Zivilcourage...

  • …….was versteht Ihr darunter?

    Ist das, ungebetenes Einmischen in fremder Angelegenheiten?

    Überall seinen Senf dazu geben?

    Ungebetene Hilfestellung und ungebetene Parteinahme?



    Warum ich Euch das frage und zur Diskussion stelle, ergibt sich aus einem Erlebnis, das auch schon wieder mehr als ein halbes Jahr her ist und an das ich besonders jetzt öfters zurückdenken muss.

    Ich möchte auch so gerne Nordic walken, die Stöcke dafür habe ich mir schon besorgt. Jetzt fehlt nur noch der berühmte Tritt in den Allerwertesten, damit ich endlich loslege.

    Letztes Jahr, es war so Ende des Sommers, habe ich beim Nachhausefahren in meiner Wohngegend öfters ein dickes Mädchen beobachten können, das unermüdlich gegen Abend allein seine Runden walkte. Dabei dachte ich mir immer, warum mach ich das nicht auch, ständig bin ich am jammern, warum habe ich einfach nicht die Energie dafür.

    Zugegeben, sie war ein Hingucker mit ihrem pinkfarbenen Jogginganzug und pinkf. Stirnband, dazu ein hochrotes Gesicht, verschwitzte strähnige lange schwarze Haare. Aber wie würde ich aussehen? Dazu mein Keuchen ach herrje. Aber sie hat was getan und ist unbeirrt ihre Runden gelaufen, für mich war sie meine Heldin.

    Eines Abends, ich musste noch kurz was im nahe gelegenen Einkaufzentrum einkaufen, parkte ich neben einem BMW, daneben standen drei Herren, zwei davon etwas jünger der dritte in etwa meinem Alter. Alle Drei der Typ gehobenes Management, gestylt und gut trainiert und sicher obligatorischem Tennisarm. Da kam auch schon, von weitem gut sichtbar, meine Heldin daher gewalkt.

    Und genau da überkam mich so eine Art Panik, denn die Drei gucken intensiv, sehr intensiv in Richtung des Mädchens, sagten aber noch Nichts. Da ging ich die paar Schritten zu dem Trio und sagte „ Meine Herren, jetzt ein blöder Kommentar von Ihnen über das Mädchen und ich verspreche Ihnen, dass Sie diesen Tag nicht so schnell vergessen. Sie warten jetzt bis sie vorüber ist und dann können sie ablästern bis in alle Ewigkeit“ Ja, dann war sie auch schon vorbeigerauscht und außer Hörweite und da sagte der Ältere zu mir „ Gnädige Frau, vergessen Sie bitte nicht, auch wir haben eine gewisse Erziehung genossen“.

    Punkt aus und jetzt? …. ich blöde Gans. Was sollte das eigentlich, warum mache ich so was? Und vor allem warum mach ich so was immer wieder?

    Würde sich Gustav Heinemann, der ja den Begriff „Zivilcourage“ geprägt hat, im Grabe herum drehen und sich für mich schämen?

    Was meint Ihr?



    toni

  • Hi,


    Ganz ehrlich...
    Was hast Du erwartet?
    Du hast aufgrund von völlig subjektiven Eindrücken fremde Leute angemacht.


    Nichts gegen Deinen Einsatzwillen, aber nichts geht mir so sehr auf den Senkel wie Leute, die wie eine Spinne im Netz sitzen, nur auf eine Gelegenheit lauernd, bei der sie ihr Engagement unter Beweis stellen können.


    Zivilcourage hat man oder man hat sie nicht. Zu beweisen gibt es da nichts.


    Bei Szenen wie z.B. dieser könnte ich die Krise kriegen:
    In einem fast leeren Bus hat ein Kind unheimlichen Spaß dran, hinter dem Busfahrer auf dem Einzelplatz zu sitzen. Eine ältere Dame mit Krücken steigt ein. Da schreit die Mutter von hinten. "... mach sofort Platz, die Dame will da sitzen." Sohnemann tut's natürlich. Die alte Dame sagt "Danke" und die Mutter tönt "Wir wissen ja, was sich gehört" Also quält sich die arme Frau über die hohe Stufe in die viel zu enge Lücke hinein.
    Dabei bin ich mir absolut sicher, daß sich aufgrund ihrer Gehbehinderung niemals diesen Platz gewählt hätte, selbst wenn er frei gewesen wäre. Der 4er-Platz hätte viel mehr Beinfreiheit geboten. Und hätte die Frau selbst ein wenig mehr Zivilcourage besessen, dann hätt sie dem Kind gesagt "Bleib ruhig sitzen", aber sie wollte nicht "unhöflich" sein .



    Michaela

  • Hhmmmhh, da bist Du wohl ganz schön vorgeprescht was? Ich würde so spontan mal meinen, daß Du etwas über das Ziel hinaus geschossen bist :o .
    Ich kann mir die Situation gut vorstellen und sicherlich hast Du den Herren nur den Wind aus den Segeln nehmen wollen, aber man kann nie wissen wie der Gegenüber wirklich reagiert hätte.
    Ich habe das Gefühl, daß Du Dich mit Deiner Reaktion irgendwie selbst nicht glücklich fühlst und durchaus auch bereit bist Kritik zuzulassen. Deine Aktion war zwar gut gemeint, aber eben doch ein wenig voreilig.

    Zivilcourage wäre es in diesem Fall aus meiner Sicht gewesen, wenn Du gegen bereits geäußerte Vorurteile vorgegangen wärst. Ist vielleicht nur ein kleiner Unterschied aber doch ein feiner :) .

    Zivilcourage ist für mich etwas mit einem hohen Anspruchswert. Auf kleinere Begebenheiten zu reagieren zähle ich mehr zu den alltäglichen Reibereien bzw. zum "Position beziehen".
    Zivilcourage bringe ich damit in Verbindung, daß sich jemand für mich einsetzt in brenzligen Situationen (drohender Überfall etc.) ohne auf persönliche Konsequenzen zu achten. Mutig irgendwo dazwischen zu gehen. Unbequeme Wege für andere Menschen zu gehen ohne dabei an den eigenen Vorteil zu denken. Zivilcourage ist etwas vor dem ich ungeheuren Respekt habe wenn ich zum Beispiel irgendwo davon lese. Im Zuge dessen frage ich mich dann immer: Hättest Du auch so gehandelt? Meist fällt mein Urteil für mich wenig charmant aus.
    Ich habe zwar manchmal eine große Klappe und springe für andere auch verbal in die Bresche, aber letztlich hätte ich wahrscheinlich in brenzligen Situationen Angst selbst was auf die Nase zu bekommen :o . Aber wie man in kritischen Situationen wirklich handelt kann man letztlich schlecht voraussehen.

    Liebe Grüße
    Yanced :)

  • Sorry, aber für mich hat das beides nichts mit Zivilcourge zu tun.

    Wenn jemand sich auffällig kleidet oder bewegt, dann schaut man eben hin, oft auch unbewußt. Wenn es ein durchtrainierter Jogger in Neonfarben gewesen wäre, dann hätten die drei vermutlich ebenfalls hingeschaut. Deswegen muß man nicht gleich unterstellen, daß sie sich etwas dabei denken. Und wenn, dann muß es ja nicht gleich etwas Schlechtes sein. Selbst dann gibt es glücklicherweise noch genug Leute, die sich zu benehmen wissen. Vielleicht hätte man warten sollen, ob die tatsächlich lästern, und dann darauf reagieren.

    Und die Mutter im Bus hat doch eigentlich richtig gehandelt. Es kann doch wirklich nicht schaden, einem Kind beizubringen, einer älteren Dame den Platz anzubieten. Das geschieht heutzutage doch selten genug.
    Außerdem sind in unseren Bussen die Plätze an den Türen eh mit einem Kreuz gekennzeichnet. Und gerade ältere Leute fühlen sich in Bus oder Bahn oft unsicher und wollen auch an der Tür bleiben. Denn auf dem Weg zu den mittleren Plätzen könnte der Bus schon losfahren, und an der Ausstiegshaltestelle haben sie Panik, daß sie nicht schnell genug rauskommen. Da sind die Plätze vorne beim Fahrer besonders beliebt, weil der dann ja mitbekommt, wenn sie wieder raus wollen, und ggf. auch helfen kann.
    Wie kommst Du also darauf, daß das ausgerechnet bei der Dame anders sein sollte?

  • hallo Yanced,


    nein Lob erwarte ich für diese Heldentat bestimmt nicht. Meine Reaktion war auch viel zu spontan um irgend einen besonderen Mut zu entwickeln.Ich hab mich bis auf die Kochen blamiert.Trotzdem .... ich wollte, dass dieses Mädchen unbehelligt weiterläuft.


    Mich interessiert eben wie die anderen Forumsteilnehmer mit diesem Begriff "Zivilcourage" umgehen und wie sie dazu stehen.:)

    LG
    toni

  • Zitat von mollycrossy

    Und die Mutter im Bus hat doch eigentlich richtig gehandelt. Es kann doch wirklich nicht schaden, einem Kind beizubringen, einer älteren Dame den Platz anzubieten.


    IMHO hat sie ihrem Kind nur beigebracht, daß es 1. springen muß, wenn Sie es will und 2. daß die Bedürfnisse des anderen nicht zählen.


    Denn Zivilcourage bedeutet für mich, sich für den anderen einzusetzen, wenn er selbst die Situation nicht mehr unter Kontrolle hat.
    Wenn eine gehbehinderte Person in einen Bus einsteigt, und ihren Blick bereits fest auf den hinteren Teil des Busses gerichtet hat und den "Behindertensitz" nicht einmal annähernd sehnsüchtig beäugt, so ist das für mich ein eindeutiges Zeichen.


    Und glaube mir - ich hatte schon so oft ein Zipperlein mit meinen Gelenken, daß ich sagen kann, daß die "freigegebenen" Sitze mitnichten den Bedürfnissen einer Person entgegenkommt, die a) Krücken unterbringen muß b) den Fuß nicht über die Stufe kriegt und c) die Knie nicht weit genug anwinkeln kann, um sich in die Lücke zu quetschen.


    Selbst die Buslinien scheinen dies erkannt zu haben und "nötigen" solchen Personen inzwischen nicht mehr einen Platz auf. In einigen Bussen hier in der Gegend fehlt das Zeichen ganz, bei manchen ist es in der Mitte bei den Notsitzen (die zu "ebener Erde" sind und bei weiteren ist es an einem der 4er-Plätze.



    Aber zurück zum Thema:
    Wenn man meint, von schräg hinten könnte ein blöder Spruch kommen, der einen selbst nicht betrifft, dann wäre ein kleiner Test durchaus akzeptabel :)
    Am besten sagt man das, was einem selbst durch den Kopf geht.
    "Ach, ich wünschte ich könnte mich auch mal überwinden, regelmäßig was für mich zu tun."
    Wenn dann eine blöde Bemerkung kommt, hat man jedes Recht der Welt, den Sprücheklopfer zur Minna zu machen :D


    Michaela

  • Hi Toni,

    so blöd wie es klingt, aber ich fand die Geschichte irgendwie trotzdem lustig. Ich kann mir richtig vorstellen, wie es mir an Deiner Stelle gegangen wäre. Ich wäre auf ein 100stel meines Selbst geschrumpft, feuerrot angelaufen und hätt das Stammeln angefangen. Was für ein Fettnapf :)

    Aber hier im Forum hat mal jemand geschrieben, dass das Gegenteil von gut gut gemeint ist.

    Zivilcourage ist für mich persönlich ein sehr dehnbarer Begriff. Ich selbst würde nie zusehen, wenn einer Person vor den Augen anderer Unrecht geschieht oder diese verletzt wird. Dafür hab ich eine viel zu große Klappe und meine sowieso, mich immer überall einmischen zu müssen.

    Es ist schon laaaange her, aber ich kam damals aus meiner Ausbildungskanzlei, stehe am Ostbahnhof und warte auf die 19er Tram. Und wie die da so einfährt - nicht grad langsam - läuft ein älterer Herr an mir vorbei und steigt auf die Gleise. Bevor ich wusste, was ich tat, packte ich ihn mit meiner linken Hand an der Schulter und zog ihn zurück. Grad dass sein zweiter Fuß auch wieder auf dem Gehsteig war, fuhr die Tram laut klingelnd ein.

    Ich stieg ein und fuhr heim. Der alte Mann hatte sich bedankt. Er war wohl in Gedanken. Eine Frau kam in der Tram zu mir und sagte: "Sie haben diesen Mann grad davor bewahrt, einen schlimmen Unfall zu haben. Wenn sie ihm nicht sogar das Leben gerettet haben."

    Sie sagte noch mehr, aber so richtig habe ich das nicht mehr im Kopf. Es war eine absolute Kurzschlussreaktion ohne groß zu denken. Ich hätte mich nie als Held gefühlt geschweige denn fühle ich mich jetzt so, aber dieses Erlebnis bleibt mir ewig im Kopf.

    Zivilcourage bedeutet für mich, jemandem zu helfen ohne groß darüber nachzudenken, welche Konsequenzen das für einen selbst haben könnte. Und für mich äußert sich das in vielen Bereichen. Ich denke jedoch, dass die Menschen viel mehr Zivilcourage beweisen sollten. Auch wenn es nur ein Penner ist, der auf der Straße stürzt. Breche ich mir denn einen ab, wenn ich kurz frage, ob ich diesem Mann helfen kann?

    In unserem Haus wohnt eine alte Frau. Sie ist quasi unser guter Hausgeist. Alle wissen, dass sie wenig Geld hat, nur wenig Rente bekommt. Mittlerweile ist es so, dass immer mal wieder jemand Essen für sie kocht und ihr vor die Tür stellt. Wir tragen ihr oft den Wäscheständer rein. Zu Weihnachten schenkt ihr mittlerweile fast die halbe Nachbarschaft Dinge, die sie braucht. Wenn ein Sanka vor unser Haus fährt, geh ich immer erstmal kucken, ob der evtl. für sie ist.

    Ich glaube, der Grund, warum in der heutigen Zeit soviele Leute sich nicht für ihre Mitmenschen interessieren ist der, dass die Anonymität immer mehr wächst. "Geht mich nichts an" "Betrifft mich nicht" "Könnte mir unbequem werden" usw.

    Leider ist diese Einstellung weit verbreitet und das in jeder Hinsicht.

    Hilfsbereitschaft, Zivilcourage, soziales Verhalten, Respekt untereinander usw. Das sind Dinge, die immer weniger werden. Ob man das wieder in eine andere Richtung lenken kann?

    Ach ich glaub ich schreib zuviel.
    Muss erstmal noch etwas Gedanken ordnen...

    Liebe Grüße
    Grit

  • Zitat von toni


    …….was versteht Ihr darunter?
    Ist das, ungebetenes Einmischen in fremder Angelegenheiten?
    Überall seinen Senf dazu geben?
    Ungebetene Hilfestellung und ungebetene Parteinahme?


    für mich bedeutet zivilcourage, den mut aufzubringen, die eigene meinung auch gegen widerstände zu vertreten. es braucht zum beispiel zivilcourage, in einer runde rechter eine linke meinung zu vertreten :)

    die oben geschilderte situation ist meiner meinung nach keine, bei der es viel zivilcourage brauchte ...

  • Zitat von Na_Ich

    Hilfsbereitschaft, Zivilcourage, soziales Verhalten, Respekt untereinander usw. Das sind Dinge, die immer weniger werden. Ob man das wieder in eine andere Richtung lenken kann?

    @ Na_Ich, das ist eine Frage die ich mir ebenfalls schon desöfteren gestellt habe.
    Ein Grund ist da meines Erachtens, daß in der Erziehung unserer Kinder schon gravierende Fehler gemacht wurden bzw. immernoch gemacht werden. Viele Kinder wachsen nur noch so nebenbei auf, Zeit ist Mangelware, da bleibt das vermitteln von Werten etwas auf der Strecke.
    Ich wage mal zu behaupten, daß die wenigsten Kinder heute noch Geschichten vorgelesen bekommen. Kinderbücher mit Lerneffekt oder aber auch die Kinderbibel (soetwas gibt es sicherlich auch bei anderen Religionen) eignen sich doch prima um Kindern Denkanstöße zu geben.
    Wenn wir selber die wahren Werte zu schätzen wissen, geben wir dieses Wissen wahrscheinlich doch auch automatisch an unsere Kinder weiter.

    Ich hoffe Ihr habt jetzt nicht von mir hier den Eindruck des "notorischen Weltverbesserers" bekommen. Mein Posting soll nur ein Denkanstoß sein....

    Viele Grüße
    Yanced :)

  • Zitat von Yanced

    Viele Kinder wachsen nur noch so nebenbei auf, Zeit ist Mangelware, da bleibt das vermitteln von Werten etwas auf der Strecke.


    Vor Jahren stand mal ein "Umfrager" des Roten Kreuzes (oder irgendeiner ähnlichen Organisation) bei mir vor der Tür.
    Die Idee der Umfrage war, wie sich die Situation von Kindern verbessern ließe.
    Man sollte dort bewerten, wie hoch man den Einfluß von verschiedenen "Institutionen" auf die Kinder einschätzt. Und ob ihr es glaubt oder nciht: der Punkt "Eltern" kam dort nicht mal vor.
    Auf meine Rückfrage, bekam ich die Antwort: "Ja, aber woher sollen Eltern denn dieselbe Kompetenz wie diese Einrichtungen haben."


    Da ist mir doch fast der Kitt aus der Brille gefallen.


    Michaela

  • Zitat von Na_Ich


    Zivilcourage ist für mich persönlich ein sehr dehnbarer Begriff. Ich selbst würde nie zusehen, wenn einer Person vor den Augen anderer Unrecht geschieht oder diese verletzt wird. Dafür hab ich eine viel zu große Klappe und meine sowieso, mich immer überall einmischen zu müssen.

    Dem kann ich mich nur anschließen. Allerdings habe ich eine Einschränkung anzumerken: Ich weiß nicht, inwiefern manche Sachen "verdient" sind, aber ich würde (und habe bisher auch immer) mich einmischen, sobald Gewalt angewendet wird oder jmd. auf irgendeine Art und Weise bedroht wird.

    Zitat



    Zivilcourage bedeutet für mich, jemandem zu helfen ohne groß darüber nachzudenken, welche Konsequenzen das für einen selbst haben könnte. Und für mich äußert sich das in vielen Bereichen. Ich denke jedoch, dass die Menschen viel mehr Zivilcourage beweisen sollten. Auch wenn es nur ein Penner ist, der auf der Straße stürzt. Breche ich mir denn einen ab, wenn ich kurz frage, ob ich diesem Mann helfen kann?


    Dem schließe ich mich voll und ganz an.

    Zitat


    Hilfsbereitschaft, Zivilcourage, soziales Verhalten, Respekt untereinander usw. Das sind Dinge, die immer weniger werden. Ob man das wieder in eine andere Richtung lenken kann?

    Ich denke, dass das zu den Werten und Normen gehört und diese werden -traurigerweise- kaum noch vermittelt.
    Ich bin der Meinung, dass Eltern wieder mehr in die Verantwortung gezogen werden sollten. Ich habe selbst keine Kinder - und da kann man sowas ja einfach behaupten, ohne zu wissen, dass es vllt. nicht möglich ist?!:rolleyes: - dennoch würde ich behaupten, dass die "qualitative" Zeit, die ELtern mit ihren Kindern verbringen, extrem abgenommen hat. Kinder sollten "qualitative", d.h. nicht unbedingt extrem viel Zeit, sondern eine gute Zeit mit ihren Kindern verbringen, in der sie sich aktiv mit dem Kind beschäftigen und es an ihrem Leben genauso teilhaben, wie sie auch an dem des Kindes teilhaben. Duch pure Interaktion lernt man Werte und Normen - und auch Zivilcourage.

    Ich wurde sowohl von meiner Mutter, als auch von meinen Großeltern und natürlich auch von meinem christlichen Kindergarten sozialisiert. Ich habe sehr schnell gelernt, was "sich gehört" und was nicht. Ich weiß, dass man älteren Mitmenschen mit Respekt begegnen sollte, behinderte oder eingeschränkte Menschen nicht abschätzig behandeln soll und ich weiß auch, wann ich wie zu handeln habe. Das habe ich mitunter am Modell meiner Erzieher gelernt. Dass alle Menschen eine Vorbildfunktion haben, sollte ihnen bewusst gemacht werden und besonders Eltern sollten hier einfach "vorleben".


    So long,
    lg,
    sombra_blanca

  • zivilchourage ist für mich damit schön beschrieben.

    Zitat

    Denn Zivilcourage bedeutet für mich, sich für den anderen einzusetzen, wenn er selbst die Situation nicht mehr unter Kontrolle hat.


    mit dem zusatz, der auch schon kam, daß ich dieses "sich einsetzen" auch schaffe, wenn ich dadurch nachteile für mich selbst zu erwarten habe. im betrieb z.b.

    Zitat

    Trotzdem .... ich wollte, dass dieses Mädchen unbehelligt weiterläuft.


    diese unbehelligtheit für deine heldin, hätte ich mit ablenkung erreicht ;) indem ich die herren mit einem redeschwall zudecke, wie toll und gesund und überhaupt ich nordic walking und vor allem menschen finde, die sowas regelmässig, und trotz der zurufe "hast die schi vergessen?" ausüben...

    so wäre meinem aktionismus genüge getan, das mädel vorbei, die männer vom lästern abgehalten und niemand beleidigt worden :D

  • Zivilcourage hat bei mir eindeutig etwas zu tun mit Angehen gegen zu erwartende (heftige) Widerstände.
    Einen Menschen vor einem Unfall zu bewahren, würde ich nicht als Zivilcourage bezeichnen. Jemandem beizustehen, der massiv misshandelt (Misshandlung eines Kindes, Vergewaltigung, Nötigung, usw., eventuell "nur vermutet"), bedroht oder belästigt wird, von einem Einzelnen oder einer Gruppe, ist für mich Zivilcourage. Mit dem Partei ergreifen nehme ich (nahezu) 100%ig in Kauf, dass ich bald das Ziel der Angriffe bin.

    Ich für meinen Teil weiss "kleine" Situationen in meinem Leben, in denen ich mir gewünscht hätte, mehr Zivilcourage zu haben. Ich bin keine große Heldin...

  • Zitat von Malaga

    Zivilcourage hat bei mir eindeutig etwas zu tun mit Angehen gegen zu erwartende (heftige) Widerstände.
    Einen Menschen vor einem Unfall zu bewahren, würde ich nicht als Zivilcourage bezeichnen. Jemandem beizustehen, der massiv misshandelt (Misshandlung eines Kindes, Vergewaltigung, Nötigung, usw., eventuell "nur vermutet"), bedroht oder belästigt wird, von einem Einzelnen oder einer Gruppe, ist für mich Zivilcourage. Mit dem Partei ergreifen nehme ich (nahezu) 100%ig in Kauf, dass ich bald das Ziel der Angriffe bin.

    Ich für meinen Teil weiss "kleine" Situationen in meinem Leben, in denen ich mir gewünscht hätte, mehr Zivilcourage zu haben. Ich bin keine große Heldin...


    eine Heldin bin ich auch nicht. Möchte ich auch nicht sein, denn das wäre mir zu bombastisch. Auch mag ich kein sogenannter Gutmensch sein, denn ich bin zwischendurch auch ganz gern mal ein bisschen böse und mistig.:D
    Die oben erzählte Geschichte ist für mich ja auch ein Beispiel dafür, dass Heldenhaftigkeit ganz schön ins Auge gehen kann.
    Es ist allerdings auch so, dass man bei Hilfeleistungen bei Unfällen nicht immer mit Lob überschüttet wird oder ein Dankeschön dafür bekommt.
    Ich hatte zusammen mit einem jungen Amerikaner bei einem schwer verletzten Radfahrer ( der Hinterkopf war praktisch gespalten) erste Hilfe geleistet. Ich habe natürlich als erstes die Polizei verständigt und dann dem Amerikaner, der zufällig Rettungssanitärer war, geholfen. Die Strasse war vorher menschenleer, aber innerhalb allerkürzester Zeit waren wir von einer Menschenmasse umringt. Ich musste mit meinem Körper den Verletzen vor Rempelein und Fusstritten abschirmen. Ich musste zwischen den Beinen der Umstehenden durchkriechen, um dessen Habseligkeiten wie Brille etc. aufzusammeln. Die Glotzgesichter dieser Leute vergesse ich mein Leben lang nicht. Und ständig die Frage "Was issn da gschehen" nicht einmal habe ich gehört "Kann man irgendwie helfen".Meine Bitte, dass die Leute etwas zurücktreten, wurde nur mit Agressivität und üblen Kommentaren beantwortet oder eben mit diesem entsetzlichen starren Glotzen. Der Mann ist übrigens noch vor dem Eintreffen des Notarztes gestorben. Der Amerikaner hat sein T.Shirt als Kompresse verwendet und wir beide waren von oben bis unten mit Blut verschmiert. Ich hatte an diesem Tag eine weisse Hose und ein weisses T'Shirt an und war zu Fuss unterwegs und musste so wie ich aussah, blutbesudelt nach Hause laufen.
    Die Polizei hat dann natürlich unsere Personalien aufgenommen und wir haben den Unfallvorgang geschildert, soweit wie wir es beobachtet haben. Nur, dass mich am Schluss der Polizist mit sehr misstrauischen Gesichtsausdruck, gefragt hat "ob ich denn wirklich alle persönlichen Gegenstände des Toten abgeliefert habe" das liebe Leute gab mir den Rest.
    Ich würde immer wieder helfen, aber nie einen Dank dafür erwarten.
    Ich will nicht stumpf und gleichgültig durch mein Leben gehen, dafür mach ich mich ganz gern mal lächerlich und wenns sein muss auch mal schmutzig.

    toni

  • Zitat von toni

    Ich will nicht stumpf und gleichgültig durch mein Leben gehen, dafür mach ich mich ganz gern mal lächerlich und wenns sein muss auch mal schmutzig.


    Wie ich finde, eine Einstellung die es heute leider nur noch selten gibt, und die sich manch einer hinter die Löffel schreiben sollte.


    Gruß :)

    R.v.G.

  • Hallo,

    hab mal gegoogelt...der erste Link der bei der Suche nach "Zivilcourage" gefunden wird, ist ziemlich gut.

    Da steht gleich ein Satz, den ich für sehr treffend zu deiner Frage finde:
    "Sich für andere einsetzen, sich engagieren, jemandem helfen, den man gar nicht kennt und den Mund aufmachen, wenn alle anderen schweigen..."

    Ein Beispiel für mich:
    Ein Kind wird von einem Kampfhund angefallen. Jemand der das sieht, dazwischen geht und dem Kind hilft, der hat für mich Zivilcourage gezeigt.
    Oder jemand wird von einer Gruppe von Leuten in der S-Bahn angepöbelt, angerempelt und einfach nicht in Ruhe gelassen. Hier dazwischen zu gehen und den Leuten Einhalt zu gebieten ist für mich auch Zivilcourage.
    Für mich ist es ein mächtiges Wort, das immer etwas mit einer großen Bedrohung zu tun hat, vor der man jemand beschützen will.

    Aber es fängt schon im Kleinen an, wie weiter auf dieser Website geschrieben wird.
    Kurzer Auszug:
    "Aber Zivilcourage fängt schon viel früher und im Kleinen an, nämlich immer dann, wenn...


    • Du etwas nicht gerecht oder falsch findest


    • Du etwas dagegen tun willst und dies vor anderen (öffentlich) tun musst


    • Du dabei das Gefühl hast, im Nachteil oder unterlegen zu sein


    • Und der Erfolg deines Einsatzes eher unsicher ist und du eher Nachteile als Vorteile zu erwarten hast."

    Das mal von mir. Irgendwie frage ich mich immer, ob ich mich trauen würde in solchen Situation Zivilcourage zu beweisen.

    Grüßle
    Fee

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!