Herbeigeredete Essstörungen?

  • Zitat

    Als ich das erste Mal auf diese Seiten gestoßen bin, habe ich ein Wochenende lang nur vor dem PC gesessen und alles mögliche gelesen, war zutiefst berührt. Und plötzlich wurde mir klar – ich habe eine Essstörung.


    Das ist ein Satz aus einem anderen Posting dieses Bereichs.

    In einem weiteren Posting, das ich jetzt aber nicht wiedergefunden habe, hat eine Userin fast bedauernd geschrieben, dass mehrere (!) Fachleute ihre nach ihrer Meinung auf alle Fälle vorliegende Essstörung nicht anerkennen.

    Das hat mir sehr zu denken gegeben. Wegen einem Beitrag hab ich gestern nach Definitionen für "Essstörung" gegoogelt und Erklärungen dafür gefunden, die meiner Meinung nach heutzutage auf bestimmt drei Viertel der Bevölkerung zutreffen.

    Nun sitz ich hier und frage mich: "Wollen" manche von euch sowas haben? Ein nicht-ideales Essverhalten, von mir aus auch "gestört" im Vergleich zu üblicherweise als "gesund" geltendem Essen, haben doch in unserer Gesellschaft ganz viele. Ich habe bis vor kurzem mit dem Begriff Essstörung einen psychisch bedingten Fehl(Miss)brauch (mir fiel kein besseres Wort ein) von Essen verbunden: jemand der durch Erlebnisse auf einem Gebiet abseits der Nahrungsaufnahme bedingte/benötigte Funktionen/Ziele durch Essen erreicht - Schutzpanzer nach außen, Kompensation, Selbstbestrafung usw. Um diese Störung zu behandeln muss daher den woanders liegenden Ursachen auf den Grund gegangen werden. Dafür bräuchte es meist eine Psychotherapie, in der dies alles aufgearbeitet wird. So meine bisherige Meinung.

    Jetzt lese ich aber hier, dass der Begriff "essgestört" auf vielerlei Essverhalten angewendet wird, sofern dieses Essverhalten zu Übergewicht (und fallweise das Gegenteil) geführt hat oder führen kann. Es wird wild durch die Gegend diagnostiziert, an sich selbst und an denen, die hier ihre Geschichte erzählen. Es werden einerseits Therapien empfohlen, andererseits werden Therapeuten wegen einer Erwähnung in einem Post als "unfähig" erklärt und den Betroffenen sofort der Wechsel angeraten. Und das von zumeist Nicht-Fachleuten.

    Manche scheinen froh zu sein, endlich eine Erklärung dafür zu haben, dass Essen bei Ihnen eben anders ausschaut als im Werbefernsehen. Einfach nur zuviel essen oder/und falsch essen (nach dem allgemein "üblichen" Wissen über Ernährung) ist - nach Meinung einiger hier - nur bei einem geringeren Anteil der Dicken (das Gegenteil von "oft") der Grund, denn für dieses zuviel und falsch essen ist bestimmt eine Essstörung verantwortlich. Es scheint mir fast ein hier bei diesen "manchen" ein "gesellschaftlich nicht/weniger anerkanntes" Übergewicht zu sein, denn mangelnde Essens-Disziplin oder Beherrschung, großer Appetit, fehlende Bereitschaft sich immer wieder bewusst mit Essen auseinanderzusetzen, Faulheit in Bezug auf die Essenszubereitung, Bequemlichkeit, zu wenig Bewegung und ähnliche Gründe werden konsequent ins Reich der Vorurteile "argumentiert" oder gar völlig abgestritten.

    Ich möchte hier niemandem zu nahe treten, der wirklich durch massive Erlebnisse in der persönlichen Historie zu Essen ein gestörtes Verhältnis entwickelt hat, aber wird hier nicht etwas zu oft dieser Begriff strapaziert? Und was ich persönlich noch viel fragwürdiger ansehe, wird hier (manchen) Leuten mit ganz normalem Leben und üblichen Problemen, die aus den vorgenannten Gründen dick sind, suggeriert, dass sie irgendwo massive psychische Probleme haben müssen, denn schließlich gibt es ein "normales" zuviel essen ja gar nicht.

    Ich bin dick aus all den Gründen, die ich zwei Absätze weiter oben beschrieben habe. Es gibt keinerlei Missbrauch oder Misshandlung in meiner Geschichte. Wahrscheinlich gibt es in meiner Familie eine "Neigung" zu Übergewicht, denn ich bin nicht die einzige. Nach den Definitionen die ich gefunden habe, bin ich essgestört (im Sinne von Nichtwahrnehmen eines Sättigungsgefühls), aber ich sehe mich absolut nicht so bzw. halte ich meine Psyche innerhalb der Toleranzen für "normal" (ohne Behandlungsbedarf). Bin ich hier Angehörige einer Minorität?
    Kann mich jemand verstehen oder bin ich absolut daneben mit meinen Gedanken?

    Malaga


    PS: Organische Gründe für Übergewicht hab ich hier bewusst nicht erwähnt, die gibt es natürlich auch.

  • ich bin auf diese seiten eigentlich aus neugier gekommen und habe bis dahin geglaubt, daß ES Bulimie oder Magersucht bedeutet.
    Da bin ich sicher nicht die einzige, und ich denke, das die größte Schwierigkeit das NichtWissen ist. Die meisten wissen vielleicht gar nicht, was eine ES bedeutet. Oder ging es nur mir so??


    Bei mir hat es hier auch "klick" gemacht und ich habe endlich einen Namen dafür gehabt!


    Obwohl ich schon meine, daß man nach einem viel zu üppigen Mittagessen den folgenden Eisbecher definitiv unter "Lecker" und nicht unter ES verbuchen MUSS... ;)

  • Zitat von hasenfloh


    Obwohl ich schon meine, daß man nach einem viel zu üppigen Mittagessen den folgenden Eisbecher definitiv unter "Lecker" und nicht unter ES verbuchen MUSS... ;)



    blöd!!!!
    also gar nicht auf die idee kommen kann, daß DAS eine ES ist.
    besser?? :rolleyes:

  • Ja - ich verstehe Deine Zweifel. Ich habe sie in Bezug auf meine eigene Person auch, aber ich weiß auch, dass ich mit dem Essen nicht normal umgehe. Und zwar aus Gründen, die nicht nur Genuss sind, sondern ein innerer Drang.
    Ich bin völlige Anfängerin auf diesem Gebiet und versuche einzuordnen wo ich bin, und wie mein Verhalten in Bezug auf Essen einzuordnen ist.

    Ich habe Sättigungsgefühle, ich esse normal in Gesellschaft (nicht weil ich mich zügel, sondern weil ich nicht auf mehr Lust habe).
    Aber ich weiß, dass ich mir einen Panzer zugelegt habe, damit ich einen Grund habe, mich nicht auf Männer emotional einlasen zu müssen, denn mit einer Dicken wollen sie eh keine Beziehung.
    Ich weiß auch, dass ich, wenn ich einsam bin, esse. Ebenfalls weiß ich, dass ich nicht undiszipliniert bin (zumindest in vielen Bereichen meines Lebens), aber dies gegenüber Nahrung einfach nicht in denGriff kriege.

    Es ist sehr schwer, dieses unglaublich große Gebiet für sich einzugrenzen - mag sein, dass es für manche eine Ausrede ist. Aber es ist einfach ein Weg und eine neue Variante sich mit dem "Problem" Übergewicht auseinander zu setzen. Eine Möglichkeit, die man nie vorher in Betracht gezogen hat.

    Und man muss es für sich entscheiden - da spielt die Meinung von "Fachleuten", die dieser Problematik manchmal nicht im geringsten zugänglich sind, weil sie einfach nur Verachtung für diese "undisziplierten" Dicken empfinden, nicht immer eine maßgebliche Rolle.
    Denn auch den Fachleuten muss man kritisch gegenüber stehen, denn sie agieren auch manchmal nur aus einem sehr begrenzten Horizont heraus.

    Aber ich gebe Dir Recht, die Eigendiagnose "Essstörung" ist durchaus kritisch zubetrachten - vielleicht ist sie ja auch eine willkommene Entschuldigung für vieles, und man hat seine Antwort, ohne jedoch weiter zu fragen.

    Ich kenne aber auch das Gefühl, ein "aha"-Erlebnis zu haben, wenn man auf diese Seiten kommt. Wenn man die Problematiken anderer Menschen liest und sich und seine eigenen Verhaltensweisen wieder erkennt.

    Was es ist - wenn man das Thema Essstörung einmal für sich entdeckt hat, sollte man sie weiter überdenken - egal zu welchem Ziel sie führt.

    Es ist ein heikler Punkt den Du angsprochen hat - aber wenn man sich reinhört, wird man irgendwann herausfinden, was daran ist. Bei manchen geht es schnell, bei anderen eben nicht...

    Aber das ist ein Teil des Weges, den wir gehen müssen...

  • Hallo Malaga!

    Zitat

    "Wollen" manche von euch sowas haben?


    NEIN!!!! Ich will nicht essgestört sein! Ich würde gerne meinen Körper akzeptieren können oder nicht zwanghaft essen müssen, wenn ich mit einer Situation nicht klar komme. Es wäre mir tausendmal lieber, wenn ich mein massives Übergewicht auf mein unkontrolliertes und undiszipliniertes Essverhalten schieben könnte, anstatt mich mit den Ursachen meiner ES auseinandersetzen zu müssen. Denn meine ES ist eine Antwort auf Erlebnisse in meinem Leben.

    Zitat

    Ich möchte hier niemandem zu nahe treten, der wirklich durch massive Erlebnisse in der persönlichen Historie zu Essen ein gestörtes Verhältnis entwickelt hat, aber wird hier nicht etwas zu oft dieser Begriff strapaziert?


    Wie definierst Du massiv? Ist ein Missbrauch, der "nur" einmal passiert ist, noch zu ertragen, erst wenn er öfter passiert ist, taugt er als Begründung für eine ES? Ich weiss, dass das gerade ein bisschen aggressiv und überspitzt rüber kommt, aber die Empfindungen, die ein Mensch hat, sind sehr unterschiedlich. Manche Menschen zerbrechen an Dingen, mit denen andere noch spielend klar kommen. Ich verwahre mich gegen eine Einschätzung von außen, ob die Gründe, die meine ES hervorgerufen haben, in den Augen anderer ausreichend sind. Für mich war es die einzige Möglichkeit, mit meinen Erlebnissen umzugehen.

    Für mich beginnt eine ES an der Stelle, an der ich Essen zwanghaft einsetze, um mich mit meinen Empfindungen nicht auseinandersetzen zu müssen. Ich habe in einem anderen Thread mal eine Definition eingestellt, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verwendet wird. Darin wird z.B. das wiederholte, ja regelmäßige Auftreten von Fressanfällen als ein Indikator genannt. Sicher greifen viele Menschen zur Schokolade, wenn es ihnen mal schlecht geht. Sie tun es aber nicht immer. Ich gebe Dir mal einen Einblick in mein Leben. Ich esse, wenn ich einsam bin, wenn ich wütend bin, wenn mich jemand verletzt hat, aus Frust, aus Trauer usw., aber auch um mir etwas gutes zu tun, um mich zu belohnen. Für mich sind sehr viele Gefühle in meinem Leben mit Essen verbunden, weil ich mir nicht erlaube, sie auszuleben. Ich könnte damit jemanden vor den Kopf stossen, der könnte mich nicht mögen, und erkennen, dass ich nicht liebenswert bin. All das ging und geht mir in regelmäßigen Abständen durch den Kopf. Dazu kommt, dass es wenig an meinem Körper gibt, das ich schön finde oder wenigstens akzeptieren kann.

    Zitat

    Manche scheinen froh zu sein, endlich eine Erklärung dafür zu haben, dass Essen bei Ihnen eben anders ausschaut als im Werbefernsehen.


    Ja, ich bin froh eine Erklärung zu haben. Wie das Essen im Werbefernsehen ausschaut, ist mir dabei völlig egal. Es geht mir nicht darum, das ideale Essverhalten zu erlangen, in dem ich mich nach der Ernährungspyramide ernähre, sondern darum ein normales (nicht zwanghaftes) Essverhalten zu erlangen. Das habe ich sehr viele Jahre versucht. Erst mit Diät, was verständlicherweise nicht funktioniert hat, dann mit Ernährungsumstellung. Ich habe mir sogar gelegentlich was Süsses erlaubt. Trotzdem kam es immer wieder zu Fressanfällen, die gefolgt waren von massiven Schuldgefühlen und dem Gefühl, versagt zu haben, weil ich es mal wieder nicht lassen konnte. Ich wusste nicht, warum ich es nicht schaffte. Bis ich dann eines Tages eine Definition von Esssucht gelesen habe. Da fielen mir sprichwörtlich die Schuppen von den Augen. Endlich hatte ich eine Erklärung, warum ich bislang so oft versagt hatte. Ich war froh zu wissen, dass ich eine ES habe, was aber nicht heissen soll, dass ich sie gerne habe. Denn das Wissen ist leider nur der erste und leider auch der einfachste Schritt.

    Zitat

    Es scheint mir fast ein hier bei diesen "manchen" ein "gesellschaftlich nicht/weniger anerkanntes" Übergewicht zu sein, denn mangelnde Essens-Disziplin oder Beherrschung, großer Appetit, fehlende Bereitschaft sich immer wieder bewusst mit Essen auseinanderzusetzen, Faulheit in Bezug auf die Essenszubereitung, Bequemlichkeit, zu wenig Bewegung und ähnliche Gründe werden konsequent ins Reich der Vorurteile "argumentiert" oder gar völlig abgestritten.


    Ich streite nicht ab, dass auch ich viele dieser Essgewohnheiten aufweise. Aber ich besteite, dass Übergewicht in Folge einer ES gesellschaftlich anerkannter ist. Was weiss die Gesellschaft denn über Esssucht? Sehr, sehr wenig. Für die allermeisten Menschen ist es nicht nachvollziehbar, dass man auf seine Gefühle mit Essen reagiert. Ich habe mittlerweile schon so vielen Menschen versucht, das zu erklären. Die Antworten reichten von "das ist doch Blödsinn, reiss Dich halt zusammen" bis hin zu wohlwollenderen Aussagen. Aber selbst die können nicht verstehen, warum ich das tue.

    Ich will garnicht so tun, als ob es nicht auch eingebildete Essgestörte gäbe. Ich denke aber, dass viele noch auf der Suche sind, nach einer Erklärung für ihr Übergewicht oder ihre gescheiterten Abnehmversuche. Nicht alle sind essgestört. Trotzdem kann es nicht schaden, darüber nachzudenken, ob man es ist. Denn von alleine verschwindet die Krankheit nicht. Da ist es mir lieber hier ein paar "Eingebildete" mitzunehmen als die wirklich Kranken zurückzulassen, weil diese sich nicht zuzugestehen trauen, krank zu sein.

    Liebe Malaga, ich weiss, dass ich mit den "Manchen" nicht gemeint war. Trotzdem finde ich es nicht gut, dass Du als Nichtbetroffene versuchst zu beurteilen, wer essgestört ist und wer nicht. Die, die es sicher wissen, wirst Du damit nicht "bekehren". Es könnte aber sein, dass Du einige noch Zweifelnde davon abbringst, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Leider gibt es hier immer wieder Menschen, die sich nicht zugestehen können, dass sie essgestört sind. Die abzuschrecken, wäre aus meiner Sicht fatal, denn allzuoft ist dieses Forum der erste und einzige Anlaufpunkt.

    So, ich könnte zwar noch viel mehr schreiben über den Wunsch nach Aufmerksamkeit, die Angst vor Einsamkeit oder den unterbewussten Wunsch, dick zu sein, alles Dinge, die meine ES begleiten. Aber das soll es erstmal gewesen sein. Reicht ja auch ;0)

    LG Kugelfischchen

  • Hallo Malaga,


    du schreibst:

    Zitat

    In einem weiteren Posting, das ich jetzt aber nicht wiedergefunden habe, hat eine Userin fast bedauernd geschrieben, dass mehrere (!) Fachleute ihre nach ihrer Meinung auf alle Fälle vorliegende Essstörung nicht anerkennen.


    Ich schätze dabei kann es sich um meine Geschichte handeln, denn bei mir wird immer wieder gesagt: nein sie sind nicht Essgestört - und warum wird das gesagt? - ganz einfach weil es "NORMAL" sein soll, das ein Mensch mit Übergewicht sich ständig nur Gedanken darüber macht, die Essen in bezug zu "dürfen/nicht dürfen" setzen.
    Einige Beispiele die bei mir eigentlich ständig im Kopf sind und die bei mir wenn ich "nicht Übergewichtig wäre" als ESS-Störung bezeichnet würden, aber aufgrund meines Übergewichtes "normal sein sollen":
    -----
    meine Gedanken:
    "darf ich dieses oder jenes überhaupt essen?"
    - "darf ich überhaupt essen - oder muss ich meinen Körper nicht mit Nahrungsverzicht dazu zwingen ab zu nehmen?"
    - "Hilfe ich hab ein kilo zugenommen, ich muss jetzt fasten/hungern um es wieder los zu werden"
    - "hilfe ich hab mehr als die mir erlaubten ****calorien zu mir genommen - warum auch immer - ich muss meinen Körper zwingen sie wieder los zu werden indem ich: Erbreche oder Abführmittel nehm oder exzessiven Sport mache oder eben einige Tage hungere"
    meine Taten:
    Ich jeden Tag 3-10 mal auf die Waage stellen und dabei peinlichste genau aufpassen das bei zunahme sofortige "gegenmaßnahmen" eingeleitet werden.
    Ich mein Essen peinlichst genau überwache, mir niemals spontanes Essen erlaube, sondern immer erst nach den im Kopf durchgerechneten Kalorientabellen genau die Menge zu essen die ich für "akzeptabel" halte.
    Ich mein aufkommendes Hungergefühl oder gar Heißhunger als etwas ekelhaftes betrachte das ich bekämpfen muss und für das ich mich selbst (meinen Körper) bestrafen muss, wenn ich nicht die Kraft aufbringe es zu ignorieren.
    Ich Kalorientabelllen und Fettgehaltsstufen beim Einkauf automatisch beachte da ich sie ja eh auswendig gelernt im Kopf habe und mir niemals etwas erlaube das gegen die "Vorschriften" (zuviel Calorien/Fettgehalt) verstößt.
    Ich nach Alpträumen und Flashbacks nur noch Ekel für meinen Körper empfinde und mit dem "Drang ihn dafür zu Bestrafen" kämpfe.
    -------------
    all dies soll "normal"(keine Ess-Störung) sein, nur weil ich "übergewichtig" bin?


    und nein es hat nichts mit Bedauern "nicht als Ess-Gestört zu gelten, nichts 'besonderes zu sein' - das möchte ich gar nicht sein, ich wäre lieber unauffällig-normal" zu tun, ich wünschte ich würde es schaffen "normal" mit Essen und meinem Gewicht umgehen zu können, ich wünschte ich könnte meinen Körper so akzeptieren wie er ist - und JA ich arbeite alleine daran, weil ich eben die Erfahrung machen musste das es Nirgends ernst genommen wird.
    Aber ich wünschte mir schon, das mich die Fachleute da ernst nehmen würden, das ich die "fachliche Hilfe" bekommen könnte um diese Probleme besser Bewältigen zu können.


    ich hoffe das ich mit meinen Zeilen ein wenig Erklären konnte warum ich mich weigere zu Akzeptieren das ich laut der "Fachleute" als "nicht Essgestört" gelte...und auch warum ich auf die "Vorurteile" die leider immer wieder als "Standart" hingestellt werden so allergisch Reagiere, denn bei mir treffen sie nunmal "nicht" zu aber ich muss mit ihnen leben.


    Liebe Grüße,
    Cailly

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich lese die Disskusion nun schon länger mit. Ich bin trotz sehr hohem Gewicht nicht essgestört. Vor ca. 10 Jahren war ich in einer Gruppe der annonymen Esssüchtigen in Wesel. Meine Probleme sind auf einer anderen Ebene. Mit Hilfe dieser Gruppe habe ich aber gelernt mich so anzunehmen wie ich bin und alle Diäten fast sofort am Anfang wieder aufgegeben. Dick sein Kann etwas mit ESS zu tun haben muss aber nicht.
    Gruß Mechtild

  • Zitat von Kugelfischchen

    Trotzdem finde ich es nicht gut, dass Du als Nichtbetroffene versuchst zu beurteilen, wer essgestört ist und wer nicht.

    Hallo Kugelfischchen,

    deine Zeilen haben mich sehr berührt. Nichts liegt mir ferner, als Menschen die so kämpfen (oder erst auf dem Weg dahin sind) irgendwie zu diskreditieren. Ich selbst bin absolut nicht kompetent zu beurteilen, wer eine Essstörung hat und wer nicht. Es tut mir leid, wenn das so rübergekommen ist.

    Nun noch zwei Erklärungen:

    Zitat

    Wie definierst Du massiv?

    Natürlich nicht über eine Zahl. Massiv ist etwas für mich, das diesen Menschen persönlich (und daher subjektiv empfunden) immer und immer wieder über Jahre (oder über das ganze Leben) beschäftigt und starke/extreme Auswirkungen auf das Leben und die Lebensqualität hat.

    Zitat

    Es scheint mir fast ein hier bei diesen "manchen" ein "gesellschaftlich nicht/weniger anerkanntes" Übergewicht zu sein...

    Mit "hier" war DDS gemeint. Als ich anfangs hier gelesen habe, war ich zutiefst betroffen von den ersten Geschichten über Essstörungen. Diese Betroffenheit ist immer noch da, was mich aber ein wenig "verstört" ist die Tatsache, dass manche für mich (subjektiv empfunden!) durch das permanente Wiederholen, dass es ja viele gäbe, die nicht einfach nur zuviel essen aus Disziplinlosigkeit usw. sondern eine Essstörung haben, die Wertung von außen auch hier herein getragen haben. Einfach nur ein undisziplinierter verfressener (man verzeihe mir die Polemik) Bewegungsmuffel zu sein, ist selbst hier WÄH... nönönö, DAS wollen manche wirklich nicht sein.
    Brauche ich denn einen "guten" Grund für mein Übergewicht? Brauch ich den sogar hier bei DDS? Werden auch hier die Gründe für das Übergewicht nach gut und schlecht unterteilt?
    Die Diskussion darüber, dass es natürlich mehrere Gründe für Übergewicht gibt, das persönliche Suchen nach dem Grund für die/den Einzelne/n, nach einer Erklärung, das erwarte ich hier auf einer Plattform wie DDS. Aber ich (subjektiv) erwarte hier nicht, permanent (so empfinde ich es) wieder gesagt zu bekommen, dass der Grund für MEIN Übergewicht etwas ist, das selbst hier nicht einfach "hingenommen" (im Sinne von kein Thema sein) wird. Nein, mir wird auch hier dauernd gezeigt, dass "mein" Grund einer ist, den die anderen nicht haben, sogar froh sind ihn nicht zu haben, der als Vorurteil hingestellt wird, der durch das dauernde Wiederholen "Aber nein, so ist es ja nicht, es gibt ja schließlich andere Gründe..." mir sagt, dass ich sogar hier bei DDS scheinbar verschämt den Schwanz einziehen muss (wieder Polemik), weil ich einfach nur gern und viel esse.

    Wenn mein Posting Zweifelnde davon abbringt, ihre eigene Erklärung zu suchen, tut mir das zutiefst leid und ich gestehe, dass ich an das nicht gedacht habe. Das Auseinandersetzen mit Geschehnissen, die die Lebensqualität extrem einschränken, sollte jede/r in Angriff nehmen, ich hoffe sehr, dass dieser Thread nicht dazu führt, dass sich jemand nicht auf diesen Weg macht. Danke Kugelfischchen für deinen Beitrag, besonders weil damit die Relativierung meiner Worte gelungen ist.

    Cailly, deine Geschichte war tatsächlich Hintergrund der zitierten Bemerkung. Wenn dir das Posten hier hilft, ist das eine wunderbare Sache. Ich bezweifle aber, dass hier der richtige Ort ist, um eine fundierte Diagnose für dein Leben und deine Probleme zu bekommen. Die hier aufgrund von einem oder ein paar Postings geäußerte "Ja, du hast eine Essstörung!"-Bemerkung empfinde ich nach wie vor als extrem unseriös und gefährlich. (Ich hoffe, Kugelfischchen ist "gnädig" mit mir und sieht das nicht als eine weitere Bemerkung, die Essstörungs-Betroffene davon abhält, sich auf den Weg zu machen.)

    LG, Malaga

  • Kompliment Malaga, dass Du den Mut hast dieses Thema zur Diskussion zu stellen. Ich bin seit einem Jahr hier im Forum und weiss, dass dieses Thema ein "heisses Eisen" ist. Die Diskussionen darüber wurden ja häufig sehr hitzig geführt.

    Dabei wäre es vielleicht garnicht nötig, denn das ist ein Forum für Dicke und nicht ausschliesslich für Essgestörte. Ich selbst bin eindeutig nicht essgestört und musste mich in den vergangen Monaten erst peu a peu in die Problematik Essstörung hineindenken und versuchen zu verstehen. Ich habe bis heute so manchesmal Schwierigkeiten die angegebenen Gründe einer Essstörung nachzuvollziehen. Sicher eine Trauma wie z.B. Missbrauch (auch einmaliger) oder Misshandlungen in der Kindheit sind unbedingt zu akzeptierende Gründe, aber bei einem nicht leergegessenen Teller oder aber auch Nahrungsverweigerung habe ich schon Schwierigkeiten. Denn, meine Eltern haben mich ja auch oft wegen meines Essverhalten gerügt, erst war ich eine schlechte Esserin dann als Teenager war ich nicht satt zu kriegen. Natürlich fühlte ich mich auch durch diverese Verbote meiner Eltern sanktioniert und fühlte mich ständig missverstanden.

    Deshalb habe ich mir oft bei dem Mitlesen der Beiträge überlegt, ob hier einfach eine übergrosse Sensibilität und die Unfähigkeit Widerstand zu leisten der Grund sein könnte.

    Mit dieser Prognose möchte ich hier niemanden verletzen und sie mag ja auch falsch sein, wäre aber schön, wenn sich daraus eine angenehme Diskussion entwicken könnte. Ich möchte jedenfalls dazulernen und verstehen

    toni

  • Moin Ihrs,


    wow am frühen Morgen so viele Postings :)


    zuerstmal @ Malaga:
    du schreibst:

    Zitat

    Cailly, deine Geschichte war tatsächlich Hintergrund der zitierten Bemerkung. Wenn dir das Posten hier hilft, ist das eine wunderbare Sache. Ich bezweifle aber, dass hier der richtige Ort ist, um eine fundierte Diagnose für dein Leben und deine Probleme zu bekommen. Die hier aufgrund von einem oder ein paar Postings geäußerte "Ja, du hast eine Essstörung!"-Bemerkung empfinde ich nach wie vor als extrem unseriös und gefährlich.


    Eine "fundierte Diagnose" - ich denke die werde ich nirgendwo bekommen - leider, denn dort wo sie angebracht war/wäre bekomme ich sie nicht, weil ich dort "Nicht ernst genommen werde".
    Ergo muss ich ohne dies zurechtkommen.
    Was ich mir hier jedoch über das Posten, über den Austausch mit anderen Betroffenen erhoffe sind eben Anregungen zu den Fragen und Problemen die ich nunmal tatsächlich habe - egal ob ich nun eine "diagnose -ES" habe oder nicht.


    @ Toni:
    du schreibst:

    Zitat

    Deshalb habe ich mir oft bei dem Mitlesen der Beiträge überlegt, ob hier einfach eine übergrosse Sensibilität und die Unfähigkeit Widerstand zu leisten der Grund sein könnte.


    Ja ich denke das spielt auch eine Rolle wie Sensibel Jemand ist, wie viel Wiederstand Jemand gegen "Übergriffe" aufbringen kann.


    Aber genauso spielt es oft eine Rolle wie man gelernt hat mit "Übergriffen" um zu gehen, jemand der z.B. als Kind gelernt hat "Übergriffe hin zu nehmen" - weil jeder Wiederstand im Keim erstickt wurde - wird da immer mehr Probleme mit haben, wie jemand der gelernt hat "ich darf mich gegen Übergriffe wehren ohne das mir Schlimmes passiert".


    Nachdenkliche Grüße,
    Cailly

  • Ich gebe in diesem Kontext zu bedenken, dass sich hier in unserem Forum wohl der "bewußtere Teil" der Dicken tummelt - diejenigen, die sich aktiv mit den Konflikten, die ihnen durch ihr Sosein entstehen auseinandersetzen.


    Ich bin dick, weil ich mein Übergewicht nicht runterbekomme, obwohl die Ursache für meine Leibesfülle im September schon 17 Jahre ad acta gelegt ist. Ich habe 13 Jahre darauf gewartet, schwanger zu werden, habe mich dick gegessen, weil ich, wenn ich schon nicht schwanger werde, wenigstens den schweren Leib einer Schwangeren gespürt haben wollte.


    Die Signale meines Körpers bzgl. Sättigung und Hunger funktionieren ganz gut. Essen - vor allen Dingen leckeres Essen - ist mir eine Freude und ein Genuß, wichtiger Bestandteil meiner Freude am Leben!


    stübbken

  • Zitat von Malaga

    Einfach nur ein undisziplinierter verfressener (man verzeihe mir die Polemik) Bewegungsmuffel zu sein, ist selbst hier WÄH... nönönö, DAS wollen manche wirklich nicht sein.
    Brauche ich denn einen "guten" Grund für mein Übergewicht


    Hallo Malaga,


    ganz sicher brauchst Du keinen "guten Grund" für Dein Übergewicht. Aber vielleicht hast Du dann eben auch nicht so viele Gründe, über die Entstehung Deines Gewichtes zu schreiben, sondern legst Deinen Schwerpunkt in andere Bereiche. Wenn dann hauptsächlich nur diejenigen schreiben, die die "guten Gründe" ;) haben kann dann auch der Eindruck entstehen, hier wären die meisten entweder essgestört oder aufgrund von körperlichen Krankheiten dick geworden.


    Schöne Grüße
    Andrea :)

  • Zitat von toni

    Ich habe bis heute so manchesmal Schwierigkeiten die angegebenen Gründe einer Essstörung nachzuvollziehen. Sicher eine Trauma wie z.B. Missbrauch (auch einmaliger) oder Misshandlungen in der Kindheit sind unbedingt zu akzeptierende Gründe, aber bei einem nicht leergegessenen Teller oder aber auch Nahrungsverweigerung habe ich schon Schwierigkeiten. Denn, meine Eltern haben mich ja auch oft wegen meines Essverhalten gerügt, erst war ich eine schlechte Esserin dann als Teenager war ich nicht satt zu kriegen. Natürlich fühlte ich mich auch durch diverese Verbote meiner Eltern sanktioniert und fühlte mich ständig missverstanden.

    Deshalb habe ich mir oft bei dem Mitlesen der Beiträge überlegt, ob hier einfach eine übergrosse Sensibilität und die Unfähigkeit Widerstand zu leisten der Grund sein könnte.


    Hallo Toni,


    es hat sicher auch damit zu tun, wie man Dinge, die man erlebt hat , verarbeiten kann. Es werden ja auch nicht alle als Erwachsene gewalttätig, die als Kinder geschlagen worden sind.


    Dazu kommt, dass ich zum Beispiel, wenn ich mal einen Beitrag hier im ES-Bereich schreibe, meistens nicht so sehr ins Detail gehe, dass man meine ganze Geschichte nachvollziehen kann. Insofern kann es vielleicht auch nicht jede/r verstehen. Damit kann ich aber leben. ;)


    Schöne Grüße
    Andrea :)

  • es spricht doch für dieses forum und den bereich essstörung, wenn jemand anhand anderer postings beginnt über sich selbst nachzudenken.


    es ist aber falsch sich eine selbstdiagnose zu stellen und sich diese dann als ausrede für übergewicht und falsches essberhalten parat zu legen.


    wenn man glaubt eine essstörung zu haben, dann gibt es genug stellen die einem helfen und dann wird auch klar ob es eine essstörung ist oder nicht.

  • Zitat von frankman

    es ist aber falsch sich eine selbstdiagnose zu stellen und sich diese dann als ausrede für übergewicht und falsches essberhalten parat zu legen.


    wenn man glaubt eine essstörung zu haben, dann gibt es genug stellen die einem helfen und dann wird auch klar ob es eine essstörung ist oder nicht.


    ich denke schon, daß es viele gibt, die erst denken " ja das ist es!"
    und später feststellen, es ist doch keine ES.


    ich hoffe ehrlich gesagt auch darauf, denn ich mache doch lieber "nur" fehler und habe eben KEINE krankheit... :rolleyes:


    dahinter steckt doch keine böse absicht, oder??


    grüssle vom floh

  • also ich bin froh gewesen, als man bei mir eine essstörung diagnostiziert wurde. da ich mit meinem extremen übergewicht sehr unglücklich war. ohne diese diagnose hätte ich nicht die kostenzusagen von krankenkasse und bfa erhalten. und hätte nicht zwei mal in eine klinik gehen können um etwas an mir und vor allem an meinem essverhalten zu ändern.

  • Zitat von Malaga

    Die Diskussion darüber, dass es natürlich mehrere Gründe für Übergewicht gibt, das persönliche Suchen nach dem Grund für die/den Einzelne/n, nach einer Erklärung, das erwarte ich hier auf einer Plattform wie DDS. Aber ich (subjektiv) erwarte hier nicht, permanent (so empfinde ich es) wieder gesagt zu bekommen, dass der Grund für MEIN Übergewicht etwas ist, das selbst hier nicht einfach "hingenommen" (im Sinne von kein Thema sein) wird. Nein, mir wird auch hier dauernd gezeigt, dass "mein" Grund einer ist, den die anderen nicht haben, sogar froh sind ihn nicht zu haben, der als Vorurteil hingestellt wird, der durch das dauernde Wiederholen "Aber nein, so ist es ja nicht, es gibt ja schließlich andere Gründe..." mir sagt, dass ich sogar hier bei DDS scheinbar verschämt den Schwanz einziehen muss (wieder Polemik), weil ich einfach nur gern und viel esse.


    Natürlich kannst Du erwarten, dass Du hier im Forum mit Deinem Übergewicht und den Gründen dafür so akzeptiert wirst, wie Du halt bist. Das erwarte ich auch. Ich schätze mal, dass Dir die zitierten Sätze von Menschen an der Kopf geworfen wurden, die ihr Essen nicht so geniessen können, wie Du es scheinbar kannst. Ich persönlich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass Du einfach nur gerne und viel isst. Bei mir ist damit soviel Zwang verbunden, dass ich Schwierigkeiten habe zu sehen, dass es auch anders sein kann. Und ich denke mal, ich bin da nicht die Einzige. Wer sein Essen durchweg oder zumindestens häufig als zwanghaft erlebt, sich keinen Genuss zugesteht, sucht ständig nach dahinterliegenden Gründen, zuerst bei sich, aber leider auch bei anderen. Ich gebe Dir Recht, dass das hier bei DdS nicht passieren sollte. Hier sollten alle Variationen nebeneinander existieren können und sich gegenseitig befruchten. Mir für meinen Teil hat es auch schon gut getan, öfter mal zu lesen, dass man mit Übergewicht gut leben kann, dass es Menschen gibt, die damit klar kommen. Etwas, was mir lange unvorstellbar erschien.

    Zitat von toni

    Deshalb habe ich mir oft bei dem Mitlesen der Beiträge überlegt, ob hier einfach eine übergrosse Sensibilität und die Unfähigkeit Widerstand zu leisten der Grund sein könnte.


    Sicher bin ich in einigen Bereichen sensibler als andere Menschen, weniger fähig, Widerstand zu leisten. Aber das hat seine Gründe. Sicher wird kaum jemand bezweifeln, dass Missbrauch oder Misshandlung als Gründe nachvollziehbar sind. Aber es gibt auch weniger spektakuläre. Nicht jede Person, die essgestört ist, hatte eine traurige Kindheit oder ein schlechtes Elternhaus. Es gibt nach meiner Erfahrung (Selbsthilfegruppe) sehr viele Ursachen dafür, Essen als Ausweg zu benutzen. Manche sind für Nichtbetroffene leichter zu verstehen, andere gar nicht. Ich kann auch nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die sich besaufen müssen, um mit dem Leben klar zu kommen. Wichtig finde ich aber, dass alle Gründe akzeptiert und nicht beurteilt werden. Es darf keinen Wettbewerb um die schlimmsten Erfahrungen oder die größte Berechtigung zur Essstörung geben. Das hilft niemandem.

    Zitat von Malaga

    Die hier aufgrund von einem oder ein paar Postings geäußerte "Ja, du hast eine Essstörung!"-Bemerkung empfinde ich nach wie vor als extrem unseriös und gefährlich. (Ich hoffe, Kugelfischchen ist "gnädig" mit mir und sieht das nicht als eine weitere Bemerkung, die Essstörungs-Betroffene davon abhält, sich auf den Weg zu machen.)


    Ja, ich bin gnädig, denn ich finde es auch nicht besonders gut, wenn direkte Diagnosen der oben zitierten Art gestellt werden. Ich hoffe inständig, ich habe nicht mal sowas geschrieben. Ich will gar nicht leugnen, dass ich, wenn ich hier ein Posting lese, dass mich stark an meine eigene Situation erinnert, ganz schnell den Gedanken "Ah, auch essgestört!" im Kopf habe. Ich musste und durfte allerdings auch schon die Erfahrung machen, daneben zu liegen. Alles, was ich eigentlich tun kann, ist zu antworten, indem ich von meiner Geschichte erzähle. Darüber hinaus habe ich an anderer Stelle die Definition von Esssucht (der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) angegeben, die mir vor Augen geführt hat, dass ich eine ES habe. Was die Leute mit diesen Informationen machen, liegt außerhalb meiner Verantwortung. Urteile wie "Du bist essgestört." meide ich, auch weil ich glaube, dass eine betroffene Person das selbst erkennen muss.

    LG Kugelfischchen

  • [QUOTE=Cailly

    'Hilfe ich hab ein kilo zugenommen, ich muss jetzt fasten/hungern um es wieder los zu werden'
    - 'hilfe ich hab mehr als die mir erlaubten ****calorien zu mir genommen - Ich jeden Tag 3-10 mal auf die Waage stellen und dabei peinlichste genau aufpassen das bei zunahme sofortige 'gegenmaßnahmen' eingeleitet werden.
    Ich mein Essen peinlichst genau überwache, mir niemals spontanes Essen erlaube, sondern immer erst nach den im Kopf durchgerechneten Kalorientabellen genau die Menge zu essen die ich für 'akzeptabel' halte.

    [/QUOTE]

    Ich habe in einem Wellnessurlaub eine Frau kennengelernt, ich denke sie war um die 60, sehr gepflegt und sehr schlank. Von ihrem Mann kamen immer bewundernde Worte, wie sehr sein Frauchen auf sich achtet. Sie sagte, sie würde sich immer etwas anderes machen, wenn sie Mann und Sohn die selbstgemachte Pizza vorsetzt oder nur sporadisch davon naschen.

    Seit dem ich weiß, daß Nancy Reagen ihr Essen erbrochen hat, vermute ich mal, daß auch diese Frau eine Ess-Störung hatte, so wie Du das oben beschreibst.

    Und zu den Gedanken von Malaga:

    Ich habe mal diese Definition gefunden, die eine Userin hier schon beschrieben hat und da einmal im Geiste angekreuzt, was auf mich zutrifft. Aber selbst wenn Ess-Störung bedeutet, mehr zu essen, als der Körper braucht, um sein Gewicht zu halten, selbst dann bin ich nicht ess-gestört, da ich mein Gewicht seit Jahren halte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Oder was war damit gemeint?

    Ess-Störungen führen ja nicht nur zu Übergewicht, sondern sie führen auch zu Untergewicht oder anderen Erkrankungen, wie z.B. Mangelerscheinigungen, Darmentzündungen, Speiseröhrenentzündungen, Magenproblemen, um nur einige zu nennen. Mit Magersüchtigen hat man Mitleid, sie sehen so erschreckend abgemagert aus. Möchten Dicke essgestörte auch Mitleid? Mehr Anerkennung und wie genau definierst Du das? Anorexie, Bulimie, Binge Eating Disorder, Feeding (dann als passiv Betroffener)?

    Ich persönlich brauche keine Ausrede oder etwas was es mir erleichtert, mit meinem Übergewicht zurecht zu kommen. Ich bin wie ich bin. Daß ich seit ein paar Wochen aus rein prophylaktischen gesundheitlichen Gründen mein Gewicht reduziere, ist eine andere Geschichte. Ich esse gern! (Raucher mussten sich damit auch schon verteidigen: Ich rauche gern!) Nur mit dem Unterschied, daß ich nichts ausdünste, was andere gesundheitlich gefährdet, naja, zumindest meistens nicht. :D

    Spaß beiseite.

    Oder meinst, Du daß Gründe wie Bewegungsmangel oder die Aufnahme von zu vielen Kalorien eine Ausrede sind? Ich habe Deine Fragestelltung nicht so ganz verstanden.

    Jedenfalls ein sehr schöner Thread mit einer prima Fragestellung.

  • Zitat von Mahalia

    Aber selbst wenn Ess-Störung bedeutet, mehr zu essen, als der Körper braucht, um sein Gewicht zu halten, selbst dann bin ich nicht ess-gestört, da ich mein Gewicht seit Jahren halte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Oder was war damit gemeint?


    Essstörungen sind aus meiner Sicht unabhängig vom Gewicht. Das hört sich vielleicht erstmal komisch an, wo sich doch alle Gedanken nur darum drehen. Was ich damit meine, ist, dass nicht das Übergewicht die Ursache für die Essstörung ist. Vielmehr ist es umgekehrt. Ich habe aufgrund von Erlebnissen eine ES entwickelt, und zwar die, die mich dick macht, Esssucht. Starke Gewichtszunahmen oder -schwankungen dienen dabei meist nur als Indikator. Viel wichtiger ist aus meiner Sicht das Gefühl, das dem Essen entgegengebracht wird.

    Zitat

    Oder meinst, Du daß Gründe wie Bewegungsmangel oder die Aufnahme von zu vielen Kalorien eine Ausrede sind?


    Natürlich sind dies keine Ausreden. Bewegungsmangel und zu viele Kalorien sind auch bei mir als Essgestörte der Grund, warum ich dick bin. Aber sie sind nicht der Grund, warum ich essgestört bin. Ich nehme zu viele Kalorien zu mir, das ist Fakt, oftmals sogar so viele, dass auch täglicher Sport nicht helfen würde. Die Frage ist also nicht, warum bin ich dick, sondern warum esse ich, wenn ich keinen körperlichen Hunger habe?

    Zitat

    Möchten Dicke essgestörte auch Mitleid? Mehr Anerkennung und wie genau definierst Du das?


    Mitleid ist es nicht, auch bei den meisten Magersüchtigen nicht. Aber interessanterweise hast Du Dich damit der tatsächlichen Ursache mehr genähert, als Dir wahrscheinlich bewusst ist. Ich will nicht für andere sprechen, aber ich habe für mich herausgefunden, dass ich mit meinem Übergewicht Aufmerksamkeit auf mich lenken möchte. Aufmerksamkeit, von der mein Unterbewusstsein glaubt, dass ich sie ansonsten nicht bekommen würde. Ich weiss, dass das sehr verquer klingt, daher werde ich versuchen, es näher zu erläutern.

    Ich habe eine unheimliche Angst davor, einsam zu sein, dass ich irgendwann mal da sitze, niemanden habe, der an mir Interesse hat, mich liebt, mich in den Arm nimmt oder mir zuhört. Ich habe eine Verbindung in meinem Unterbewusstsein entwickelt, die mir sagt, dass ich, sollte ich schlank werden, auch einsam sein werde, dass ich nur dann die Aufmerksamkeit und Zuwendung erfahre, die ich brauche, wenn ich dick bin. Logisch weiss ich, wie verquer diese Einschätzung ist, trotzdem musste ich erkennen und akzeptieren, dass sie so existiert. Kurz: in meinem Unterbewusstsein, das ein Teil meines Ichs ist, das mich und meine Handlungen massiv beeeinflusst, will ich dick bleiben. Weil nichts für mich schlimmer wäre, als einsam zu sein. Auch nicht das Übergewicht.

    Es ist mittlerweile sogar nicht mehr unbedingt das Übergewicht, unter dem ich leide, sondern vielmehr das Gefühl, nicht Herr meiner Selbst zu sein, zwanghaft, etwas tun zu müssen, was unterbewusst ausgelöst wird, was ich aber bewusst als blödsinnig ansehe. Warum tue ich etwas, von dem ich weiss, dass es nicht gut für mich ist? Das ist eine Frage, die mir immer wieder in den Kopf kommt. Ich habe gelernt, dass Dicksein heisst, gegen Widerstände anzukämpfen, Gemeinheiten ausgesetzt zu sein, Häme ertragen zu müssen, dass Dicksein ungesund ist, usw.. Aber ich habe auch gelernt, dass Dicksein mir Aufmerksamkeit verschafft. An diesem Widerspruch arbeite ich.

    Ich weiss nicht, ob das, was ich hier geschrieben habe, verständlich war, denn es ist die Arbeit von Monaten in 3 Absätzen. Ich hoffe, ich konnte verständlich machen, dass mein Übergewicht für mich eine Funktion erfüllt. Lange wusste ich nicht, dass das so ist, dann musste ich herausfinden welche. Heute kenne ich sie zwar, aber ich kann mich noch nicht endgültig von ihr lösen. Wenn ich die Funktionen, die mein Fett für mich hat, wieder mir zuordnen kann, brauche ich das Fett nicht mehr. Ich kann es gehen lassen. So zumindestens meine Hoffnung.

    LG Kugelfischchen

  • Zitat

    es ist aber falsch sich eine selbstdiagnose zu stellen und sich diese dann als ausrede für übergewicht und falsches essberhalten parat zu legen.



    diese aussage hat nach meinem geschmack zu sehr den hauch von:" dicke suchen ausreden, um einen vorwand zum weiter(fr-)essen zu haben". ich halte es überhaupt nicht für falsch sich mit den dingen auseinander zu setzen und ggf. schlüsse für sich zu ziehen. früher habe ich auch nicht gewußt, daß ich eine ES habe. ich dachte, ich ich wäre eben nur zu blöd gegen meine ständige fresserei anzugehen, es sei eben meine eigene schuld, daß ich mich nicht im griff hätte.

    und schon saß ich drin, in der abwärtsspirale. mir fiel es wie schuppen aus den haaren;) , als ich die zusammenhänge erkannte. somit konnte ich mich auch auf ursachenforschung begeben. deshalb finde ich diese aussage oben schon etwas daneben.

    Stöpsel

    ps: grad hier sollte ein etwas "geschützter" raum gegeben sein, wo menschen die möglichkeit geben wird, daß sie sich selber und ihrem eßverhalten auf die schliche kommen können.

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