Einzelschicksal? Wohl kaum ...

  • Ich wusste nicht genau, wo ich damit hin sollte, deswegen habe ich mich für dieses Unterforum entschieden.


    Ich sitze hier gerade vor meinem Rechner, wollte eigentlich ins Bett ... nur noch vorher kurz mein Tumblr-Dashboard checken. Und dort las ich dieses:


    Quelle


    Und nun - auch wenn es Einigen vielleicht seltsam erscheinen mag - habe ich feuchte Augen. Wegen des Schicksals eines jungen Mädchens, welches ich nicht kenne und auch niemals kennen lernen werde. Ich bin traurig, dass sie tot ist. Dabei sollte doch das Leben gerade erst richtig anfangen. Wütend, wie ihr Umfeld mit ihr umgegangen ist. Und ich könnte kotzen, weil es eben kein Einzelschicksal ist.


    Geschichten wie die von Jenna sind der Grund, warum ich in letzter Zeit hoch gehe wie ein HB-Männchen, wenn wieder irgendjemand einer wildfremden Person Diättips um die Ohren haut. Essgestörte und depressive Menschen damit wohl eher noch tiefer in den Teufelskreis hinein treibt. Ohne Rücksicht auf Verluste wird hier hinter dem Deckmantel der Gesundheit auf Menschen eingedrescht, einige in den Tod getrieben.
    Anders ausgedrückt: "If you 'care about me' enough to worry about my weight and not my feelings, I highly doubt you actually care at all."
    Aber Hauptsache auf Kosten anderer mal besser gefühlt.


    Sry, das musste ich jetzt irgendwie mal los werden. :(

  • Schrecklich, aber in dieser Extreme ist das schon ein Einzelschicksal und kein Massenphänomen, denke ich.


    Mit "thin privilege" tue ich mich echt schwer, muss ich sagen. Nicht weil ich nicht glaube dass es exisitiert, aber das sind so Begriffe die die große Gefahr bergen die Welt nur noch durch den eigenen Tunnelblick zu sehen.


    Ein Beispiel:
    Bin in der Schule auch wegen meiner Figur sehr extrem gemobbt und gehänselt worden und kämpfe letztendlich auch heute noch mit den Folgen dessen, die Erlebnisse beeinflussen auch in der Gegenwart teilweise noch meinen Umgang mit Menschen und Situationen.


    Ich war mal in einer SHG für soziale Phobiker und da waren einige Leute die eine ähnliche Vergangenheit, Erlebnisse, Empfindungen und Probleme hatten, die sie bis heute quälen, da hätte ich teilweise jeden Satz den sie äußerten unterschreiben können.
    Das betraf auch Dinge, die ich viele Jahrzehnte als "dicke" Probleme wahrgenommen hatte.


    So und jetzt kommts: diejenigen mit denen ich mich so verbunden fühlte waren durch die Bank schlanke, meist junge und durchschnittlich attraktive Männer.



    Natürlich gibt es dicke Diskriminierung, natürlich muss das bekannt sein und bekannt werden, natürlich muss man immer wieder darüber reden ... aber ich denke man sollte seinen Blick nicht unbedingt darauf richten mit welchen Problemen schlanke Menschen (vermeintlich) nicht zu kämpfen haben, sich nicht darauf versteifen, Menschen klar zu machen welche selbstverständlichen, gesellschaftlichen Vorteile Schlanke im Vergleich zu Dicken geniessen sondern darauf, dass es diese dicken Probleme gibt und wie sie aus der Welt zu schaffen sind.
    Und das eben auch schon auf einer so kleinen Ebene wie dem Begriff "thin privilege".

  • @ Carolina


    Es geht um ein 18 jähriges Mädchen, das sein Leben lang als dicker Mensch gemobbt und tyrannisiert wurde. Teilweise konnte sie das Haus nicht verlassen ohne beschimpft und tätlich angegriffen zu werden.
    Ihre Dauerdiäten führten schliesslich irgendwann zu einer Magersucht, die ihre Organe so stark schädigte, dass sie am am 8. Januar an den Folgen ihrer Essstörung starb.
    Den Beitrag schrieb sie aus dem Krankenhaus, als sie schon im sterben lag und machte darauf aufmerksam, dass dünn nicht mit gesund gleichzusetzen ist.


    Sie sieht (sah) sich als ein Opfer von Diskriminierung und Dickenhass.

  • Hallo


    solche Fälle sind nicht selten. Es tut mir leid, daß niemand diesen Menschen beisteht, ihnen ihren Wert zeigt, auch als dicker Mensch.


    Ich selbst war auch shcon an dem Punkt, um jeden Preis schlank sein zu wollen. Meine Freunde und die Erziehung meiner Eltern hat mich immer vor extremen Maßnahmen zurückschrecken lassen. Inzwischen sehe ich mcih selbst positiv, egal mit wieviel Gewicht.

    Liebe Grüße Mendi


    "Wer eine schöne Stunde verschenkt, weil er an Ärger von gestern denkt oder an Sorgen von morgen, der tut mir leid. Mein Name ist Hase, ich weiß Bescheid." (Bugs Bunny)

  • Mendi: Schön, dass du deine Familie und Freunde hattest, die dich scheinbar davon abhalten konnten, eben diese extremen Maßnahmen zu ergreifen. Und weil das getippte Wort gerne mal falsch verstanden werden kann: Das meine ich wirklich ernst. :)


    Carolina: Tut mir leid, daran hatte ich heute Nacht irgendwie nicht mehr gedacht. Aber Fräulein Wunder hat es ja schon wunderbar zusammen gefasst.


    So ... *fingerknöchel knacksen lass*


    @Fräulein Wunder: Ich denke, zwischen Einzelschicksalen und Massenphänomen liegen doch noch ein paar Abstufungen. Aber solange wir keine (offiziellen - falls es diese gibt) Zahlen haben, sind das eh nur Mutmaßungen. Nichts desto finde ich den - wie nenne ich es - Prozess, dass ein junges Mädchen der Magersucht verfällt, weil ihre Umwelt sie so mies behandelt, schlimm genug, auch ohne die Todesfolge.
    "Du bist fett" ist heute scheinbar das Schlimmste, was man zu einem Mädchen sagen kann. Und manche Eltern haben Angst vor sozialer Kontamination, wenn sie ihre hübschen dünnen Püppchen mit dem "dicken Pack" spielen lassen. (Achtung: Pauschalisierung, Übertreibung, Sarkasmus sind in den letzten zwei Sätzen durchaus zu finden)


    Zum Thema thin privilege. Da sind wir durchaus beieinander. Das Jenna ihre Geschichte bei diesem Blog gepostet hat heißt nicht, dass ich normalerweise auch ein Anhänger bin. Ich bin über andere Wege darauf gestoßen. Tumblr eben. :)


    Es spricht imho nichts dagegen, auf diverse Missstände aufmerksam zu machen. Die Betreiberin von thin privilege macht dies meiner Meinung nach allerdings zu - nett ausgedrückt - offensiv und schadet "der Sache" mehr als es nutzt.


    Es bringt überhaupt nicht, die Akzeptanz dicker Menschen einzufordern (was sicherlich unser gutes Recht ist) aber im gleichen Zuge einer anderen Bevölkerungsschicht (in diesem Fall die vermeintlich privilegierten Schlanken) das Leben schwer machen zu wollen. Von dem Umgangston, der dort teilweise an den Tag gelegt wird, mal ganz zu schweigen.


    Ich persönlich bin für Akzeptanz, Toleranz, Gleichberechtigung und respektvollem Umgang ALLER Menschen untereinander. Völlig unabhängig von Körperform, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, etc. etc.


    Amen :) Ich werde jetzt weiter auf der Couch rumliegen und essen. Ach nein, ich muss ja noch Fenster putzen. So ein Mist. ;)

  • @ MelBee


    Natürlich ist das schlimm, keine Frage. Es geht ja nicht darum ob jemand an der Folge von Mobbing stirbt oder "nur" leidet, beides ist schrecklich und falsch - mich berührte einfach die sehr verkürze Darstellung von Jenna unangenehm, die anklagenden Worte.


    Dass jemand nach Jahren der Magersucht an Organversagen stirbt ... da muss im Umfeld noch einiges mehr schief gegangen sein als nur das Mobbing alleine, das den ursprünglichen Ausschlag zum Diäthalten gab.


    Magersucht ist eine sehr komplexe Krankheit und ich finde es immer etwas ärgerlich wenn es ausschliesslich darauf reduziert wird, dass Mädchen in ein falsches Schönheitsideal getrieben werden.
    Ja, das ist sicher bei vielen ein wichtiger Aspekt aber eben nicht der alleinige. Bei Magersucht können auch ganz viele andere Ursachen und familiäre Probleme mit rein spielen und magersüchtig werden auch Mädchen die niemals dick waren und auch niemals wegen ihrer Figur gemobbt wurden.


    Genausowenig wie man beispielsweise sagen kann, dass alle dicken Frauen Angst vor Männern haben und deshalb dick sind, weil sie unattraktiv oder unsichtbar erscheinen wollen. Das ist zu einfach, zu verkürzt und passt in dieser Form nur auf einen kleinen Bruchteil der dicken Menschen.


    Ebenso glaube ich nicht, dass die Probleme der meisten Magersüchtigen auf diese einfache Formel: "Druck von aussen, Mobbing => Diät bis in den Tod" zu bringen ist und finde das in dieser anklagenden Form dann eher kontraproduktiv und der Sache nicht dienlich. Auch wenn es natürlich schrecklich ist, dass Jenna das wohl so gesehen hat und mit diesem Gefühl in den Tod ging.

  • @Fräulein Wunder
    Ich habe ja auch nicht gesagt, dass das Mobbing aufgrund des Übergewichtes der einzige Auslöser und der einzige Aspekt von Magersucht ist. Das Magersucht eine sehr komplexe Sache ist, bei der es nicht einfach mit "Iss halt mehr" getan ist, ist mir auch sehr wohl bewusst.


    Prinzipiell ist Jenna für mich ein (radikales) Beispiel (von vielen anderen), was passieren kann (nicht muss), wenn man andere Menschen (besonders im Teenager-Alter, wie ich finde) wegen ihres Gewichtes fertig macht.
    Mobbing aufgrund der Körperform und des Gewichtes ist für mich nun mal ein wunder Punkt, weshalb ich darauf einfach etwas emotionaler reagiere. Dafür möchte ich mich auch nicht rechtfertigen, es ist einfach so. Sicherlich aufgrund von persönlicher Erfahrungen. Und wenn ich dann solch eine Geschichte lese werde ich wütend und traurig. Und egal, was während des Verlaufs ihrer Magersucht noch passiert ist, in dem Fall ist es der Auslöser, der mich bewegt.


    Damit verharmlose ich (oder verleugne gar) mMn nicht die vielen anderen psychologischen Auslöser der Magersucht und auch nicht den komplexen Verlauf dieser Essstörung.


    Das Jenna diesen anklagenden Ton inne hat, nehme ich ihr nicht übel. In dem Fall habe ich sogar irgendwie Verständnis.
    In wie weit generell die Form von thin privilege der Sache dienlich bzw. undienlich ist, dazu habe ich mich ja schon geäußert. Wenn einem mal der Kragen platzt ... ok, kann passieren. Passiert mir auch, obwohl ich immer versuche, keinen Niveaulimbo zu veranstalten. Heißt für mich: Entweder ich argumentiere auf meinem normalen Niveau oder ich lasse es bleiben. Die Regel für die es hin und wieder auch Ausnahmen gibt (meistens so 1x im Monat *pfeif*). Nobody is perfect. :)


    feinschmecker
    eine korruptere Person? ;) Ich gehe mal davon aus, dass du korpulent meintest. :)
    Ausstrahlung ist relativ, dementsprechend ist es mir recht egal, wie dick oder dünn jemand ist. Meine Nichte ist übrigens so ein dünnes, zartes Persönchen. Sie kann futtern wie ein Scheunendrescher und wird trotzdem immer darauf angesprochen, ob sie Magersüchtig ist. Also nicht jedes "abgemagerte" Mädchen ist krank. Und "body positive" geht in alle Richtungen. :)


    Deinen letzten beiden Sätzen stimme ich jedoch uneingeschränkt zu.

  • MelBee ... ich sprach ja auch nicht von Dir, sondern von Jennas Beitrag. Denn draum ging es doch hier. Und ihr Beitrag ist eben in meinen Augen kontraproduktiv, weil verkürzt, anklagend und auf thin privilege bezogen.
    Das ist so als würde sich jemand sich aus Liebeskummer umbringen und einen Brief hinterlassen: "Weil DU mich nicht liebst bin ich jetzt tot."


    Stimmt zwar auf eine gewisse Weise, ist aber doch extrem verkürzt, oder nicht?

  • Ok, jetzt bin ich – glaube ich –*bei dir. :)


    Trotzdem frage ich mich, ob man nicht doch vielleicht den ein oder anderen Menschen mal wachrütteln könnte. Nicht im Sinne von „Schau mal, Du und all die anderen Arschlöcher haben Jenna umgebracht“ sondern eher „Du weißt nie, wen du da gerade angreifst. Und so wie du dich nicht für die psychischen und emotionale Gesundheit deines Gegenübers interessiert, so egal sollte dir auch sein Gewicht sein. Denn manchmal reicht nur ein Funke.“


    Optimistisch, wie ich hin und wieder bin, glaube ich, dass man Einigen (und wenn es nur einige Wenige sind) vielleicht einen Denkanstoß geben könnte.


  • Genausowenig wie man beispielsweise sagen kann, dass alle dicken Frauen Angst vor Männern haben und deshalb dick sind, weil sie unattraktiv oder unsichtbar erscheinen wollen. Das ist zu einfach, zu verkürzt und passt in dieser Form nur auf einen kleinen Bruchteil der dicken Menschen.


    Das ist aber eines der erste Sätze gewesen, die mir ein Psychologe gesagt hat, den ich auf Anordnung wegen "Jugendsünden" besuchen mußte!


    Er meinte, wenn ich ja schlank wäre und somit "attraktiver", würde ich ja mehr Aufmerksamkeit erregen und davor hätte ich Angst. Da mich die Männer enttäuschen könnten. Also hätte ich mich "dick gemacht" und hätte "meine Ruhe".


    Damals war ich zwar noch ziemlich jung und lange nicht so dick wie heute, aber mich hat das damals schon so geärgert, dass ich den erstmal gefragt habe, wie er darauf kommt, dass dicke Frauien nicht auf Männer attraktiv wirken können und auch schlanke Frauen "Pech" haben! Der guckte nur doof!


    Mich hat das so erbost, dass ich den der Kasse gemeldet habe und nicht mehr hingegangen bin, obwohl das zunächst mal Nachteile für mich hatte. Aber es gibt ja auch noch weibliche Psychologen.


    Sicher ist es mit Magersucht nicht damit getan zu sagen "Ess einfach mehr!" und es ist auch meist nicht nur der Gedanke dünn zu sein, sondern ja eher ein Kontrollwahn, Selbstzerstörungswunsch usw.


    Aber genauso ist das eben so bei Dicken, wo von "Ahnungslosen" immer gesagt wird: "Meine Güte, ess´halt mal weniger, lass´die Süßigkeiten weg, mach Sport!" usw. "Ist ja alles ganz einfach", "Ich verstehe nicht, wie man so dick sein kann" usw...


    Am besten noch von (Ketten)rauchern...:rolleyes:


    In dem Fall von dem Mädchen hier denke ich auch nicht, dass die Ursache für den Tod nicht "nur" das Mobbing war. Da steckt mehr hinter.


    Es ist aber wohl wirklich so, dass "Dick sein" heute das Schlimmste zu sein scheint; gerade für Mädchen.


    Es werden ja Schüler sogar gemobbt / gehänselt, die von ihrer dicken Mutter von der Schule abgeholt werden.

    Der Weise lernt aus den Fehlern anderer, der Kluge aus seinen eigenen Fehlern und der Dumme lernt gar nichts...:p

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