Essstörung

  • Hallo,

    folgende Frage beschäftig mich schon seit langem:

    Warum werden Magersüchtige bedauert und mit allem möglichen Aufwand behandelt und jemand mit Adipositas wird zusammengestaucht, geschnitten und mit dem Ratschlag "Nehmen Sie ab" abserviert?

    Ist nicht beides eine Krankheit? Ist nicht beides eine Essstörung? Ist nicht beides an die Psyche gekoppelt und im Zusammenhang mit seelischen Wunden und Defiziten zu sehen? Ist beides nicht gesundheitsschädlich bis lebensbedrohlich?

    Warum bitte diese Unterschiede in der Behandlung, sei es zwischenmenschlich als auch beim Arzt?

    LG
    Kiwi

  • Zitat von Kiwi

    Warum werden Magersüchtige bedauert und mit allem möglichen Aufwand behandelt und jemand mit Adipositas wird zusammengestaucht, geschnitten und mit dem Ratschlag "Nehmen Sie ab" abserviert?

    Magersüchtige werden auch nicht ständig bedauert. Zu Beginn werden sie vielleicht sogar bewundert, weil sie so schön dünn sind. Erst, wenn die Krankheit offensichtlich wird, kann sich das ändern, schlägt dann aber meist in Angst um die betroffene Person um.


    Zitat

    Ist nicht beides eine Krankheit? Ist nicht beides eine Essstörung? Ist nicht beides an die Psyche gekoppelt und im Zusammenhang mit seelischen Wunden und Defiziten zu sehen? Ist beides nicht gesundheitsschädlich bis lebensbedrohlich?

    Nein. Übergewicht ist keine "offizielle Krankheit". Übergewicht ist ein Syptom, ein Resultat von irgendetwas. Die Gründe dazu sind vielfältig. Sie können psychisch bedingt sein, müssen es aber nicht. Magersucht, so wie sie im allgemeinen verstanden wird, ist jedoch grundsätzlich immer psychisch bedingt.


    Übergewicht tötet, wenn überhaupt, sehr langsam und auch dann nur, wenn das Übergewicht groß ist. Den hauptsächlichen Todesursachen übergewichtiger Menschen, wie z.B. Schlaganfall und koronare Herzerkrankungen, kann man durch regelmäßige Bewegung sehr gut entgegenwirken, auch wenn man dabei dick bleibt.


    Magersüchtigte sterben dazu im Verhältnis sehr schnell und mit einer sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit, als dicke Menschen. Deswegen ist Magersucht deutlich gefährlicher für den einzelnen, als übergewichtig zu sein. Dass, was sie dagegen tun können ist lediglich, nicht mehr magersüchtig zu sein, was bedeutet, dass sie zu der Einsicht gelangen müssen, dass sie krank sind und sich behandeln lassen müssen.


    Zitat

    Warum bitte diese Unterschiede in der Behandlung, sei es zwischenmenschlich als auch beim Arzt?

    Mir persönlich ist dieser Satz ein wenig zu schwarz-weiß. Es gibt auch, dass weiß ich aus eigener Erfahrung, medizinisches Personal, dass sehr wohl gut mit dicken Menschen umgehen kann. Natürlich ist es immer unangenehm, wenn jemand wie ein Arzt, bei dem man fast immer auch ein wenig etwas wie Halt sucht wenn man krank ist, einem solche Ungehörigkeiten um die Ohren haut. Da du aber nur sehr bedingt die Möglichkeit hast, z.B. einen Arzt zu ändern, bleibt dir nur die Möglichkeit, dich selbst, bzw. deinen Umgang mit solchen Situationen zu ändern. Das kann man üben und man sollte es auch, wenn man Schwierigkeiten damit hat.

  • Hi,

    ich denke auch, daß Übergewicht/Adipositas nicht automatisch als Eßstörung angesehen wird. Untergewicht ist ja auch erstmal nicht eine psychisch bedingte Krankheit. Ich denke, da muß man bei den Begriffen genau trennen.

    Bei mir steht zum Beispiel beides im Diagnoseschlüssel: also einmal der Schlüssel für Adipositas und dann der Schlüssel für Eßstörung.

    Grundsätzlich denke ich aber auch, daß Magersucht und Bulimie rein von Hinz und Kunz als Eßstörung angesehen werden, wo hingegen einem dicken Mensch eher mangelnde Disziplin unterstellt wird als eine körperliche Krankheit oder sogar ein psychisches Problem.

    Aber ich denke, daß es egal um welche psychische Störung es geht (auch wenn es Richtung Depressionen geht), die Menschen oft nicht genug bescheid wissen oder es abtun, den Hang haben, es herunterzuspielen. Ich meine, wie lange werden Mädchen/Frauen für ihr übermäßiges Untergewicht noch bewundert, wird ihnen halt starker Wille und Erfolg unterstellt. Eh der Punkt kommt, wo Außenstehende auch wirklich erkennen, daß da was falsch läuft ...

    Ich denke man muß da für sich selbst klar sein und sich nicht irritieren lassen von den "Experten" im Alltag.

    Ich glaube, ich höre lieber auf.

    VIele Grüße,

    Anja

  • In meiner Selbsthilfegruppe waren auch Magersüchtige - und genauso, wie Dicke gesagt bekommen "iss halt weniger", bekamen diese oft gesagt "iss halt mehr".
    Manche Menschen haben einfach kein Verständnis für psychische Probleme, die sagen auch zu Depressiven "reiß dich zusammen und sieh das Leben positiv".

    Liebe Grüße von Meryem und dem Tiger-Trio
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    Ich bin nicht dick, ich habe nur mehr erotische Nutzfläche!

  • Hallo!



    Manche Menschen haben einfach kein Verständnis für psychische Probleme, die sagen auch zu Depressiven "reiß dich zusammen und sieh das Leben positiv".


    Ich glaube ja, dass dabei auch vielfach Hilflosigkeit eine Rolle spielt. Ich stelle mir ein Dasein als z. B. Partner oder naher Angehöriger eines Depressiven oder sonstwie psychisch Erkrankten, einigermaßen schwierig vor. Man möchte gerne helfen und muss aber hilflos zusehen, wie der geliebte Mensch leidet. Dass einem da schon mal etwas herausrutscht, das kann ich gut nachvollziehen.


    Es ist ja auch so, dass man als Außenstehender nun einmal nicht sofort erkennen kann, ob es sich um eine Krankheit handelt oder nur um ein vorübergehendes Phänomen. Einige Menschen nehmen bei Stress zu oder auch ab, was sich dann jedoch wieder gibt, wenn die Belastungssituation vorbei ist. Viele Menschen haben wohl auch mal Phasen von Traurigkeit und Antriebsschwäche, besonders in der dunklen Jahreszeit, was allerdings nicht direkt eine Depression darstellt.


    Ich denke, man kann auch nicht zu viel von seinen Mitmenschen erwarten, erkenntnistechnisch betrachtet. Besonders nicht von Leuten, die einen überhaupt nicht kennen und damit auch wenig einschätzen können. Genauso habe ich es schon erlebt, dass jemand todesempört war, wenn man ihm eine Krankheit "andichten" wollte, obwohl man sich nur mühte Verständnis zu zeigen. Da denkt man dann auch: "Wie man es macht, macht man es verkehrt." Es ist manchmal gar nicht so einfach für die Umwelt, das sollte man auch nicht vergessen.


    Liebe Grüße, Fortuna

  • Hallo Fortuna,

    wenn es um das Hilflosigkeitsgefühl geht, bin ich total bei Dir.

    Der andere Punkt ist, daß die meisten Menschen einfach sehr schnell mit ihren Schubladen da sind. Dicker Mensch? Disziplinlos, maßlos. Schlanker Mensch? Supi, erfolgreich, glücklich etc. ... Dicker Mensch sagt, daß Übergewicht psychische Gründe hat? Lügner, kann der Realiät nicht in die Augen sehen.

    Ich denke, es wäre - egal worum es geht - hilfreich, wenn man nicht jeden Menschen aburteilt, bevor man näheres weiß.

    Naja ... man wird ja träumen dürfen ...

    Anja

  • Hallo, Anja!



    Der andere Punkt ist, daß die meisten Menschen einfach sehr schnell mit ihren Schubladen da sind. Dicker Mensch? Disziplinlos, maßlos. Schlanker Mensch? Supi, erfolgreich, glücklich etc. ... Dicker Mensch sagt, daß Übergewicht psychische Gründe hat? Lügner, kann der Realiät nicht in die Augen sehen.


    Stimmt schon, das Schubladendenken ist leider weit verbreitet. Allerdings sind meiner Erfahrung nach auch z. B. dicke Menschen nicht frei davon. So wie Du es sagst, nämlich, dass schlanken Leuten beispielweise, ganz automatisch Glück zugeordnet wird. Frei nach dem Motto: "Was willst Du denn? Du hast doch alles? Bist hübsch, erfolgreich (usw.)." Ich glaube, das trifft jeden, dass er sich mal missverstanden und in eine Schublade gepackt fühlt.

    Ich denke, es wäre - egal worum es geht - hilfreich, wenn man nicht jeden Menschen aburteilt, bevor man näheres weiß.


    Klar, wäre das wünschenswert. Aber es ist eben auch nicht immer so einfach. Ich bin auch manchmal genervt und kann mich dann nicht überwinden, erst ellenlang nachzuforschen welche Befindlichkeiten hinter einem Verhalten stecken, ich habe auch eigene Sorgen. Und ich glaube, damit bin ich nicht allein. Es ist meiner Ansicht nach auch wichtig, dass man lernt zu sich zu stehen und sich bei Bedarf dann auch durchzusetzen, bzw. darauf zu bestehen, dass das Gegenüber nicht so im Vorbeigehen sein Urteil fällt. Besagtes Gegenüber hat sich womöglich einfach keine Gedaken gemacht. Aber nicht aus Böswilligkeit, sondern weil es mit sich selbst zu beschäftigt ist, das soll ja mal vorkommen.

    Ich denke, es kommt viel auf einen selbst an, wie man mit Klischees umgeht, bzw. dagegen an geht.


    Liebe Grüße, Fortuna

  • Hey, Kiwi!

    Ich bin Essgestört, man nennt das binge eating. Aber das binge eating ist an mein Borderline/an meine Depris gekoppelt. Adipositas ist meiner Meinung nach nicht gleich irgendwas psychisches. Nicht jeder der Adipositas hat hat was psychisches. Kann man ja auch durch ne Zuckererkrankung bekommen ect....

    UND: Ich war 3 Jahre in einer "Essgruppe". Dort beschäftigen sich sowohl untergewichtige wie übergewichtige mit dem Thema, essen, nicht-essen, zu viel essen, zu wenig essen, Protionsgrößen, gesundes essen... eigentlich ALLES übers Essen und die Folgen da drauß wird angesprochen und besprochen.
    Dort wurden eigentlich alle gleich "bemitleidet".

    "Draußen" in der Öffentlichkeit, ist es meiner Meinung schon auch so wie du sagt, die Magersüchtigen werden mehr beachtet. Wieso das so ist? Hmm, keine Ahnung... Aber es geht vielen Menschen so... wie oft würde ich meine Borderline-Erkrankung mit einer "sichtbaren-Erkrankung" tauschen... Wenn du im Rollstuhl sitz wird dir die Tür aufgehalten... Wenn du dir mit ner Rassierklinge die Arme aufschneidest (hab ich schon ewig nicht mehr gemacht *auf-Holz-klopf*) wirst du dafür noch beschimpft... Das Problem gibts also öfters. Das einer mit nem gebrochenen Bein nicht laufen kann, versteht jeder und bemitleidet jetzt, das jemand der Depris hat nicht arbeiten kann, verstehen die wenigsten, man wird als faul hingestellt... :(
    Aber ich weich vom Thema ab... sorry...

    Und klar ist beides gesundheitsschädlich und beides sogar lebensbedrohlich. Ich hab einige Menschen kennen gelernt in der Gruppe und kann sogar behaupten, das magersucht sogar ziemlich schnell zum Tod führen kann, aber auch übergewicht... klar.

    Ich glaube was die Behandlung der beiden Krankheiten angeht, gibt es glaub ich gleich viele Angbote für beide Seiten. Also in der Klinik wo ich war, gab es für beide Krankheiten gleich viele Behadlungen und wurde beides sehr ernst genommen und intensiv betreut. Würde nicht sagen das Magersüchtiger aufweniger behandelt werden, man muss evlt nur genau wissen wo man als Adipositas-Patient (oder Essgeströrter je nachdem...) hingehen muss, nicht alle Ärzte kennen das gesamte Angebot, mein Hausarzt war zu Anfangs auch sehr ratlos, da muss man glaub ich selber einfach mal suchen was einem da so geboten wird.

    Ich hoff ich hab jetzt nix verwechselt oder vertauscht... ;)

    Liebe Grüße
    FlyingTinker:)

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