Dicke Stereotype

  • Hallo,


    Dicksein wird ja häufig mit bestimmten stereotypen Vorstellungen wie einer eher plumpen, unsensiblen, unkreativen Persönlichkeit verbunden. Gerade kürzlich meinte eine Freundin bei einer Autorenlesung, man würde dem feingliedrigen Schriftsteller seine Sensibilität und Intelligenz richtig anmerken. Mich machen solche Aussagen immer ein bisschen wehmütig, obwohl ich mir nichts anmerken lasse.


    Einerseits kann ich mich in den gängigen Dickenklischees überhaupt nicht identifizieren, wehre mich auch dagegen. Andererseits befürchte ich oft, ihnen doch genau zu entsprechen und das mir selbst gegenüber nur nicht zugeben zu wollen.


    Kennt jemand von Euch ähnliche ambivalente Gedanken, und geht es Euch, wenn die Rede auf derartige Klischees kommt (egal ob über "plumpe" Dicke oder "feinsinnige" Schlanke) auch immer so schlecht?


    Viele Grüße,


    Kimmie

  • Hi Kimmie,


    wo ich immer ko**** könnte, ist die Vorstellung von den gemütlichen geselligen Dicken. Diese Harmonie-Plakette, die ich auch schon oft umgehängt bekommen hab, bevor mich die Leute kennen, finde ich ganz übel.
    Die nivilliert alle Charaktereigenschaften zu einem glatten klebrigen Haferbrei und macht einen genauso interessant wie dieses Produkt *Grrrr*.


    Ja, das Gegenstück dazu ist wohl eine interessante, kreative QuerdenkerIn, und das wird eher selten mit Dicken in Verbindung gedacht, obwohl ich viele Dicke genauso erlebe.


    Wahrscheinlich kommt der Gedanke an gemütlich schon von "träge".
    Das "Feinsinnige", das du beschreibst, wird in Gedanken sicher auf den Körperbau übertragen - wobei dicke Körper seeeehr feinsinnig sein können- , der von vielen Menschen als plump angesehen wird.


    Da kann ich nur fragen:
    Können die weichen, sanften Linien einer dicken Frau oder eines Mannes "plump" sein?
    Sollten wir nicht vielmehr stolz darauf sein, dass diese Linien gleichzeitig noch Kraft und Power in sich vereinen?...


    ....und diese Botschaft mit erhobenem Haupt unter den Teilen der Gesellschaft bringen, die uns als plump, gemütlich und träge ansehen??


    Jesse

  • Also ich finde das Dickenklischee "Dicke sind gutmütig" schrecklich, vor allem weil ich mich jahrzehntelang nicht getraut hab, nicht gutmütig zu sein, weil das von mir erwartet wurde. Auch heute noch kämpfe ich dagegen an, und versuche mein Temperament und auch manchmal meine schlechte Laune zu sehr zu unterdrücken.


    Ich höre auch oft den Satz, sie sind immer so fröhlich (wird als angenehm empfunden), bin mir aber nicht sicher, ob die Leute das mit meinem Dicksein in Zusammenhang bringen.

  • wenn solche klischees auf den tisch kommen, fühle ich mich nicht ge-/oder be-troffen. denn ich weiss, daß es eher umgekehrt ist. übergewichtige menschen haben eher ZU viele sensoren und antennen, deswegen schützen sich auch viele durch ihren umfang(abstandshalter) vor den vielen eindrücken, die auf sie einstürmen.


    ich kenne genug schlanke menschen, die noch nicht mal merken würden, wenn sie vor eine wand rennen und die sich gefühls technisch benehmen wie die axt im walde.


    Stöpsel

  • Diese "Dickenklischees" find ich auch furchtbar. Am schlimmsten find ich das, dass Dicke angeblich faul sind und nicht arbeiten können. Krieg ich ständig zu spüren in der Arbeit.
    Aber auch das mit der "Mauer" ist ein Klischee wie Tenshi schon sagte. Wir müssen also aufpassen, dass wir uns da nicht selbst in irgendwelche Schubladen stecken. Wobei ich zugeben muß, dass es auf mich schon zutrifft. Grad gestern ist es mir wieder passiert, dass ich vor lauter Verzweiflung gegessen hab, um den Schmerz nicht mehr zu spüren. Und das Schlimme ist - es hilft :(


    Was Kreativität, Sensibilität und ähnliches angeht, das hängt doch nun wirklich nicht von der Körperfülle ab. Wer sowas wirklich denkt, stellt sich damit nur selbst ein Armutszeugnis aus.
    Darcy

  • Etwas OT, aber trotzdem:

    Zitat

    Grad gestern ist es mir wieder passiert, dass ich vor lauter Verzweiflung gegessen hab, um den Schmerz nicht mehr zu spüren. Und das Schlimme ist - es hilft

    Vorsicht, Darcy - es hilft nicht auf Dauer! Und es ist schwer, wieder damit aufzuhören.


    LG
    Pandora - auch "Benutzerin" des Essens

  • hi ihrs,


    Zitat

    ich kenne genug schlanke menschen, die noch nicht mal merken würden, wenn sie vor eine wand rennen und die sich gefühls technisch benehmen wie die axt im walde.

    jaja, das kenne ich auch!!!


    zu den klischees: also ich bin groß und dick. schlußendlich bin ich natürlich auch belastbarer als andere, mich kann nix umhauen, quasi der fels in der brandung. nun wenn das mal immer so stimmen würde! :(


    aber das gibts ja überall, blond = blöd, fällt mir da noch ein.


    gruß katja

  • Mir stinkt das Klischee von den trägen, unbeweglichen, faulen, "gemütlichen" und ruhigen Dicken schon lange.


    Ich bin eine Zweizenterfrau mit viel Temperament, Elan, Energie und spitzer Zunge. Ich bin hellwach, geistig und körperlich rege und nicht halb so träge wie viele Schlanke, die ich kenne. Ich trete energisch und selbstbewußt auf und kann fürchterlich fauchen, wenn mir was nicht paßt. Und im Job habe ich schon immer in 40 Stunden mehr getan als so manche KollegInnen in 80.


    So bin ich nun mal, und ich hoffe sehr, daß es dazu beiträgt, das Klischeedenken mancher Menschen zu verändern.

  • Zitat

    Was Kreativität, Sensibilität und ähnliches angeht, das hängt doch nun wirklich nicht von der Körperfülle ab

    das habe ich so verallgemeinert auch nicht geschrieben. ich habe gesagt, daß übergewichtige vermehrt sehr sensibel sind und ihren umfang als pufferzone nutzen damit nicht alles auf sie einstürzt.


    und ein klische ist es ganz sicher nicht, daß viele durch ihr übergewicht sichtbar nach außen eine trennung oder abgrenzung zu anderen schaffen, weil es ihnen geistig nicht gelingt grenzen zu setzen.


    Stöpsel

  • Das Dicke immer schwitzen und stinken ist auch so ein fieses Vorurteil.


    Was wirklich nervt ist, dass es immer heisst Dicke Männer hätten kleine Penisse ...

  • Klischees sind dazu da, sich nicht darunter zu beugen.


    Besondere Gutmütigkeit - weiß nicht ob mir das jemand bescheinigen würde. Aufmüpfig war ich ja schon immer, meine ganze Kindheit eher unterdrückt weil ja von einem Mädchen was anderes erwartet wird.... aber dick wurde ich erst später. Hat vielleicht damit zu tun - sei brav und gib nicht ständig Widerrede, iß nicht soviel - und heute tue ich das Gegenteil????


    Gestern abend habe ich aus Frust zuviel gegessen, aber das fühlt sich nicht wirkich gut an - bin dann noch um 21 Uhr eine halbe Stunde mit meinem Freund spazieren gegangen und habe meinen ganzen Frust dann verbal losgelassen - das hilft besser.


    Dicksein als Schutzpanzer - das wirkt schon ein wenig, aber nicht nur als Schutzpanzer z.B. gegen männliche Anmache. Sondern leider auch mit dem Gegenteil der Klischees wie dick=unbeweglich/unsportlich oder dick=unsensibel/unempfindlich.


    Ich hasse Klischees, aber pflege genaugenommen auch meine: Besonders dünne und zugleich farblose Menschen empfinde ich als krank - muß aber nicht in jedem Fall so sein, oder?


    Gruß
    Ulrike

  • Zitat

    Und im Job habe ich schon immer in 40 Stunden mehr getan als so manche KollegInnen in 80.

    Dieser Satz von Rascha hat mich ziemlich nachdenklich gemacht. Mir geht es da recht ähnlich. Ich habe auch sehr viel Power, bin alles andere als faul und gemütlich schon dreimal nicht. Aber ich arbeite definitiv härter als viele (schlanke) KollegInnen. Ist es deswegen, weil ich dick bin? Muß ich mich deshalb mehr beweisen, alles schneller und zu 150 % erledigen, um so den "Makel" des Dickseins auszugleichen? Ich glaube, da könnte - für mich - etwas dran sein, leider.


    LG
    Pandora

    [ 26-05-2004, 08:57: Beitrag editiert von: pandora1966 ]

  • Pandora,
    da ist gewiß was dran am "Mehrarbeiten", damit man eben diesem Klischee entkommt, dass Dicke gleich faul wären. Geht mir auch so.


    Was dieses gefährliche Essen aus Verzweiflung angeht - mir ist durchaus bewußt, aber ich kann nicht, absolut gar nichts dagegen tun.
    Ich kanns ja mal schildern, wie das abging:
    Schatz und ich hatten nen Streit, eigentlich war schon den ganzen Tag miese Stimmung. Und ich hatte den ganzen Tag das Gefühl, ich müsse was essen. Hab es aber immer wieder versucht zu unterdrücken.
    Dann der Streit - und ohne dass ich es will, steh ich auf, geh in die Küche und mach mir was zu essen.
    Danach gings mir zum Einen besser, ich fühlte mich etwas "wärmer", der Streit machte mir nicht mehr so viel aus, andererseits hatte ich natürlich das übliche schlechte Gewissen, dass hier wahrscheinlich einige auch kennen.
    Na ja, ist wohl jetzt bissel OT, sollte es lieber bei den Eßstörungen reinschreiben.
    Darcy

  • Klischees können einem entsetzlich auf die Nerven gehen. Dass Dicke ihr Fett als Schutzpanzer brauchen finde ich allerdings ein genauso übles Klischee wie alle anderen: Es gibt auch Dünne, die sich schlecht abgrenzen können - die haben dann eben andere "Fluchttendenzen" als Dicke.


    Es gibt eben Dünne und Dicke mit und ohne Probleme. Warum kann man das denn nicht einfach mal so hinnehmen? Warum muss in jede Äusserung, jedes Merkmal, jede Augenfälligkeit gleich etwas hineingedeutelt werden?


    Pandora, wenn du dünn wärst und viel arbeiten würdest, wärst du einfach ehrgeizig. Jetzt überlegst du, ob du mehr arbeitest, weil du dick bist....Überleg doch mal selbst, ob das unbedingt so sein muss.


    Ich plädiere eigentlich dafür, dass wir alle uns endlich so hin- und annehmen, wie wir sind. Das trägt wohl am allermeisten zur Ent-Klischetierung bei
    hofft
    southern belle

    [ 26-05-2004, 10:45: Beitrag editiert von: southern-belle ]

  • moechte mich southern-belle anschließen.


    ich war schon immer temperamentvoll und habe sehr zügig und engagiert gearbeitet. mit normalgewicht und mit extremem uebergewicht. ich bin einfach tuechtig.


    aber das nachdenken darueber hat mich daran erinnert, wie eine freundin, die mich nur mit uebergewicht kennt, meinte: du bist gar keine richtige dicke, du bist ja total speedy, du bist keine dicke.


    sie hat es sicher nett gemeint, aber ihre aussage macht nur klar, dass dieses klischee der traegen faulen dicken schon leicht zu haben ist.
    ich habs schon in einem anderen thread empfohlen, aber der ist irgendwie untergegangen:
    schaut euch "echte frauen haben kurven" an, wenn der film bei euch laeuft. die hauptdarstellerin ist ein energiegeladenes 18 jaehriges maedchen, ein erfrischender charmanter film. das maedchen ist wie einige andere darstellerinnen ueppig und es steht ihr ausgezeichnet. thema des filmes ist, dass frau zu sich stehen und fuer ihre ziele kaempfen soll - ohne sich verbiegen zu lassen.

  • rita und Southern Belle - natürlich gelten meine Gedankengänge nur für mich, nicht daß Ihr mich jetzt falsch versteht. Auch, als ich für einige Jahre mal schlank war, habe ich geackert. Aber vielleicht nur deshalb, weil das schon so in mir drin war, dieses Denken. :(

    Zitat

    Ich plädiere eigentlich dafür, dass wir alle uns endlich so hin- und annehmen, wie wir sind. Das trägt wohl am allermeisten zur Ent-Klischetierung bei

    Völlig richtig! Nur ist dieser Weg ein langer und mühsamer - und ich bin doch noch ziemlich am Anfang, scheint mir. Aber ich gehe nach vorne und (noch viel wichtiger) ich nehme vieles wahr, was ich früher nur geschluckt habe - im wahrsten Sinne des Wortes. :rolleyes:


    Muß noch ein wenig drüber grübeln.


    Liebe Grüße
    Pandora

  • Pandora, bitte verstehe mich da nicht falsch - ich habe mich nie wie blöd "reingekniet", um viel zu schaffen, sondern habe in meinem völlig normalen Tempo ohne jegliche Anstrengung weit mehr geschafft als viele trägere KollegInnen. Das war bei mir schon immer so, ob nun in der Schule, der Ausbildung oder im Job.


    Den Teufel würde ich tun, doppelt so schwer zu arbeiten, bloß um als Dicke anerkannt zu werden!

  • Nein, nein, Rascha - das war nur für mich ein Anstoß, mal über meinen doofen Perfektionismus nachzudenken, der mir manchmal doch ganz schön im Weg steht. Ich hab dich schon verstanden. :)


    LG
    Pandora

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