Hallo liebe Forengemeinde,
ich habe mich lange Zeit von hier fern gehalten. Nicht, weil ich mich hier nicht mehr wohl gefühlt habe, sondern weil ich viel mit mir und Krankheit zu kämpfen hatte. So langsam bin ich allerdings auf dem Weg der Besserung und hab mich auch mal wieder hier durchgelesen. Viele werden sich wohl nicht mehr an mich erinnern, war ich doch eher stille Beobachterin des Geschehens. Heute kamen mir - während ich im Auto vor dem Bauhaus aus meine bessere Hälfte gewartet habe - einige Gedanken zu mir, meiner Essstörung, meiner Zu- und Abnahmen, die ich hier einfach mal aufschreiben wollte. In der Hoffnung auf Austausch und neue Blickwinkeln. Doch fangen wir am Besten vorne an.
Mittlerweile 30 habe ich doch Zeit meines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen. An die ersten Diäten in meinem Leben kann ich mich nur noch dunkel erinnern. Ich weiß jedoch noch, dass meine Mum mich bereits mit Obsttagen gefolter hat, da ging ich noch in den Kindergarten. Mit elf Jahren hatte ich eine stattliche Länge von 170 cm erreicht (wer weiß, wie groß ich geworden wäre, hätte ich nicht früh angefangen zu rauchen *schäm*) und schleppte eine unnatürliche Menge an Kilos mit mir rum ... 70 an der Zahl.
Viel zu viel. Die Alarmglocken läuteten und das viel zu dicke Kind kam in die Kur ... sechs Wochen lang. Auf mein Heimweh wurde mit Beruhigungsspritzen reagiert. Auf Allergien (z.B. auf das Solebad) mit 'Pausieren bis die Allergiezeichen weg sind und dann die ausgesetzten Sitzungen nachholen'. Das Essen war mehr als mies. Ich glaube, seit dem hab ich ein Trauma bezüglich Kurkliniken und Krankenhäusern.
Ich möchte noch einwerfen, dass ich keineswegs ein faules Kind war. Ich war im Turn- und Schwimmverein und in meiner Freizeit gurkte ich am Liebsten mit dem Fahrrad durch den Ort. Weit von einer Stubenhockerin entfernt.
Jedenfalls ging es mir vor diesem Kuraufenthalt um Einiges besser als hinterher. Mein Kreislauf spielte komplett verrückt. Plötzlich klappte ich mitten im Unterricht zusammen, viel zu niedgriger Blutdruck, Konzentrationsstörungen, etc. Erst als ich die verlorenen Kilos langsam wieder drauf bekam, ging es mir wieder besser. Der niedrige Blutdruck blieb zwar, aber ich kippte nicht mehr ständig um.
Mit meiner Erfahrung von heute hätte ich vermutlich damals schon die Notbremse gezogen. Als 12-jährige begreift man den Zusammenhang jedoch noch nicht wirklich. In meinem Kopf waren die Verknüpfungen von "Du bist dick - Du bist so nicht richtig" schon gesetzt. In der Pubertät angekommen, hatte mein Gewicht den Verlauf einer Achterbahn. Mit 14 Jahren (173 cm, ** Kilo und viel zu frühreif ...) fühlte ich mich fett und ausgeschlossen. Hungerkuren folgten. Teilweise am Tag nur 300-500 Kilokalorien zu mir genommen. So ging das Gewicht immer auf und ab, leider mehr auf als ab. Mit 16 war ich dann schon bei ca. ** Kilo angelangt, mit 20 dann bei **. Nach der letzten Crashdiät mit 21 kriegte sich mein Körper gar nicht mehr ein und die Spirale ging auf *** Kilo. oO ...
Kurze Zeit später nahm ich erneut eine Gewichtsreduktion in Angriff. "Erfolgreich" halbierte ich mein Gewicht innerhalb von zwei-einhalb Jahren und war stolz. Ich war zwar nicht glücklich und auch hatten sich meine Probleme nicht, wie erhofft, in Luft aufgelöst, aber ich war stolz. Ein ganzes Jahr hielt ich mein Gewicht zwischen ** und ** Kilo. Doch plötzlich ging es wieder nach oben. Langsam, aber stetig. Ich versuchte, dagegen an zu steuern in dem ich fleißig weiter Punkte zählte, doch nichts passierte. Verzeihung, natürlich passierte etwas. Aber nicht in die Richtung, die ich wollte. So ging es, ich muss überlegen, drei oder vier Jahre lang. Mein Gewicht schlich sich wieder nach oben. Plus 10 Kilo mehr. Ich habe in diesen vier Jahren nicht einen Tag aufgehört, dagegen zu steuern. Es gelang mir nicht.
Sättigungsgefühl hatte ich schon lange nicht mehr. Habe nur meine vorgefertigten Portionen gegessen. Nie mehr gemacht aus Angst, eine Heißhungerattacke zu bekommen. Weiter alles gefuttert, was als gesund galt und sämtliche Alarmzeichen meines Körpers ignoriert.
Ab dieser Stelle kriege ich vermutlich die richtige chronolgische Reihenfolge nicht mehr hin. Ich versuche mein Bestes, aber man möge es mir verzeihen, sollte es nicht so gut klappen. Irgendwann lud meine Mutter mich bei sich zum Essen ein. Entgegen der Meinung, sie würde "gesund und ausgewogen Kochen" (könnte man ja eventuell denken, da sie sich ja immer so um mein Gewicht gesorgt hat) kam bei ihr immer nur fettreich auf den Tisch. Diesen Tag gab es Spaghetti mit Tomatensoße. Noch erträglich. Zwar Halb/Halb statt Tartar und das auch noch in Öl angebraten, aber ok ... esse ich halt den Rest des Tages nichts mehr. Ich ging also runter , aß einen (!!!) Teller und war pappensatt. Völlig konfus, weil ich das Gefühl nicht mehr kannte, fing ich an zu grübeln. Ich hatte diese komische Erfahrung dann auch mal hier veröffentlicht um über ein paar Aspekte zu diskutieren ('Nehmen wir an, ich würde von der fettarmen Variante so viel essen, bis ich satt bin, würde ich dann nicht summa sumarum mehr Kcal zu mir nehmen, als mit der normalen?') Dort brachte mich MJulchen auf die Idee, doch mal aufzuschreiben, was ich alles so esse und zu schauen, wie viel Kcal und Fett ich eigentlich wirklich zu mir nehme. Das Ergebnis war schon erstaunlich. Ich habe einige Wochen über aufgeschrieben, was ich gegessen hatte und es am Ende ausgerechnet. Ich kam im Durchschnitt auf 1.500 Kcal und 15 g Fett am Tag. Ok ... nach gängiger Meinung von sämtlichen (selbsternannten) Ernährungsspezialisten hätte ich also ab- statt zunehmen müssen. Und trotzdem ging das Gewicht nach oben. Und - mal Hand aufs Herz - da hätte auch ruhig mal ein BK- oder MC-Besuch drinne sein können ohne dass das Gewicht gleich wieder explosionsartig ansteigt. Solche "Exzesse" hab ich mir allerdings immer versagt.
Ungefähr zeitgleich trennte ich mich von meinem Mann und begab mich in eine neue Beziehung. Mit einem Kerl, der mit gesunder Ernährung so gar nichts am Hut hat. Ich dachte mir, da es ja eh völlig egal zu sein scheint, was ich mache, genieße ich die Zeit einfach mal. Auch kulinarisch. Und seine Tortellini in Sahne-Sauce sind ein Gedicht. Auf die möchte ich nicht mehr verzichten, egal wie viele Kcal da drin stecken. Wer jetzt denkt, er weiß, wie das weitergangen ist, den muss ich enttäuschen. Zu meiner Überraschung ist mein Gewicht seitdem stabil. Es geht nicht mehr nach oben. Ganz im Gegenteil, neulich musste ich feststellen, dass es sich nach unten bewegt. Zwar gaaaaanz langsam, aber nach unten. Und das, obwohl ich zu Burger King gehe, gegen ein paniertes Schnitzel so gar nichts einzuwenden habe, Süßigkeiten nicht mehr verschmähe, etc.
Wenn ich Lust auf einen Burger habe, dann hole ich mir einen. Wenn ich Lust habe, 'n Kilo Tomaten zu verputzen, dann tu ich das. Hab ich Japp auf 'ne Tafel Schokolade, dann esse ich sie. Wenn ich das Verlangen nach einem großen Pott Obstsalat habe, dann schnippel ich ihn mir zusammen. Ich gebe zu, etwas muss ich den Fettkonsum im Auge behalten, aber nicht, weil mein Gewicht darunter leidet, sondern mein Körper wohl aufgrund einer entfernten Gallenblase nicht mehr mit klar kommt. Das jedenfalls die Theorie meiner Ärztin, nachdem sämtliche Untersuchungen ohne Befund waren.
Wenn ich jetzt wieder langsam anfange, meine Kondition wieder aufzubauen (die unter einer längeren Krankheit etwas gelitten hat), dann würd ich sagen, geht es mir wieder gut. Ich bin mit mir und meinem Essen im Reinen. Meine Fressgelüste haben fast vollständig aufgehört. Naja, während meiner weiblichen Unpässlichkeit tauchen sie immer noch hin und wieder auf, aber das sind die Hormone. Und meinen Kummer ertränk ich auch nicht mehr in Kalorien, was aber vermutlich auch mit meinem Partner zu tun hat.
Ich glaube, ich habe wieder ein normales Verhältnis zu meinem Körper und dem Inhalt meines Kühlschrankes aufgebaut. Rückfälle sind zwar nicht auszuschließen, gerade, weil ich psychisch mit mir noch nicht im Reinen bin. Was aber doch augenscheinlich weniger mit meinem Gewicht zu tun hat, als ich immer dachte.
Hat eigentlich schonmal jemand die Erfahrung gemacht, dass der Körper bezüglich seines "Setpoints" irgendwann wieder von alleine gesundet, wenn man ihn nur "in Ruhe lässt"?
Was ich mit meinem Beitrag genau erreichen möchte, weiß ich ehrlich gesagt noch gar nicht. Vielleicht kristallisiert sich das heraus, sollte es zu einem Gedankenaustausch kommen. Was ich jedoch für mich festgestellt habe ist: Auf seinen Körper zu hören kann gesünder sein, als auf die Stimmen die einen mit der für alle stimmigen gesunden Ernährung voll predigen.