Mein Leben von 0 bis fast 26

  • Hallo,


    ich erzähle hier einfach mal meine Geschichte. Vielleicht interessiert es jemanden...



    Ich bin als Einzelkind in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Meine Eltern lebten schon sehr abgeschottet und hatten wenig Freunde, dafür um so mehr Feinde in der ganzen Nachbarschaft. Ich war gewichtsmäßig ziemlich normal bis ich von der Grundschule aufs Gymnasium gewechselt bin.


    Da fing es dann an. Ich war eigentlich kein schlechter Schüler, aber hatte das Talent schon sehr früh als Mobbing-Opfer ausgewählt zu werden - Freunde hatte ich wie gesagt keine und hätte auch sowieso keine nach Hause bringen dürfen.


    Meine Eltern haben mir auf die Hänseleien nicht geholfen, "ignoriere es einfach", "höre nicht drauf" waren super Hilfen für ein Kind das quasi nur geheult hat wenn es nach Hause gekommen ist.


    Ich habe als Kind auch nie das Gefühl gehabt von meinen Eltern geliebt zu werden, ich fühlte mich als 3. Rad am Wagen. Ich bin halt einfach ein Sensibelchen.


    Und so saß ich meist nach der Schule zu Hause herum (TV, PC) und hab in mich reingefressen - meine Eltern waren mit sich selbst beschäftigt. Auch den Lehrern (alle kurz vor der Rente) gegenüber war ich wohl das Problem für allen Ärger und so haben Sie es geduldet dass ich gehänselt und verdroschen wurde.


    Irgendwann mit 13-14 habe ich mich dann vollständig zurückgezogen nachdem mein Vater in den Vorruhestand ging und von da an den ganzen Tag zuhause war. Ich bin zwar noch zur Schule gegangen aber sonst komplett in meiner "eigenen Welt" gewesen.


    Meine Eltern haben mich höchstens angeschrien oder mir Vorwürfe gemacht oder mich zu Ärzten geschleppt die mich dann jede Woche wiegen wollten etc. Immer war ich das "Problem". Normale Kommunikaton gab es nicht mehr. Nur Vorwürfe von beiden Seiten.



    Irgendwann habe ich es nicht mehr hinbekommen, meine Noten wurden schlechter und schlechter.


    So verbrachte ich die Zeit nur vor meinem PC und alsbald auch online (1996). Ich investierte sehr viel Zeit und programmierte und las extrem viel - wie sonst auch. Ich sauge Informationen und Wissen - auch zu anderen Themen die mich interessieren - geradezu auf. Meine Eltern fanden das auch scheisse und meinten das wär "Teufelszeug".


    In der 10. Klasse bin ich dann schliesslich hängegeblieben - u.a. wegen Latein (5) und Mathe (5) - gleichzeitig hatte ich in Physik und Gemeinschaftskunde einige Arbeiten im Bereich 1-2.


    Ich bin dann im Schuljahr darauf (neue Klasse, nochmal das gleiche...) nicht mehr in die Schule gegangen. Es gab noch häufiger Streit und meine Eltern haben in einem Streit dann irgendwann die Polzei gerufen, die mich in die Psychatrie einweisen sollten.


    Der Arzt meinte dort, es wäre nicht notwendig und da meine Eltern nicht wollten dass ich zurückkäme, hatte ich das Glück in eine betreute Wohngemeinschaft gehen zu können.
    Da waren hauptsächlich Jugendliche die kriminellen Hintergrund hatten oder deren Eltern auch nicht in der Lage waren sich um sie zu kümmern. Aber es war erstaunlich harmonisch und familiär. Hätte das nie gedacht. Ich hatte einige Monate keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern, wenn überhaupt dann eher mit meiner Mutter.

    Ich habe von dort aus dann die 10. Klasse Realschule über eine Externenprüfung abgeschlossen (5 mündliche Einser, eine Lehrering war so beeindruckt das sie auf dem Gang 5 Minuten mit mir plauderte). Ich war an den Prüfungstagen so happy wie lange nicht mehr.


    Einen Tag nach meinem 18. Geburtstag habe ich dann als Programmierer (1. Angestellter) bei eine kleinen Firma angefangen (250km weg von meinem damaligen Heimatort) um knapp ein Jahr darauf (2000) nach München zu einer sehr großen e-Commerce Firma zu gehen.


    Mein Gewicht wuchs allerdings leider weiter.


    ...


    Mittlerweile bin ich trotz meines Gewichts, meinem nicht vorhandenen Abi/Ausbildung/Studium in der Computerbranche u.a. für eine sehr großes Unternemen tätig, habe aber auch ein eigenes, kleines Büro in der erweiterten Münchner Innenstadt - und werde im November 26 Jahre alt.


    Ich bin unglaublich stolz darauf - denn keiner, gerade auch meine Eltern, haben an mich geglaubt.


    Sie tun es bis heute nicht, weswegen ich seit einigen Monaten den Kontakt (erneut) komplett abgebrochen habe weil ich sonst psychisch einfach immer runtergezogen werde.


    Ich musste mir immer Rechtfertigungen anhören wie "woher hätten wir wissen sollen dass Du so gut bist am Compuer", "hat uns ja keiner gesagt", "hätte ja auch sein können, dass es nicht so gut läuft", "freu dich".



    tja...



    Heute wiege sicher 180/190kg bei 177cm - Ich war hier auch schon bei einigen Ärzten (Hausarzt, Sportmediziner...) - keiner hatte eine bzw zwei Waage(n) um mein Gewicht zu ermitteln. Wiegen tue ich mich schon seit Jahren nicht mehr, habe auch keine Wage zuhause. Ich versuche mein Gewichtsproblem mehr oder weniger zur Verdrängen.


    In der Öffentlichkeit bin ich sehr zurückhaltend, reagiere extrem anfällig auf Blicke und verbale Kommentare von Leuten. Mein Selbstbewusstsein ist einfach extrem niedrig. Viele Leute nehmen mich nicht ernst, halten mich für einen Idioten. Natürlich hatte ich auch noch nie eine Freundin...


    Ich habe aber einen Vertrag mit mir selbst: Niemals aufgeben.
    Klar habe ich schwache Momente, vielleicht auch jetzt wo ich diesen Beitrag schreibe. Aber ich weiss, dass ich zumindest eine Sache sehr gut kann, dass ich ein netter, schlauer Kerl bin der beruflich und finanziell gut da steht. Ich habe die letzten 7 Jahre erlebt, die mir gezeigt haben, dass ich einfach "nur" meinen Weg gehen muss.



    Vielleicht bin ich auch nur aus Trotz manchmal arrogant und angeberisch ;)



    Was ich wirklich hasse ist die Einsamkeit. Ich wäre schon froh eine Gruppe zu finden, mit der ich etwas Bewegung (Walking, Krafttraining) machen könnte. Alleine traue ich mich das nicht und bringe nicht genug Motivation auf.


    Und vielleicht finde ich doch einmal eine Freundin? ;'(


    Liebe Grüße,
    Teebaum

  • ... man kann ja nie wissen...

    Ne ernsthaft. Vielleicht klappt es ja mit den Frauen, wenn Du aufhörst zu jammern und Dich auf Deine Stärken konzentrierst.

  • @Teebaum


    Wow mit 18 in der Computerbranche aufgrund selbst erlernter Fähigkeiten:eek: nicht schlecht. Bin da fast schon etwas neidisch, hatte mich damals so mit 16 auch für programmieren interessiert nut leider nicht allzu viel durchhaltevermögen damals:rolleyes: Habs dann damals Gott weis warum auf Eis gelegt, bin aber seit einem Monat wieder fleißig dabei den Compiler ins schwitzen zu bringen :p
    Also da kannste echt stolz sein auf dich, was du da erreicht hast.


    Allgemein finde ich aber die Reaktion deiner Eltern ziemlich heftig, meine Güte... Allein schon wenn ich mir das in meinem Kopf vorstelle, möchte ich am liebsten dazwischen:mad:


    Ansonsten kann ich dir leider nur einen sehr allgemeinen Rat geben:
    Wenn dus nicht alleine schaffst, hol dir Unterstützung.


    LG Pratox

    "D' you breath the name of your saviour in your hour of need,
    n' taste the blame if the flavor should remind you of greed,
    of implication, insinuation and ill will, till' you cannot lie still..."
    - Poets of the Fall - Carnival of Rust

  • Also ich empfand diesen Beitrag nicht als jammern. Nur weil man (auch) die negativen Seiten anspricht – die Vergangenheit, die oft nicht gerade wohltuend und (in mehrer Hinsicht) förderlich war? Es tut oft einfach gut, sich das ganze mal von der Seele zu reden. Und zwar so, wie man es subjektiv erlebt und empfunden hat.



    Hallo teebaum!


    Hast du dich schon mal hier im Forum unter „Dicke Kontakte“ umgesehen? Mich dünkt, dass ich schon ein paar gelesen habe, die aus München bzw. München Umgebung kommen. Da würde sich zumindest ein Trainingspartner finden lassen. Und eine Freundin? Vielleicht auf demselben Wege. ;)


    Und… ich empfinde das „sich stellen“ bzw. das „sich öffnen“ keineswegs als Schwäche. Im Gegenteil: Meines Erachtens ist Verdrängen (auf den ersten Blick) ein recht leichter Weg. Das Problem dabei ist nur, dass man nicht vorwärts kommt. Ganz im Gegenteil: Der Weg vor einem wird dadurch nur noch steiniger...


    Lieben Gruß
    Lilit

  • Hallo Teebaum,

    du kannst unheimlich stolz auf das sein, was du in deinem Leben bis jetzt geschafft hast, was du ganz alleine geschafft hast!!!!

    Versuch dein Gewichtsproblem nicht zu verdrängen, sondern versuch dich so zu akzeptieren und zu mögen wie du bist. Es kann nicht nur schlanke Menschen auf dieser Welt geben, und das ist auch gut so! Und wenn du wirklich man abnehmen möchtest, dann mach es wenn du dich bereit dazu fühlst, und nicht weil irgendwedlche Leute dich blöd anschauen.

    Das mit der Freundin klappt auch irgendwann. Jetzt kommt ein blöder Spruch ich weis, aber jeder Topf findet seinen Deckel! Ich habe meinen Deckel auch noch nicht gefunden.

    Genieße dein Leben!

    Lg Tina

  • Hallo teebaum,


    ich finde großartig was du dir aus eigener Kraft aufgebaut hast und das Motto "niemals aufgeben" verfolgst.


    Wenn du dich durch dein Gewicht eingeschränkt fühlst, denke ich, solltest du z.B. eine angestrebte Gewichtsreduktion mit dem gleichen Motto verfolgen.


    Sieh es nicht als Schwäche an, dass du dir ab und an Gedanken machst. Ich denke nur so besteht die Chance sich weiterzuentwickeln. Verdrängen trägt nicht wirklich dazu bei.


    Liebe Grüße

  • Hallo teebaum,

    Du hast erst mal Dir gegenüber Stärke und Durchhaltevermögen bewiesen und Dir ganz allein unter wirdrigen Umständen Deine Zukunft aufgebaut. Dafür VOLLES LOB!

    Und wenn Du gern mit Deinem Gewicht herunter möchtest, dann bitte nur aus gesundheitlichen Gründen. Auch das wirst Du schaffen, aber nur wenn Du Dich selbst so akzeptierst, wie Du nun mal bist.

    Manfred

  • Hey Teebaum :)


    Deine Geschichte gleicht sich mit meiner zu fast 99% und ich muss dir einfach mal ein ganz großes Lob ausprechen ... Ich selber habe es nicht geschafft, ohne Ausbildung Fuß zu fassen. Ich hab es immer wieder versucht, aber leider ist es wirklich sehr schwer an den richtigen Arbeitgeber zu gelangen wenn man sehr übergewichtig ist. Ich beneide Dich wirklich.:) Vielleicht kannst du mehr über dein "Geheimrezept" verraten, wie du dich ohne Berufsausbildung ect. in der Berufswelt behaupten kannst.
    Ich selber werde nun 27 Jahre alt und allein der Gedanke, das ich in meinem Leben nichts erreicht habe und selbst ein gutes Verhältnis zu den Eltern nicht möglich ist, dass lässt mich täglich an mir selber zweifeln!
    Ich habe damals auch die 10te Klasse wiederholen dürfen und galt bereits als Schande der Familie. Ich habe meinen Realschulabschluss mit hängen und würgen geschafft (Durchschnitt 3,3 :( )
    Ich würde mich freuen mehr von Dir zu lesen ... es ist schön nicht alleine damit zu sein.

  • Hallo Teebaum,

    deine Geschichte hat mich tief berührt und ich finde, du kannst mit Recht stolz darauf sein, was du alles allein geschafft hast.
    Wie können Eltern bloß so sein? Das werde ich wohl nie verstehen! Glaub weiter so an dich und du wirst sehen, dass es auch Menschen gibt, die hinter die Fassade blicken.
    Ich drück dir ganz fest die Daumen.

    Liebe Grüße
    Iris

  • Ich glaube nicht, dass Du aufhören müsstest "zu jammern". Im Gegenteil scheint es mir ein guter Anfang zu sein, sich selbst und seine Lebensgeschichte zu ergründen. Und Du machst mir eigentlich nicht den Eindruck, dass Du über den Problemen der Vergangenheit vergisst, dass Dein Leben vor allem mal heute stattfindet.


    Ich denke aber, Du solltest Deine Reflexivität auch auf das Thema "Gewicht" ausdehnen. Verdrängen schafft der Seele nur kurzfristig ERleichterung, und diese kurzfristige Erleichterung ist meist teuer bezahlt.

    Aber weißt Du: Auch, wenn Du offensichtlich ein kluger Mensch bist und Du auf das Erreichte zweifellos stolz sein kannst: Das ist nur ein Aspekt Deiner Person und Deines Lebens. Du bist nicht nur der Kluge Mann. Auch Dein Körper gehört zu Dir, inklusive jedes einzelnen Kilos. Den kannst Du nicht dauerhaft einfach ausblenden. Und Du solltest auch ihn wahrnehmen. Und auch wirklich erst mal nur wahrnehmen. Was Du dann draus machst, kannst Du danach entscheiden.

  • Moin Teebaum,


    also erstmal "Hochachtung" vor deiner Leistung ;)
    das ist wirklich ne Menge und darauf kannst und solltest du auch Stolz sein.


    Was dein Gewicht betrifft - hm für mich blitzt da ein Zusammenhang zwischen "Emotionen unterdrücken/verdrängen" und "Gewichtszunahme" durch....und weil es ebenfalls zu der Thematik "Emotionen unterdrücken/verdrängen" gehört auch deine Einsamkeit.


    Hast du schonmal an eine ambulante Psychotherapie gedacht?
    Weißt du, offensichtlich gehörst du zu den Menschen die eher "introvertiert" sind und du scheinst dich sehr stark über deine Leistungen und "Erfolge" definiert zu haben - das ist in gewissem Maße auch völlig ok, aber bei dir scheint es "ausschließlich" so zu sein und das tut dir gerade weil du

    Zitat

    Ich bin halt einfach ein Sensibelchen.

    so bist nicht gut.
    Auffälig bist du dabei natürlich aufgrund deiner "Leistungshaltung" für Niemanden - nichtmals für Psychologen - aber du "leidest" darunter und das ist der Knackpunkt.


    Zitat

    Ich versuche mein Gewichtsproblem mehr oder weniger zur Verdrängen.


    Ich denke das du noch viel mehr zu "Verdrängen" versuchst:
    deinen Körper wahr zu nehmen, deine Gefühle wahr zu nehmen, einen großen Teil der wie Hermine schon schrieb auch "zu dir gehört" verdrängst du. Das Gewicht ist dabei - finde ich zumindest - nur der offensichtlichste Faktor. Deshalb würde ich dir auch empfehlen nicht gerade "dort" an zu setzen, sondern tiefer zu gehen.


    Liebe Grüße,
    Cailly

  • Hallo Teebaum,

    Du hast wirklich harte Zeiten hinter Dir und es kann gut sein, dass Du deswegen ein "Schutzschild" brauchtest.

    Hoffentlich brauchst Du es bald nicht mehr.

    ich finde, so tragische sich Deine geschichte auch liest, wäre sie eine sehr schöne story für eine Kurzgeschichte oder sogar einen Film.

    hoffentlich nimmst du es mir nicht übel dass ich so etwas oberflächliches sage, schliesslich ist es dein leben... es liest sich nur halt so schön... liegt evtl. ja auch an deinem einser in deutsch...hehe.


    liebe Grüsse,

    Queensize

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