Hallo Leute,
ich weiß ja nicht, ob es am Frühling liegt oder an sonst irgendetwas, aber im Moment häufen sich wieder die Leute, die selbst Diäten oder hier zur Gewichtsreduktion raten. Ich weiß selbst, da ich sicher nicht die schlankeste Userin hier bin, dass es oft nicht leicht ist, mit seinem Übergewicht zu leben. Aber noch schwerer fällt es mir, mit den gutgemeinten Ratschlägen anderer zum Abnehmen zu leben.
Seit meiner Kindheit habe ich Essen, besonders Schokolade dazu benutzt meine negativen Gefühle zu unterdrücken, mich zu belohnen oder durch Entzug zu bestrafen. Statt Frühstück gab es Schokolade, statt Liebe Gummibärchen, statt zu explodieren lief ich halt zum nächsten Lebensmittelladen. Essen war für mich später lange Zeit etwas, was man sich verdienen muss. Weil man "brav" war oder Sport getrieben hat oder aus sonst irgendeinem verqueren Grund. Es hat Jahre gedauert, bis ich es geschafft habe das Essen für mich bedeutet, auf meinen Körper zu hören und auf meine Hungergefühle adäquat zu reagieren. Mein Selbstbewußtsein hat in dieser Zeit genauso viele Schwankungen durchgemacht, wie meine wechselnden Eßphilosophien.
Heute leide ich an Diabetes und muß wieder einmal gegen meine Umwelt kämpfen, die mir die tolle Zweierkombi aus FDH und Sport als Allheilmittel verpassen will und nicht glauben kann, dass Kalorienzählen nicht wie das tägliche Gebet zum Himmelreich führt. Oft ist das ganze eine Gratwanderung aus Trotzhaltung, mangelndem Selbstbewußtsein und Hoch,- wie Depressionsphasen. Ich bin den ewigen Kampf leid und dann komme ich in dieses Forum und was lese ich hier?
Den gleichen Scheiß, den ich seit Jahren hinter mir glaubte. Solche Dinge, wie für kurze Strecken mußt du nicht Fahrrad fahren, wenn du hinterher Kekse isst oder belohne dich mit Essen, wenn du irgendwas positives getan hast. Dabei sind auch Sprüche a la kein Essen schmeckt so gut, wie schlank sein sich anfühlt. Alle diese Aussagen haben für mich etwas gemeinsam, sie zeigen ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper oder zur eigenen Psyche.
Ein gesunder Mensch muss nicht essen, wenn er nicht hungrig ist, er muss sich auch nicht mit Essen belohnen oder bestrafen. Ein gesunder Mensch überlegt auch nicht beim Sporteln, ob er genug Kalorien für seine Süßigkeiten abtrainiert hat. Ein gesunder Mensch bewegt sich nämlich aus Bewegungslust, ganz abgekoppelt von seinem Appetit. Hier wird, wie meist, wenn es ums Abnehmen geht, impliziert, das Kontrolle des Körpers zur Abnahme und damit zur Gesundung führt. Für mich ist aber ein Leben gegen die Bedürfnisse meines Körpers kein gesundes Leben und kann damit auch nicht zur Gesundung führen.
Eigen- oder Fremd-Kontrolle in meinem Leben hat mir nichts gebracht außer mehr Gewicht und mangelndes Selbstvertrauen und Mutlosigkeit und das permanente Gefühl gegen mich selbst zu kämpfen, anstatt für mich.Ein Großteil meines Lebens wurde mir damit versaut. Daher apelliere ich an alle, die ein solches Leben propagieren, ihre Ratschläge erst nochmal neu zu überdenken.