Es hätte so schön sein können....

  • Hallo,

    ich bin gerade dabei, eine schwierige Sache zu verdauen.

    Ich hatte immer ein sehr gespanntes Verhältnis zu meinem Vater. Nichts konnte ich ihm Recht machen, alles, was ich erreichte, war selbstverständlich. Das ich zu dick bin und hässlich und nix Wert bekam ich leider auch oft zu hören (dabei war er selbst immer dick!). Das hat mich ganz schön fertig gemacht. Heute bin ich 28, aber bis vor kurzem wurde ich immer wie ein Kind von ihm behandelt. Er sprach mir das Recht ab, eine eigene Meinung zu haben. Wenn ich ihm nicht zustimmte, dann habe ich keinen Respekt vor ihm gehabt, schließlich sei er ja mein Vater! Und schon gab es wieder Ärger. Zig mal riss der Kontakt für einige Monate komplett ab. Es war echt furchtbar.

    Dann der Schlag: bei meinem Vater wurde im Oktober 2005 Krebs diagnostiziert. Unheilbarer Krebs. Er war gerade mal 49 Jahre alt. Ab diesem Zeitpunkt war alles anders. Er sagte mir das erste mal seit ich denken kann, dass er mich liebt. Und das er stolz ist auf mich. Und er gab zu, daß er viel falsch mit mir gemacht hat und das es ihm leid tut. Plötzlich war alles so schön. Doch genießen konnte ich es nicht. Viel zu wütend war ich auf die vielen Jahre, die wir verschenkt haben. Im Januar ist er gestorben. Ich komm da immer noch nicht mit klar. Es ging alles so schnell. Ich vermisse ihn so.

    Warum haben wir die Zeit nicht besser genutzt?

    Das musste ich mir jetzt mal von der Seele schreiben.
    Danke fürs "zuhören".

    Flummie :(

  • Oh man flummi mein beileid!
    Ja so ist das am ende sind die fragen immer da! es ist mega unfair das man sich mit solchen fragen quälen muss aber das wird schon

    *Knuddel* die Tinka

  • Hallo Flummi!
    Mein Vater ist vor einem Jahr an Krebs gestoreben,ganz schlimm war das.
    Nun bin ich aber selber schon 45 jahre alt und habe auch so ein gespanntes Verhältnis zu ihm gehabt,ich war oft nur seiner Meinung,damit es nicht schon wieder Zoff gibt.Habe innerlich nach Liebe und Anerkennung gehechelt.Ich war immer anders,ob Möbel(ich Kiefer,meine Eltern Eiche,Garten-ich ganz viel Pflanzen und meine Eltern alles akkurat)Darüber wurde oft sehr zynisch geredet,ich war oft sehr traurig und sauer.Ja,und nun ist er weg,mein Vater,OHNE Ausprache,die ich mir so sehr wünschte...
    Und man glaubt es kaum,er fehlt mir soooo!
    Ich träume sehr oft von ihm,daß er wieder gesund ist und wir uns super verstehen,das ist dann morgens total schrecklich.
    Manchmal denke ich,ich werde noch verrückt...
    Ich glaube,es wird nie richtig gut,es wird mit der Zeit nur anders.

  • ..sei dankbar, daß er Dir noch sagen konnte, was ihn bewegt....wie Du hier liest, haben nicht alle dieses Glück.

    Natürlich ist es sehr sehr traurig, aber versuche es positiv zu sehen. In welcher Erinnerung hättest Du Deinen Vater heute, wenn er Dir das nicht noch gesagt hätte?


  • Liebe Flummi,


    herzliches Beileid zu Deinem Verlust!
    Ich bin 27 Jahre alt, mein Vater lebt und wir habe sehr ähnliche Probleme, wie ihr sie hattet. Daher kann ich nachfühlen, wie es Dir jetzt gehen muss.


    Ich habe beruflich lange mit Menschen gearbeitet, die gerade einen lieben Menschen verloren haben. Aus dieser Erfahrung heraus möchte ich Dir etwas sagen: Du kannst Dich mit Deinem Vater und mit Eurer Beziehung auch jetzt noch aussöhnen. Dazu ist es nie zu spät! Und auch jetzt brauchst Du Dich für Deine Gefühle nicht zu schämen, auch wenn Du sie vielleicht als unpassend (wie z. B. Deine Wut) empfinden solltest.


    Aber ich finde es wunderbar, dass er so mutig war, seine Fehler einzugestehen und Dir zu sagen, was er empfindet!
    Das wird für Dich ein langer Weg für den ich Dir viel Kraft und Mut wünsche!


    Mit lieben Grüßen



  • Hallo Gitti,
    vielen Dank für Deine lieben Worte. Und auch Dir mein herzlichstes Beileid. Ja, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann kann ich natürlich wirklich glücklich sein, dass wir uns noch aussprechen konnten.
    Dieses "anders sein" kenne ich sehr gut. Ich war auch immer anders und musste wohl "vom Postboten sein". Das hab ich nicht nur einmal gehört. Vieles nur um des Friedens willen zu tun, war bei uns auch so üblich. Auch meine Mutter hielt immer zu ihm - um des Friedens willen. Nur keine Stellung zu mir beziehen, auch wenn sie mich oft im Recht sah. Eltern haben manchmal sicher überhaupt keine Vorstellung davon, was sie mit solchen Dingen kaputt machen können...
    Ich träume auch oft von meinem Dad. Jedesmal wache ich heulend auf. Es ist alles so unbegreiflich.
    Das sich unser Leben so sehr ähnelt... heftig. Ich wünsche Dir alles Gute, vielleicht schreiben wir uns ja mal wieder.
    Liebe Grüße,
    Flummi

  • Schneehase: Ja, Du hast Recht. Jedoch bringt Vernunft in diesem Falle bisher noch nicht viel.





    Hallo dancing,
    danke auch Dir für Deine Worte.
    Besonders gefiel mir der Satz, daß ich mich nicht für meine Gefähle schämen soll. Denn genau das tue ich. Ich hab kurz nach dem Tod meines Vaters angefangen, meine Beziehung zu meinem Vater aufzuarbeiten (in der Therapie). Ich musste dann einfach auch meine Mutter damit konfrontieren. Das war natürlich ein denkbar schlechter Zeitpunkt, das liess meine Mutter mich auch wissen. Aber ich musste das einfach loswerden, so schlecht ich mich dabei auch gefühlt habe. Da kamen wirklich Hassgefühle in mir hoch, gleichzeitig aber quollen die Tränen nur so aus mir raus, weil ich ihn so vermisste. Und weil ich ihn so liebe. Mein ganzes Leben habe ich gedacht, ich wäre nur eine Last für ihn, denn so hat er mich behandelt. Ich habe mich immer gefragt, was ich ihm wohl getan habe und ob er nicht merkt, wie sehr er mir mit dieser Ablehnung wehtut. Es tut wirklich weh, sich mit diesen ganzen Gefühlen auseinanderzusetzen. Aber es muss sein, und es tut irgendwie auch sehr gut, dies alles hier aufzuschreiben.

    Ich wünsche Dir und Deinem Vater, dass ihr zueinander findet. Ich weiß, wie schwer das ist, aber ich drücke Dir ganz doll die Daumen!

    Liebe Grüße
    Flummie

  • Hallo Flummie!

    Auch von mir mein herzliches Beileid verbunden mit den besten Wünschen, dass Du die Kraft finden mögest, das Geschehene wie das Nicht-Geschehene zu verarbeiten.
    Ich selber habe etwas bedingt vergleichbares mit meiner Mutter erlebt: Als ich vier war, erkrankte sie an Multipler Sklerose, was unser beider Leben zerstörte. An den Folgen für meine Psyche arbeite ich heute noch; vor 10 Jahren wäre ich am liebsten tot gewesen, ich habe zu der Zeit den Kontakt mit ihr abgebrochen. 2001 haben wir wieder "zusammengefunden", damals war sie zwar körperlich schon am Ende, aber geistig noch voll auf der Höhe. Jedoch haben wir es beide unterlassen, uns über unsere gemeinsame Geschichte auszutauschen - ich meinte, sie ob ihres Zustandes schonen zu müssen, aber letztlich wollte ich wohl auch mich schonen. Nachdem ihr Zustand lange Zeit konstant (schlecht) blieb, hat dann 2004 blitzschnell der geistige Abbau stattgefunden und nach nicht einmal drei Monaten war sie für immer fort. Die Fragen, die ich noch hatte (aber immer nur meinen Psychotherapeuten gestellt habe :( ) werden nun nie mehr beantwortet. Nichtsdestotrotz muss ich mich ihnen noch stellen - in den letzten zwei Jahren konnte ich dieses durch meinen Wiedereinstieg ins Berufsleben vermeiden, der alle meine Energien band.
    So, nun habe ich hier genug Dööntjes vertellt :)

    Gruß
    Jochen

  • Das ist ja irgendwie der Hammer,wie sich manche Sachen gleichen!


    Meine Mutter hat dann immer zu mir gesagt,daß mein Vater es nicht so meint,wenn er wieder mal "so" war.Aber-um Himmels willen-wenn ich zu jemandem sage,er ist ein A...,dann meine ich es doch auch so.Das habe ich nie verstanden.Er hat auch wochenlang als Kind nicht mit mir geredet,das war am Schlimmsten!Immer wurde ich an meine Figur erinnert,mit 73 kilo war ich doch nie dick!!!Ja,das Leben kann einem ganz schön zusetzen.
    Ich habe auch schon mal an eine Therapie gedacht,doch da ist so viel,ich wüßte gar nicht,wo ich anfangen sollte.
    Ps.Man kann sich denken,warum dieses Forum,denn allen kummer und Trauer kompensiere ich leider mit Essen.
    Flummi(wat fürn süßer Name übrigens:) )würde mich freuen,wieder von Dir zu hören,wie es Dir so geht.

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