Schicksalsschläge und Essstörung

  • Ich fühle mich zur Zeit wie gelähmt. Vor kurzem hat mich mein Freund verlassen (ohne Streit, ersichtlichen Anlass oder „Vorwarnung“) und wenig später erfahre ich, dass meine Mutter Krebs hat. Wenn so etwas Schlimmes passiert, kann ich meist zuerst gar nichts essen. Nach der ersten Schockphase esse ich dann wieder, aber irgendwie nur, damit ich was gegessen habe. Normalerweise halte ich gar nichts von Fertiggerichten und liebe es stattdessen, über den Markt zu schlendern, frische Sachen einzukaufen und was Schönes zu kochen. Aber momentan ernähre ich mich einfach furchtbar. Freud- und appetitlos stopfe ich mir irgendwas rein, hab keine Energie einzukaufen oder zu kochen. Mir ist dann auch völlig gleichgültig, ob mir die Sachen schmecken oder ich sie vertrage. Mir ist egal, ob ich davon Bauchschmerzen bekomme oder mir übel wird. Irgendwie fühlt sich auch alles beim Essen einfach nur staubig an und ich habe das Gefühl, jeden Bissen eine Ewigkeit kauen zu müssen, bis ich ihn runterschlucken kann. Und da ich das nicht zum ersten Mal durchmache, weiß ich auch schon jetzt ziemlich genau, was danach kommt. Wenn die Anspannung etwas nachlässt und ich beginne, mich mit der Situation abzufinden, dann kommen die Essanfälle. Die Angst vor einer Gewichtszunahme ist da jetzt zweitrangig, ich würde nur so gerne gut zu mir sein. Warum kann nicht wenigstens ich selbst mich gut behandeln, wenn es mir doch sowieso schon schlecht geht?
    Aber schon die momentane Situation belastet mich, in der ich zwar wenig esse, aber wirklich nur Schrott. Ich schaffe es einfach nicht, in den Supermarkt zu gehen und Zutaten für was Anständiges zu essen einzukaufen. Wie das dann erst wird, wenn ich Anfälle habe und statt wenig Schrott viel Schrott esse, will ich mir gar nicht ausmalen. Mir tut das körperlich überhaupt nicht gut und trotzdem kann ich nicht aufhören. Ich hatte das alles in letzter Zeit so gut und ohne Anstrengung im Griff und habe mich gefreut, dass ich mich selbst so respektvoll behandeln konnte und mein Körper wieder anfing, mir Hunger- und satt-Signale zu senden. Während es mir gut ging habe ich auch ernsthaft geglaubt, dass das nie wieder so kommen wird. Und von einem Tag auf den anderen ist plötzlich alles wieder daL. Das sollte jetzt nicht selbstmitleidig rüberkommen, ich weiß nur einfach nicht, wie ich da endlich ausbrechen kann. Wie wirken sich Schicksalsschläge auf eure Essstörung aus? Wie geht ihr damit um? Wo nehmt ihr die Kraft her, für euch zu sorgen? Ich bin gerade einfach nur überfordert.

  • ich selbst habe keine Essstörung und habe auch nie darunter gelitten. Allerdings habe ich seit ich im Forum bin, soviel darüber gelesen, dass ich mich da ganz gut hineinfühlen kann.


    Aber selbst als sogenannter normaler Esser leidet man bei Schicksalschlägen an Essstörungen, oft auch die Zigarette mehr oder die heimtücke Entspannung durch Alkohol.


    Ich habe meine Probleme immer gut weglaufen können, d.h. ich bin mit der U-Bahn, Straßenbahn bis zur Endstation gefahren und von da aus bin ich losmaschiert. Ich habe mir immer ein Ziel gesetzt und versucht das zu erreichen.
    Das bedeutete auch Vorbereitung z.B. die Strecke an Hand von Wanderkarten, Straßenplänen usw.zu erkunden. Ausflugslokale, wo man gut essen konnte oder eine gute Brotzeit mitnehmen.
    Das hat mich unter der Woche beschäftigt und abgelenkt. Ich bin nicht nur allein gelaufen, sondern habe mich auch Wandergruppen angeschlossen.
    Mein Vorschlag soll nur so eine Art Brainstorming sein, die anderen Betroffenen hier haben sicher noch bessere Ideen.
    Wichtig ist, dass Du für Dich selbst etwas Positives tust und das muss nicht immer das essen sein.
    Ich denke, möglichweise etwas naiv, dass das gute Essen automatisch folgt.

  • Für Toni mag das genau die richtiege Lösung sein gratoliere :)

    Also ich versuche mich dan in Arbeit zu stürtzen Aktenordner auszumisten
    Schränke aufreumen alles das tuhen was ich aus Faulheit schon immer verschoben habe !
    Aber auch ich bin nicht perfekt :o

  • Hallo oddity,
    du Arme, darf ich dich mal drücken?


    Ich kann deine Situation gut nachvollziehen: Da ist man gut dabei, das Essen klappt prima, und man fühlt sich unbesiegbar. Und dann kommt so ein Hammer, und alles geht durcheinander.


    Ich kann dir leider kein Patentrezept sagen. Für mich hab ich rausgefunden, daß nach einer Phase mit katastophalen Essen wieder eine kommt, in der es besser klappt. Im Moment hab ich das so für mich angenommen und es hilft mir, wenn ich in dunklen Löchern feststecke.


    Hast du denn keine Freundin, die sich deiner ein bißchen annehmen kann? Ihr könntet zum Beispiel zusammen kochen, oder sie lädt dich ein zu ihr, oder ihr geht in ein Restaurant.


    Hilfreich finde ich auch, sich zu bewegen, rauszugehen und sich was Gutes zu tun. Magst du gerne Tiere? Der Umgang mit ihnen ist auch Balsam für die Seele.


    Bist oder warst du denn in Therapie?


    Ich schick dir mal ein bißchen Sonnenschein ;),
    Artanis

  • Hallo ihr Lieben,


    danke schonmal für die Antworten.


    toni
    Laufen ist in der Tat keine schlechte Idee, ab und zu gehe ich z. B. von der Arbeit zu Fuß nach Hause. Obwohl ich die Natur eigentlich liebe, kann ich es zur Zeit nur in der Stadt ertragen, zu Fuß unterwegs zu sein. Alles was ruhig/beschaulich/idyllisch ist, verbinde ich gerade mit Einsamkeit.
    Du schreibst, dass man sich selbst etwas Gutes tun sollte und ich finde das keineswegs naiv. Das Problem ist nur, dass ich nicht die Kraft aufbringe, mir Gutes zu tun, sondern am Liebsten einfach nur schlafen würde. Momentan ist das Essen auch kein Trost, sondern notwendiges Übel. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.


    Artanis
    Ich habe wirklich sehr gute Freunde, darunter eine Freundin, die vor kurzem dasselbe durchgemacht hat (keine Essstörung, aber Mutter an Krebs erkrankt). Sie kümmert sich auch um mich und ist immer für mich da. Wenn ich nicht alleine bin, dann geht das auch mit dem Essen. Aber die meiste Zeit über bin ich natürlich trotzdem für mich selbst verantwortlich und es macht mich traurig und wütend, dass ich mir selbst so schade.
    Ich war vor einigen Jahren in Therapie und dachte ja eigentlich, dass ich alles soweit im Griff habe. Ehrlichgesagt glaube ich auch nicht, dass ich es besser hinkriegen kann, da ja alles klappt, so lange es mir gut geht. Wahrscheinlich ist es genau wie toni schrieb, dass auch "Normalesser" bei Schicksalsschlägen solche Probleme entwickeln. Ich habe nur so Angst, jetzt wieder in so eine Spirale hineinzugeraten. Und ich schwäche mich ja selbst durch die schlechte Ernährung und Resignation, obwohl ich gerade jetzt eigentlich viel Kraft bräuchte.

  • Ich glaube nicht, daß es wieder so schlimm wird, wie es einmal war mit der ES. Du bist sensiblisiert und auf der Hut, hast eine Therapie durchgemacht und warst, so wie ich dich verstanden habe, einige Zeit stabil. Das hier ist jetzt ein Tief, aus dem es auch wieder einen Weg heraus gibt!


    Hast du in deiner Therapie denn Strategien gegen Rückfälle gelernt? In meiner Therapie hieß das der Notfallkoffer *schmunzel*


    Vielleicht mußt du da auch einfach "nur durch", und dir Zeit geben. Zeit um traurig zu sein, und um wieder neuen Mut zu finden.

  • Liebe Artanis,


    danke nochmal für deine liebe Antwort. Meine Mama ist gestern operiert worden und es geht ihr soweit ganz gut. Da ich jetzt zu Hause bin, klappt es ganz gut mit dem Essen. Bin nicht allein und mein Papa und ich achten gegenseitig darauf, dass wir trotz allem etwas "Anständiges" essen bzw. kochen dann gemeinsam was, auch wenn der Appetit fehlt. Ich hoffe jetzt einfach, dass ich nicht völlig einknicke, wenn ich wieder alleine bin. Aber im Grunde genommen zählt gerade nur, dass meine Mama wieder gesund wird.

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