Wer ist hier Dick?!

  • Hallo ihr lieben!
    Erstmal einen herzlichen Gruß an alle. Ich möchte mich als Neuling in diesem Forum mit einer, wie ich es damals meinte, kleinen "Rechtfertigungserzählung" und wie ich vor 6 1/2 Jahren mit meinem gewichtigen :eek: "Problem" umgegangen bin, vorstellen. Mittlerweile hab ich mein Gewicht akzeptier und lebe ganz gut damit. :)



    Wer ist hier Dick?! :confused:


    Ich bin doch nicht dick, ich nicht! Ich weiß noch genau als ich das letzte Mal in den Spiegel schaute war ich ein Adonis mit dunklen Haaren, hellgebräunt. Ich sah unwiderstehlich aus. Und das ist noch nicht einmal so lange her. Höchstens dreißig Jahre - aber was sind schon dreißig Jahre in dieser schnelllebigen Zeit. Ein Sandkorn am Strand. Apropos Korn, ein hochgradiges Getränk, dass scharf- und blödsinnig zugleich macht. Ich bin doch nicht dick! Dreißig Jahre sind wirklich nicht viel. Dreißig Jahre ist der Zeitraum seit der Mond von dem Menschen heimgesucht wurde. Der Zeitraum in dem tausend Träume haarscharf an der Realität vorbei ins Unendliche drifteten. Der Zeitraum meiner Ehe. Die Zeit in der ich mich zu den Schlanken zählte. Der Raum in dem ich mich ausdehnte. Der Zeitraum einer Lebensphilosophie die als ad absurdum ihre Daseinsberechtigung hatte. Der Zeitraum in dem ich mich, eingeredeter Weise, wohl fühlte.


    Ich bin doch nicht dick, ich nicht, komme was da wolle, zum Wohle, na dann Prost. Ich komme gerade aus einer Herzklinik. Die haben da auch gesagt, ich bin nicht dick. Und bisher hat mir auch wirklich alles gut geschmeckt. Ein Herzschrittmacher mit Ablatio des AV-Knoten, nichts schlimmes, ich bin ja nicht dick. Zwölfhundert Kalorien gab es, können Sie sich das vorstellen? Geschmeckt hat es wie im Ritz und reichlich war es obendrein. Vorher hatte ich beim Gehen Schwierigkeiten. Jetzt geht es wieder. Aber fragen Sie mich nicht wie es mir geht. Was, Sie fragen? Na ja, es läuft. Vorher ist so gut wie gar nichts mehr gelaufen, aber jetzt geht es, wie gesagt. Beim Atmen gab es auch Schwierigkeiten jedoch die Kaumuskulatur litt nicht darunter. Das Schlucken behinderte mich auch nicht. Ich sagte ja, es läuft. Ich muss mich jetzt an das Gehen erst gewöhnen. Die Muskulatur hat sehr unter dem Dauerstress des sich im Raum bewegenden Körpers gelitten. Schmerzen am Schlüsselbein oberhalb der Schnittstelle die bis in den rechten Arm gehen, sind ein vorübergehendes Übel des Herzschrittmachers.


    Ein fades Thema! Von Gebrechen zu reden ist out! Also reden wir uns schönere Zeiten herbei. Zum Beispiel als ich noch bildschlank und dünnschön war. Ich besitze noch ein Bild, das mich in Uniform zeigt. Ein bildschönes Bild dieses Bild. Mit poliertem Stahlhelm und hochglanzgeputzten Stiefeln. Luftwaffenstiefeln. Die einzigen beim Bund, die ihrer Eisen beraubt jedoch glänzend vor sich hermarschieren. Die Eisen vorn und hinten, einst wie Orden oder Ehrenzeichen getragen, erfreuten jedes Stiefelherz. Doch bei der Luftwaffe hatten die Stiefel wenig zu lachen. Irgendwie müssen sie etwas schlimmes ausgefressen haben, denn die meiste Zeit waren sie in verdunkelter Einzelhaft im Spind. Ich kann mich erinnern, dass sie nur sehr selten befreit wurden und dazu auch noch zu einem eher unerfreulichem Zweck, dem halbjährigem vierundzwanzig Stunden dauernden Wacheschieben in äußerst brisanter Munilagerumgebung. Wie bin ich jetzt darauf gekommen? Ach ja, ich bin ja nicht dick. Ich war einmal schlank. Um noch eine schöne Begebenheit aus den vergangenen dreißig Jahren zu erzählen, was, Sie haben schon genug, na gut. Soll mir recht sein! Ich bin ja nicht dick! Denn alles ist in Frage zu stellen, ist Ansichtssache, dem Betrachter überlassen.


    Nehmen wir einmal an ich wäre dick. Jeder würde mich meiden, mich auslachen, für blöd erklären, mit Fingern auf mich zeigen, auf mich herabblicken, mich nie einladen, mich verspotten, mir Freundschaften kündigen, keiner würde mich lieben, alle würden mich hassen und einiges mehr, wäre ich dick. Nach Einsteins Theorien würde selbst das Licht einen Bogen um mich machen. Ich stünde im Dunkel der Zeit und nur weil ich dick wäre.
    Wie Sie sehen können, das Leben hat eine plus und eine minus Seite, eine helle und eine dunkle, eine schlanke und eine dicke. Die zwangsläufige Zuordnung zu einer dieser Seiten entscheidet über gesellschaftlichen Aufstieg oder Verfall, sozialer oder asozialer Erkennung. Das Schwierige ist der neutrale Punkt zu diesen beiden Seiten. Man weiß nicht genau wo er zu finden ist. Was liegt zwischen dick und schlank? Kann man das genau definieren? Mir egal, ich bin wenigstens nicht dick!


    Waagen wagen sich nicht mich zu wiegen! Sie kennen bestimmt den;
    „...bitte nicht in Gruppen auf die Waage stellen“ Witz? Ich erspare mir das Erzählen. Ich fände diesen Witz eher geschmacklos. Mich würde er aufregen, wäre ich dick! Ich bin aber nicht dick und betone das Wort „aber“. Aber finden Sie nicht auch, dass bei extrem schlanken Menschen ein Verhalten fast wie bei extrem dicken Menschen zu finden ist? Darum gelobe ich engstirnig, mich niemals in eines dieser Extreme zu begeben! Denn ich bin ja nicht dick!


    Von Vorbildern lassen wir uns leiten. Bei einer Volkszählung las ich auf einer Plakatwand:“...nur Schafe lassen sich zählen“. So ist das auch mit dem körpereigenem Gewicht. Es kommt auf die Vorbilder an, auf den Gesichtspunkt, aber nur weil man die Kalorien nicht zu zählen vermag. Oder gerade deswegen? Wie Sie leicht erkennen können, gibt es nur eine Alternative: entweder Augen zu und durch oder ich will so bleiben wie ich bin, denn ich bin ja gar nicht dick!


    Der Betrachter, in diesem Falle ich, sieht nur seine Peripherie, er blickt selten an sich herab. Man könnte ja erschrecken und für einen Herzkranken, wie ich es bin, könnte der Schock tödlich enden! Also, Augen zu und durch. Oder, soll ich so bleiben wie ich bin? Das ist eine wichtige Entscheidung, die mich einige Minuten, wenn nicht Jahre beschäftigen wird.
    Das hängt alles am Essig, sagte mir ein Bekannter. Und warum? Na ja, sagte er, eß ich oder eß ich nicht! Irgendwie ist da was Wahres dran. Aber, ich bin ja nicht dick! Oder doch? Sollte ich wohlmöglich dreißig Jahre bloß weggeschaut haben, knapp am Spiegel vorbei? Vor lauter Wald den Baum nicht gesehen? Lag es vielleicht an der Kochkunst, die ich von der Großmutter erlernte? Da fällt mir ein ganz tollen Rezept für ein Pörkölt ein. Ach, Sie wissen nicht was ein Pörkölt ist? Das ist ein schmackhaft geschnetzeltes in Paprikarahmsauce mit Nockerln, wir würden Gulasch dazu sagen. Hierbei die Paprika beliebig scharf sein dürfen, je nach Gusto. Dazu trinkt man einen Szürkebaràt. Ein ungarischer Weiswein, wobei ich anmerke, dass ich das zweite a auf dieser Tastatur in ungarisch nicht zu schreiben vermag. Als Nachspeise schmeckt am Besten ein Topfenpalatschinken oder ein Weichselstrudel und ein Stamperl. Ich bin ja nicht dick!
    Wissen Sie, es ist schon eine Gaudi, eine Speisekarte rauf und runter zu lesen. Oder nicht? Na, wie dem auch sei, ich werde, wie gesagt, darüber nachdenken. Die ersten Zweifel bekam ich vor geraumer Zeit an einer Warenannahme in deren Boden eine elektronische Waage eingelassen war. Der Zeiger schlug aus und mich fast von den Socken. Aus Versehen natürlich, - oder hab ich mich vertan?


    Vom ungarischen Weine wollt´ ich noch berichten. Jedoch die Herzgeschichte erlaubt seit einiger Zeit nur Säfte und Wasser vom Feinsten. Wie Sie sehen, kann man ganz gut alkoholfrei leben. Mein Gewicht ist in den besagten Jahren, aus medizinischen Gründen, reduziert und ich vermag einwenig mehr an Lebensqualität zu verspüren. Wenn ich noch einige Jahre so durchhalte, wird das sein mein Glück, denn wie Sie wissen: Ich bin ja gar nicht dick. :rolleyes:
    ©Febr. 2000 Joe Kurle



    Danke für Eure Aufmerksamkeit. Gruß, Joe

  • dieser Beitrag ist zu gut, um in diesem unbeachteten Unterforum zu stehen.


    Ich bin zwei Jahre älter als Du @ Joe und weiss deshalb sehr gut, was eine Lebenslüge ist.

    Man wird Dir jetzt wahrscheinlich antworten, dass das Dicksein nicht unbedingt der Auslöser Deiner gesundheitlichen Probleme sein muss, aber ich denke, das zu beurteilen liegt nur an Dir.


    toni

  • Hallo toni, danke für Deine Antwort. Du hast recht, ich habe einiges im Leben anders gesehen als heute und habe aus dem "Vollen" gelebt. Viel arbeiten, aber auch viel feiern, was schließlich zu meinem Problem wurde. Nun lebe, ich will nicht sagen problemlos, aber ich halte mich an Regeln.


    Hallo MeiersJulchen, auch Dir ein Dankeschön!
    Angefangen hat es schon Jahre vorher mit Rytmusstörungen. !992 kam als einstweiliger Höhepunk ein Herzinfarkt dazu. Kaum auf den Beinen, das selbe Leben wie auch vorher, weitergelebt. Ich dachte immer, ich versäume was. Doch was es genau war, dessen war ich mir nicht bewußt. Bei solch einer Einstellung und viel Arbeit, verheiratet 2 Kinder, habe ich den "Ausgleich" gesucht und scheibar gefunden. Durch einen Bandscheibenvorfall, der manchmal äußerst schmerzlich ist hab ich, für mich, die verkehrte Medikation eingenommen. Ich muß gestehen, ich bin kein "Waschzettelleser" und somit habe ich auch mit Tramal reichlich übertrieben. In der Klinik, vor 3 1/2 Jahren, bei einer Tramalentgiftung, hab ich mich dann doch gefragt, was ich eigentlich hier suchte. Die redetten alle nur vom Alkoholmissbrauch, aber nie von Medikamenten. "Das trifft ja auf nicht zu! Ich bin doch nicht Alkoholabhängig"! Bis ich mal richtig hinhörte. Was der Therapeut erzählte, schien, als erzähle er aus meinem Nähkästchen. Woher hat der nur alles gewußt. So 70 - 80% vom gehörten, trafen tatsächlich auf mich zu. Ja bin ich denn wirklich ein Alkoholiker??? :rolleyes:
    Heute weiss ich, ich bin kein Säufer mehr, denn ich trinke keinen Alkohol, aber ein Suchtabhängiger bin ich trotzdem. Eine starke Suchtverlagerung erbrachte schließlich ein Übergewicht von 225kg. Jetzt habe ich, unter ärztlicher Aufsicht, 36kg abgenommen, was vielleicht mein Leben rettete. Ich will es mit dem Abnehmen nun wirklich nicht übertreiben um nicht von einem Extrem ins andere zu fallen. Aber so um die 130 - 150kg wären gerade nach meinem Geschmack. Aber, wie gesagt, alles ist Ansichtsache. Und wenn ich mich, trotz einiger Blessuren, dann auch noch wohl fühle, so kann ich doch nicht´s anderes erwarten.


    Grüße, Joe K.

  • Auweia :eek:
    Aber schon hört sich die Geschichte ganz anders an als: "Nur das Übergewicht alleine ist schuld" :cool:


    Das Problem bei so ziemlich allen Arten von Krankheiten ist doch eigentlich immer die auf einen Punkt konzentrierte "retrospektive" Betrachtungsweise.


    Eine meiner Nachbarinnen (die Mutter eines meiner früheren Spielkameraden) war ihr ganzes Leben lang dünn und hat schon seit Jahren mit schwerer Osteoporose zu kämpfen. Die macht sich schon seit anfang an Vorwürfe, daß sie keine Milchprodukte mag - obwohl die Menge des verzehrten Calziums (außer man verzichtet ganz darauf, was wirklich extrem schwer wäre) nachweislich nicht das Knochenwachstum beeinflußt sondern dieses maßgeblich von der Fähigkeit des Stoffwechsels bestimmt wird, das gelieferte Calzium überhaupt erst einmal verwerten zu können.
    Aber sie macht sich halt Vorwürfe, weil es in den Medien ja "immer gesagt wird" und sogar die Apotheke hochdosiertes Calzium dafür anbietet und es ihr nur zu teuer war, es auch zu kaufen.


    Genauso geht es Menschen, die irgendwann einmal an Darmkrebs erkranken. "Ja, da werd ich wohl zu wenig Ballaststoffe gegessen haben. Ganz klar, denn hätte ich genug gegessen, hätte ich ja keine Krebs bekommen."


    Nichts als rückwirkend selbsterfüllende Prophezeiungen. Man muß immer das ganze Bild sehen.


    Michaela

  • An MeiersJulchen
    T´ja meine liebe, in meiner Geschichte, die ich damals als eine Rechtfertigung ansah, kann man eigentlich meine Verhaltensweise durchaus erkennen. Ich hab´s halt nur mal übertrieben und bin dadurch dick geworden. Die Herzerkrankung war nicht nur ein Produkt des reinen Dickseins. Nein, bei mir spielten einige Fakten eine große Rolle. Ich habe zu dieser Zeit einen stressigen Job erledigt. Abends nach Feierabend suchte ich den Auisgleich und fand ihn bei einer, manchmal auch mehr, Flasche Wein. Ich trank meistens bis zur "Bettschwere". Das nahm mir für den Augenblick die Alltagssorgen und ich konnte einigermassen gut einschlafen. Doch die Menge wurde langsam aber stetig gesteigert. Ich kann sagen, durch den Alkoholkonsum wurde ich dick aber auch Herzkrank. Das kommt eigentlich, wenn man sich einen sonstwas um seine Gesundheit schert. Und außerdsem waren da ja noch meinen sogenannten Freunde, die sich jetzt nicht mehr blicken lassen und auf die ich auch ganz gut verzichten kann. Aber man mußte ja schließlich "seinen Mann stehen". Ich kann meine Vergangenheit nicht ändern, aber ich kann an meiner Zukunft bauen, was ich auch gewillt bin zu tun. Nur schade, und das ist auch das einzige, daß ich meine Kinder nicht so ganz bewußt hab groß werden sehen. Dafür und auch für mein damaliges Verhalten hab ich mich bei meiner Familie entschuldigt. Ich mußte dies alles als gegeben hinnehmen. Hoffe ich hab noch einige Jahre zu leben um noch einiges zu erledigen und zu erleben.
    Gruß, Joe

  • Zum Kuckuck, warum geht mir ständig die olle Schmonzette (ich glaub aus irgendeiner Operette) durch den Kopf

    Glücklich ist, wer vergisst,
    was doch nicht zu ändern ist.......


    Zitat von Joe K

    Und außerdsem waren da ja noch meinen sogenannten Freunde, die sich jetzt nicht mehr blicken lassen und auf die ich auch ganz gut verzichten kann.



    aber es schmerzt, nicht wahr?
    Vorallem, die verlorene Zeit.


    Zitat

    Ich kann meine Vergangenheit nicht ändern, aber ich kann an meiner Zukunft bauen, was ich auch gewillt bin zu tun. Nur schade, und das ist auch das einzige, daß ich meine Kinder nicht so ganz bewußt hab groß werden sehen. Dafür und auch für mein damaliges Verhalten hab ich mich bei meiner Familie entschuldigt. Ich mußte dies alles als gegeben hinnehmen. Hoffe ich hab noch einige Jahre zu leben um noch einiges zu erledigen und zu erleben.
    Gruß, Joe



    Da teilst Du das das Los von so Vielen. Du hast "erkannt" und das ist wichtig.
    Nur setzt Dich nicht wieder unter Stress, indem Du meinst irgendetwas gut machen zu müssen.

    Bon chance
    toni

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!