Leben im Überfluß

  • Wie steht ihr dazu:
    kann man der heutigen Gesellschaft eine Mitschuld an Eßstörungen geben?

    Sicherlich ist letztendlich jeder für sich selbst verantwortlich.
    Bekommt man gesagt "spring' von der nächsten Brücke", macht man dies schließlich auch nicht.

    Magersucht wird durch schwerwiegende Probleme und Ängste ausgelöst, aber es geht wohl hauptsächlich darum, die absolute Kontrolle über seinen Körper zu erlangen.
    Kann es nicht sein, das es für die Betroffenen auch ein besonderer Erfolg/Anreiz ist, dem reichhaltigen Nahrungsmittelangebot zu widerstehen?

    Ebenso Bulemie. Man möchte alles essen, gibt dem Verlangen nach, und hat den Drang es wieder "loszuwerden"!

    Sind das alles nicht Begleiterscheinungen der heutigen Zeit?
    Zwei Komponenten, die nicht zusammenpassen: der Überfluß und das "schlanke" Schönheitsideal....?

  • Magersucht kommt da vor, wo es den Menschen "gut" geht. In dem Sinne gibt es da schon einen Zusammenhang.


    Ich glaube auch, dass es ein Reiz ist für Erkrankte, den Hunger unter Kontrolle zu haben. Ich kenne Menschen die oftmals die Kontrolle über ihr Leben verloren haben und dann nach etwas suchen, auf was nur sie Einfluß haben (z.B. Gewicht).

  • Essen ist für mich eine Ersatzbefriedigung. In allen Lebenslagen, ob glücklich, traurig, ganz schlimm im Stress.

    Ein Arzt sagte mal zu mir, dass ich mir einen Schutzpanzer gegen die Menschen angefressen habe.

    Fresssucht ist genauso wie Magersucht oder Bulemie, rauchen oder Alkohol, jedenfalls für mich, eine Sucht. Da ich der Gesellschaft mit ihrem Schönheitsideal nicht angehöre, befriedige ich mich mit dem Essen, meiner Sucht.

    Schuld der Gesellschaft??? Schwierig....

  • für mich steht fest, dass der sogenannte Überfluss oder diese ganzjährige Verfügbarkeit das Gefühl für den Wert eines Lebensmittel abtötet.


    Ich selbst leide nicht unter einer sogenannten Essstörung. Ich hatte ein Lebenlang einen gesunden Appetit und das was ich gegessen habe und das mir schmeckte, das wollte ich auch behalten.
    Allerdings stelle ich fest, dass mir oftmals der Appetit oder die Vorfreude auf bestimmte Speisen inzwischen abhanden gekommen sind.
    z.B. die neuen Kartoffeln und der Spargel im Frühjahr bekomme ich ganzjährig. Die Weintrauben und die Erdbeeren sind immer verfügbar. Wir essen auch nicht mehr nach dem überlieferten Jahreszeitenrythmus und irgendwie wird alles zu einem Geschmacksbrei.


    Zitat von Kellie

    kann man der heutigen Gesellschaft eine Mitschuld an Eßstörungen geben?


    was verstehst Du unter "Gesellschaft"? Die Gesellschaft sind doch wir selbst.

  • nuja, das mit dem Verlangen und dem Angebot ist so eine Sache für sich. Beides bedingt sich mehr oder weniger gegenseitig. Wenn du ein Anbieter bist, versuchst du, möglichst viele von deinen Produkten zu überzeugen, damit du Geld verdienst. Da der Markt zum Beispiel hier in Deutschland aber "gesättigt" ist, sprich: die Marktsegmente sind eigentlich schon verteilt, versucht man sich gegenseitig Marktanteile abzujagen und gleichzeitig, "neue Märkte" zu erschließen. Da es aber eigentlich nichts gibt, was noch nicht auf dem Markt wäre, wird versucht, den Kunden davon zu überzeugen, dass leicht abgewandelte Produkte besser sind. Wenn man mal was Neues vorweisen kann, was eigentlich keiner wirklich braucht, versucht man, die Kunden davon zu überzeugen, dass sie trotzdem davon einen Nutzen haben. Ich als Anbieter "weiß" also, dass der Kunde etwas braucht, obwohl er noch gar nichts davon weiß - weil ich irgendwie Geld verdienen muss/will.
    Dadurch bauen sich immer weitergreifende Dienstleistungen auf, immer mehr Produkte werden angeboten, zu immer weitreichenderen Konditionen und zunehmend auch das ganze Jahr über. Also gibt es auch im Winter Erdbeeren, wird der Maler auch bei Temperaturen gegen Null draußen arbeiten, und hat der Supermarkt sein Stammsortiment ständig vorrätig.
    Mittlerweile gibt es auch eine bestimmte Erwartungshalten, was das angeht. Wer nicht mithalten kann oder will, muss entweder gute Gründe dafür haben (zum Beispiel hebt er sich in irgendeiner Weise von den anderen ab), oder die Kunden wandern schnell zum nächsten, der da mitmachen kann/will.


    Wenn man also eigentlich bei einem Anbieter kauft, aber der nun eine Stunde eher den Laden schließt - gehe ich um die Uhrzeit halt zum anderen, der gleichwertiges anbietet, wenngleich ich da nicht Stammkunde bin. Aber vielleicht werde ich deshalb dann Stammkunde beim Anderen. Das funktioniert genauso auch mit "billliger/günstiger". Oder auch mit einem das ganze Jahr vorrätige Sortiment an Früchten.
    Die Anbieter werden es so lange machen, wie sie genug Nachfrage generieren können.


    Durch die ständige Verfügbarkeit geht da auch die Achtung vor der Sache ein wenig verloren. Das Essen ist an sich essentiell, aber durch die Verfügbarkeit austauschbar und billig geworden. Dass nun sorglos damit umgegangen wird, halte ich für einen vorauszusehenden Effekt. Auf der anderen Seite wird die Kontrolle betont, weil es Überfluss, Überreizung ist, ein Zuviel. Man läßt zu, aber nur in wohldosierten Portionen, man greift nicht wahllos zu, man entzieht sich dem, was Lebensnotwendig ist, um sich zu formen, um sich abzuheben, was auch immer.


    Da nun das Essen allgemein zu einer Beliebigkeit erklärt wird, die man jederzeit kontrollieren können soll, wird auch Druck ausgeübt. DIe, die nicht kontrollireen können, werden abgeurteilt, negativ angesehen. Dass da manch einer ein gestörtes Verhalten dem Essen gegenüber entwickelt, ist wohl nachzuvollziehen, dennoch sind die Gründe für Essstörungen eher vielfältig und individuell. Es gibt ein paar Konstanten, die das gestörte Selbstbild umfassen, allerdings passen nicht alle heilende Rezepte auf jeden und immer.


    Insofern kann "die Gesellschaft" als solches nicht schuld haben. Es ergeben sich für den Einzelnen eher individuelle Umstände, die in die Eßstörung führen. Da die Gesellschaft aus vielen einzelnen besteht, trägt sie letzten Endes aber wohl dazu bei, weil ja auch die Individuen Teil der Gesellschaft sind, die zu den Umständen beitragen, die jemand in die Eßstörung führen. Vielschichtig und komplex, das Ganze, sag ich mal.


    Gruß
    Dani

    Dress for the body you have RIGHT now. There is nothing wrong with you right now, and there is sure as heck no reason to wait to look good. Get up, get dressed and face the world and then do it again tomorrow. (Malia Anderson)

  • Du führst das sehr gut aus:
    alles ist ganzjährig verfügbar!



    Das heisst doch nicht das ich es dann auch kaufen muss.
    Mal ganz davon abgesehen schmecken die meissten Sachen ausserhalb der Saison auch gar nicht und ich habe auch kein Verlangen danach. (zb. Spargel im Winter)

  • Es geht ja um das Nahrungsmittelangebot im Allgemeinen.

    Ich gebe euch mal ein Beispiel, nämlich mich :D!

    Mein Mann arbeitet im Schichtdienst, wenn er nach Hause kommt, hat er Hunger (verständlich nach 8 Std. körperlicher Arbeit).
    Ich liege um diese Zeit allerdings längst im Bett.
    Irgendwann hat es sich so eingebürgert, das er einfach etwas zu essen mitbringt. Schließlich gibt es ja "alles", egal zu welcher Zeit.
    Weiß nicht, wer von euch z.B. "Ditsch" kennnt? Ich liebe diese Pizza-Teilchen (merkt ihr was:LIEBE)....
    Jedenfalls habe ich da auch noch nachts um halb eins mitgegessen!
    Zwei Salami,ein Thunfisch, und wenn's beispielsweise Burger gab: 5 Cheeseburger (die sind ja so klein) und einen Vanilleshake- immer her damit!
    Ich war total müde und hab's trotzdem gegessen!
    Als meine Hosen endgültig nicht mehr paßten, habe ich die Notbremse gezogen!

    Ich finde es einfach schon schwierig genug, sich in der heutigen Zeit richtig zu ernähren. Dann kommt noch dazu, das du ja anhand von Statistiken und Tabellen vorgelegt bekommst, wieviel du überhaupt wiegen DARFST!
    5 Kilo zuviel sind da ja schon der Supergau.

  • Ich vermute einfach mal, dass es Ess-Störungen schon immer gab, nur dass es damals nicht als das erkannt und benannt wurde. Sicherlich gab es diese Fülle an Lebensmitteln früher nicht und sicherlich gab es Ess-Störungen auch nicht in dem Ausmaß wie heute, aber für neu halte ich das trotzdem nicht.
    Ich denke, es liegt an jedem selbst, wie er mit dem Überangebot von Nahrung umgeht. Ob er sich Erdbeeren im Dezember kauft oder Lebkuchen im August.
    Genauso liegt es an einem selbst, ob man den Fernseher ein- oder ausschaltet oder ob man stundenlang vor dem PC hockt.

    Liebe Grüße von Meryem und dem Tiger-Trio
    ---------------------------------------------------------------------
    Ich bin nicht dick, ich habe nur mehr erotische Nutzfläche!


  • Ich finde es einfach schon schwierig genug, sich in der heutigen Zeit richtig zu ernähren.


    das halte ich jetzt doch für eine äußerst merkwürdige Behauptung.


    Wir haben doch keinen Mangel an Lebensmittel und wenn Du aus "Liebe" nächtens eine "Fressorgie" hinlegst dann kann man doch nicht die Gesellschaft dafür verantwortlich machen.
    Wenn das Überangebot von LM zu einer gewissen Sattheit und Appetitlosigkeit führt, so ist es von mir absolut individuell gemeint. Für die Auswahl und das Zubereiten der Ernährung bin ich als Erwachsener Mensch immer noch selbst zuständig.

    Zitat

    ann kommt noch dazu, das du ja anhand von Statistiken und Tabellen vorgelegt bekommst, wieviel du überhaupt wiegen DARFST!
    5 Kilo zuviel sind da ja schon der Supergau.


    für mich nicht.
    Zudem studiere ich keine Listen und Tabellen sondern Kochrezepte und wenn ich meine angeborene Trägheit überwunden habe, dann geh ich einkaufen und stell mich an den Herd und koche.
    Die Gesellschaft ist mir dabei vollkommen egal - Hauptsache meinen Leuten und mir schmeckt es dann.


  • Jedenfalls habe ich da auch noch nachts um halb eins mitgegessen!
    Zwei Salami,ein Thunfisch, und wenn's beispielsweise Burger gab: 5 Cheeseburger (die sind ja so klein) und einen Vanilleshake- immer her damit!



    Wäre das denn anders gewesen, wenn du zum Beispiel für ihn Gulasch vorgekocht hättest? Dann wäre das Essen ja auch verfügbar gewesen.
    Abgesehen davon: 5 Burger verputze ich noch nicht mal zu "wachen" Zeiten, geschweige denn mitten in der Nacht. Da würde mein Magen schon gar nicht mitmachen :eek:

    Liebe Grüße von Meryem und dem Tiger-Trio
    ---------------------------------------------------------------------
    Ich bin nicht dick, ich habe nur mehr erotische Nutzfläche!

  • Na wenn dein Magen das nicht mitmacht, kannst du ja nur schlank sein, oder woher kommen dann deine überflüssigen Pfunde?
    Mein Kinderarzt sagte damals schon zu meiner Mutter: "ihre Kleine ist einfach eine gute Futterverwerterin".
    Natürlich bin ich auch so schlau, und koche vor!
    Meine Geschichte war einfach ein Beispiel dafür, wie verführerisch und einfach es ist, das Falsche zu tun!
    Und wie ich auch schon erwähnt habe: natürlich ist jeder für sich selbst verantwortlich!
    Ich persönlich habe mir eine Grenze gesetzt (die ich auch noch nie überschritten habe)-mehr als 115kg möchte ich nicht wiegen.
    Einfach, weil ich mich schon mit jedem Kilo darüber nicht mehr richtig wohlfühle!
    Aber auch das muß jeder für sich selbst entscheiden!

  • Na wenn dein Magen das nicht mitmacht, kannst du ja nur schlank sein, oder woher kommen dann deine überflüssigen Pfunde?



    Hm, ich weiß grad nicht, worauf du hinausmöchtest.... Man wird doch nicht nur dick dadurch, dass man nachts isst. Was ich im Übrigen wirklich NIE getan habe. Ich kenne das nicht, nachts nochmal aufzustehen und den Kühlschrank leer zu räubern.

    Es ging mir auch weniger um das Gewicht (manche essen durchaus nachts 5 Burger und nehmen davon zu), sondern dass du mitten in der Nacht aus Gesellschaft mit deinem Mann isst und dafür anscheinend die Gesellschaft verantwortlich machst. Wer auch immer "die Gesellschaft" ist.

    Liebe Grüße von Meryem und dem Tiger-Trio
    ---------------------------------------------------------------------
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  • Lies dir die Texte bitte richtig durch.
    Die Gesellschaft sind wir.... habe ich doch schon geschrieben, oder? :confused:
    Ich verstehe die Angst nicht, als Übergewichtiger nicht dazu zugehören, bzw. aus der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden.
    Auf solch' eine Idee würde ich nie kommen!

  • Lies dir die Texte bitte richtig durch.
    Die Gesellschaft sind wir.... habe ich doch schon geschrieben, oder? :confused:
    Ich verstehe die Angst nicht, als Übergewichtiger nicht dazu zugehören, bzw. aus der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden.
    Auf solch' eine Idee würde ich nie kommen!

    Ich glaube (korrigiere mich ruhig, Gloriaviktoria), darum geht es gar nicht. Nur "die Gesellschaft" klingt immer so abstrakt. Wie "die da in der Regierung", "das Fernsehen" etc. Dabei stimmt das eben so nicht, "die Gesellschaft" ist keine übergeordnete Autorität, sondern eine Ansammlung vieler verschiedener Meinungen, Strömungen, Individuen.

    Na wenn dein Magen das nicht mitmacht, kannst du ja nur schlank sein, oder woher kommen dann deine überflüssigen Pfunde?
    Mein Kinderarzt sagte damals schon zu meiner Mutter: "ihre Kleine ist einfach eine gute Futterverwerterin".

    Bemerkst du nicht den Widerspruch? Mein Magen würde bei solchen Mengen auch streiken, trotzdem bin ich dick.

  • Na wenn dein Magen das nicht mitmacht, kannst du ja nur schlank sein, oder woher kommen dann deine überflüssigen Pfunde?
    Mein Kinderarzt sagte damals schon zu meiner Mutter: "ihre Kleine ist einfach eine gute Futterverwerterin".


    Zum einen sagst du damit aus, dass du Essen gut verwerten kannst, zum anderen sagst du auch aus, dass man mit wenig essen nicht zunehmen kann. Das widerspricht sich doch. Entweder kann man gut Essen verwerten und nimmt dadurch auch mit vergleichsweise wenig Essen zu, oder nicht.
    Ganz davon ab, dass es sich so anhört, wie wenn du annimmst, dass man in erster Linie durch zu viel Essen zunimmt, bzw. dies das Naheliegendste ist...


    Gruß
    Dani

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  • Dann hat ein Übergewichtiger also keinen größeren Magen, als ein schlanker Mensch?

    Mit dem "guten Futterverwerter" war wohl eher gemeint, das ich nicht so schnell satt war wie andere Kinder, da ich gerne noch 'ne Extraportion genommen habe :D

    "....das verwächst sich noch...."

  • Dann hat ein Übergewichtiger also keinen größeren Magen, als ein schlanker Mensch?

    Mit dem "guten Futterverwerter" war wohl eher gemeint, das ich nicht so schnell satt war wie andere Kinder, da ich gerne noch 'ne Extraportion genommen habe :D

    "....das verwächst sich noch...."


    nuja, dann ist das wohl eine komische Definition von "guter Futterverwerter"... Dass man bei diesem Begriff jemanden meint, der auch mit wenig Essen ("Futter") gut zurechtkommt, sprich, es gut verwertet, ergibt sich aus dem Begriff heraus ;)
    Und nein, der Magen ist nicht größer. Der hat ein variables Fassungsvermögen unabhängig vom Gewicht der Person.

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