde, wollte er das dann plötzlich nicht mehr. Da sind auch einige Dinge vorgefallen, die mir sehr zusetzten.


    Bei der eigenen Verwandschaft tut das alles natürlich noch viel mehr weh, weil die einen ja von klein auf kennen und wissen, wie man als Mensch ist. Die sind oftmals schlimmer als irgendein Fremder aus dem Supermarkt, der mir bspw ein freundliches Lächeln schenkt oder die Tür aufhält, OBWOHL ich dick bin. Das ist doch echt krank, dass die eigenen Verwandten so drauf sind.


    Oder auch irgendwelche Fremden. Der Autoverkäufer, dem das Gesicht entgleitet, weil ICH durch die Tür komme. Oder auch die Polizisten, die nach dem Tod meines Vaters in seiner Wohnung auf mich warteten- als sie mich dann SAHEN, waren sie völlig entsetzt....


    Menschen sind ganz oft gemein und dumm. Ob es mit den Jahren besser wird? Kann schon sein. Es wird wohl dann besser, wenn man sich keine Gedanken mehr macht, was andere denken. Und das bekomme ich auch erst mit den Jahren langsam besser hin.


    Allerdings trifft es mich dennoch, wenn dann plötzlich so unerwartete Ereignisse passieren. zb eine Frau, die mitten auf der Straße stehenbleibt, mich angewidert und ungläubig von oben bis unten mustert und einfach nur gafft. Da fühle ich mich dann natürlich auch sehr unwohl, weil ich mich niemals so dermaßen dreist verhalten würde und vor allem gar nicht mit sowas rechne.


    Als ich vor längerer Zeit mal versucht habe, wieder mit dem Rad zu fahren, blieb so ein junger Schnösel doch glatt stehen und schaute sich dieses "Schauspiel" an. Was hatte er erwartet? Das ich keinen Meter vorwärts komme?? Schlimm.


    Vor längerer Zeit habe ich es mal mit einem Trick versucht. Ich brauche eine Brille und ohne sehe ich alles nicht sooo deutlich. Zwar deutlich genug, um mich gefahrlos bewegen zu können, aber nicht deutlich genug, um Gesichter und Mimik schon von weitem registrieren zu können.


    Also setzte ich die Brille draußen ab und sah die abwertenden Blicke fortan nicht mehr. Und dadurch konnte ich mich widerum entpannen. Es war mir einfach egal, wie sie aussahen und was sie dachten.:D

  • Ich möchte nicht über 'meine' Diskriminierungen schreiben. Das habe ich ja schon getan und ich finde diese Leidensgeschichten hier schlimm genug.


    Ist es nicht vielleicht so, dass die Beleidigungen dann am schlimmsten sind, wenn man selbst so gern 'dazu gehören' möchte, also z.B. in der Schule, als Teenie, in der Familie, oder im Berufsleben? Da kann man dann auch garnicht so richtig 'mit gleicher Münze zurück geben', weil man ja eigentlich in die Gruppe integriert werden und diese daher nicht brüskieren möchte? Da tut so etwas ganz besonders weh, finde ich.


    Eine Beleidigung auf der Strasse ist schlimm. Aber den Menschen sieht man ja nicht wieder, oder nicht jeden Tag. Ich glaube, dass man diese leichter wegstecken kann, als solche aus dem täglichen Umfeld. Auch kann ich da eher energisch reagieren.


    Wie ist es denn z.B. in den Staaten? Ich war noch nie dort und habe noch nie mit den Dicken dort gesprochen. Da gibt es doch viel mehr Dicke als in Europa, oder täusche ich mich da? Wird da nicht eher tolerant mit denen umgegangen, die nicht in das gängige Raster passen?


    Ich glaube, auch dicke Männer werden beleidigt und diskriminiert, aber längst nicht so, wie Frauen. Da denkt man dann an Helmut Kohl, Franz-Josef Strauss, an die hier schon angeführten, bekannten Dicken, an Dirk Bach und Dieter Pfaff und sieht eher die Leistung, die sie erbracht haben und bringt ihnen daher Respekt entgegen. Was heute noch dazu kommt, ist das Bild vom dicken Hacker, der nur vor seinem Computer hängt und sich von Fastfood ernährt. Bei Frauen gibt es so etwas nicht. Die sind einfach 'dick, dumm, faul und gefrässig.


  • Schade, dass das bei dir gerade so ist. Sie haben sich abgewendet, weil sie mit deinem Dicksein nicht klarkommen oder hat das noch andere Gründe gehabt?



    Sie sind mit meinem Dicksein nicht klar gekommen. Wir waren früher eine mehr als unternehmenlustige Truppe. Haben sehr viel miteinander unternommen. Vor allem haben wir gern Extremsport gemacht. Irgendwann konnte ich da nicht mehr mithalten. Einerseits wegen dem Gewicht und andererseits wegen verschiedener "Gebrechen". Langsam, ganz schleichend haben sie sich abgewandt. Am Anfang wurde ich noch gefragt, ob ich denn nicht wenigstens mit möchte, später mit steigendem Gewicht, blieb auch das aus.
    Ab da hab ich mich aber auch zurückgezogen. Ich wollte ihnen nicht den Spaß verderben.

  • Zitat von Dr. House

    Teilweise war mein Selbstbewusstsein so weit unten, dass ich eine bestimmte Zeit lang die Öffentlichkeit gemieden habe. Ich wollte nicht mehr in die Stadt, nicht mehr ins Kino ... wollte einfach nur noch für mich sein.


    An solche Phasen kann ich mich auch erinnern, bzw. merke ich in der Retrospektive, dass diese immer dann mal wieder aufgetreten sind, wenn ich ohnehin unter starkem Druck stand.



    Zitat von Dr. House

    Mittlerweile ist das anders. Die Blicke fremder Menschen in der Öffentlichkeit interessieren mich nicht mehr so wie damals. Sie engen mich nicht mehr ein, machen mich nicht mehr traurig - machen mir keine Angst mehr. Das einzige, was diese Blicke bei mir anrichten, ist Wut. Die Wut auf den meisten Teil der Gesellschaft. Die Wut darauf, dass man nicht so sein darf wie man ist - dass man nicht so leben darf, wie man will und, dass man nicht so aussehen darf, wie man nunmal aussieht. Und für die meisten Menschen ist es leider so, dass ein übergewichtiger Mensch nicht richtig ist, sondern falsch.


    Dafür meinen Respekt, ich kann von mir nicht behaupten, völlig von dieser Angst vor Fremdbewertung befreit zu sein. Ich habe für eine solche Errungenschaft auch viel viel länger gebraucht. Zugang zur Wut in solchen Situationen musste ich erst mühsam erlernen. Allerdings empfinde ich in guten Phasen auch eher so etwas wie eine gewisse Distanz und Gelassenheit dazu und es fällt mir dann auch kaum noch negativ auf.


    Bezüglich deiner schulischen Erlebnisse kann ich mich in vielem wiederfinden, wenn auch meine Mobbing-Phase im Nachhinein betrachtet recht kurz war, so hat sie mich recht nachhaltig beeinflusst und ich habe auch heute noch Angst davor, wieder in eine solche Situation zu geraten, deswegen habe ich mir ein großes Vermeidungsspektrum zugelegt, was mir eher zum Nachteil geraten ist.
    Aber da haben auch noch einige andere Faktoren dazu beigetragen, letztendlich, dass kann ich heute mit Abstand sagen auch meine eigene Persönlichkeit und meine Entscheidungen.



    Bezüglich deiner familiären Situation bestürzt mich das Verhalten deiner Familienmitglieder sehr. Ich nehme dann auch nicht an, dass sie dir durch die schwere Zeit in der Schule helfen konnten?
    Gab es überhaupt Menschen, die dich auf deinem Weg zum Selbstbewusstsein bestärkt haben, oder hast du das meiste aus eigener Kraft bewerkstelligt?



    Zitat von Dr. House

    Wenn ich z.B. mit meiner Oma in einem Geschäft bin, und dort nach Klamotten gucke ... dann fängt sie meistens einen Smalltalk mit der Verkäuferin an. Und immer wieder ist es das Gleiche: "Meine 2. Enkelin ist das komplette Gegenteil von der hier. Die ist richtig schlank - wie ein Model." usw. Und das ist eigentlich das, was mich am Meisten stört. Nirgendwo kann man so sein wie man ist. Nein, von irgendwo kommt immer irgendjemand, der einem das sozusagen "verbietet".


    Mein Oma war von meiner Zunahme damals auch "not amused" und es hat sich bis zu ihrem Tod auch nichts daran geändert.
    Ich muss aber auch sagen, dass mir ihr Werturteil nie soviel bedeutet hat, weil wir uns zeitlebens irgendwo fremd geblieben sind und ich mit ihrer Art auch nie soviel anfangen konnte.
    Ich bin mir aber sicher, dass sie mich auf ihre Art geliebt hat.


    Weißt du, ich glaube, ein gewisser Anpassungsdruck ist fast immer da. Den merke ich auch in meinem vertrauten Umfeld, da geht es auch gar nicht um Gewicht sondern eher um Wertvorstellungen. So richtig frei von der Leber rede ich auch nur mit ganz wenigen Leuten.


    Irgendwo in Acht nehmen und eine gewisse Fassade waren tue ich in vielen Situationen, ich glaube, das geht auch gar nicht anders.
    Selbstverständlich gibt es aber auch immer wieder Anlässe, wo ich mich frei entfalten kann.
    Im Freundeskreis geht das bei mir am ehesten, weil da viele ähnlich ticken.
    Und in der Öffentlichkeit versuche ich mir meine Freiheiten in einem gewissen Rahmen dann auch einfach zu nehmen, ich finde, ich habe das Recht dazu, und das verteidige ich auch.

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