Diese Angst

  • Ich habe am Wochenende das Buch „P.S. Ich liebe dich“ gelesen. In diesem Buch geht es um eine junge Frau, die nach dem Tod ihres Mannes lernen muss, alleine durchs Leben zu gehen. Da sein Tod vorhersehbar war (Gehirntumor), schrieb er ihr kleine Briefe, die sie jeweils am ersten Tag eines Monats öffnen darf. Darin befinden sich kleine Überraschungen oder Aufgaben, die ihr helfen, die Monate nach seinem Tod zu überstehen.

    Ich habe beim Lesen des Buches viel gelacht, aber auch sehr viel geweint.

    Zurück blieb ich mit der Überlegung, wie es wäre, wenn mein Partner sterben würde. Und dann kam sie: Diese unbeschreibliche, lähmende, alles dunkelfärbende Angst. Diese Angst, dass ihm etwas geschehen könnte und zusätzlich Gedanken an die Welt dort draußen. Daran, was mir/uns alles passieren könnte. Es war, als öffne sich eine Flasche und heraus sprudelten all die negativen Dinge unserer Gesellschaft/Welt.

    In solchen Momenten muss ich meine ganze Kraft aufbringen, um mich von diesen Gedanken loszureißen. Ich weiss, würde ich ihnen nachgeben, würde ich das Haus nie wieder verlassen. Dann hätte ich Angst vor allem und jedem.

    Sobald ich mich dann auf etwas Anderes konzentriere, verschwindet die Angst wieder, aber mir scheint, sie ist tief in meinem Inneren immer da. Als lauere sie auf den Augenblick, an dem ich sie nicht mehr kontrollieren kann und sie endlich ausbrechen kann. Diese Angstmomente habe ich sehr selten, aber wenn, machen sie mir grad noch mehr Angst.

    Kennt ihr das?
    Ist es ein Teil der Essstörung? Ist es ein grundsätzlich psychisches Problem?
    Oder hat jeder diese dunklen Momente und mir fallen sie nur besonders auf, weil ich sonst so fröhlich bin und eher zum Sonnenschein tendiere?

    :confused: :confused: :confused:

    Babs
    die Grübelnde

  • Liebe Babs,



    ich glaube nicht das diese Gedanken etwas mit Deiner ES zu tun haben.

    Manchmal denkt man schlicht und ergreifend zu viel nach.


    Lieben Gruß
    Steffi

  • Warum sollten solche Gedanken etwas mit ES zu tun haben, wir alle haben solche Momente. Wenn ein Partner langsam stirbt ist es gut wenn die Partner alles besprochen haben. Es gibt Partner die haben Briefe auch für die Kinder geschrieben in denen sie sagen das der zurückbleibende Partner wieder einen neuen Partner nehmen soll. es ist alles normal was die Menschen wollen und wie sie fühlen. Ich habe auch manchmal Angst um meinen Mann, dann denke ich aber das es ihm seit Jahren gut geht und hoffe das wir noch mal 20 Jahre mindestens zusammen sind

  • Zitat von philippa



    Manchmal denkt man schlicht und ergreifend zu viel nach.

    Aber ist es nicht auch wichtig sich darüber Gedanken zu machen?
    Natürlich sollte einen das nicht auf Schritt und Tritt verfolgen, doch sich hin und wieder Gedanken zu machen, dass das Leben endlich ist, halte ich für sehr wichtig.

    Ich habe in meinem Leben schon 3 mir wirklich wichtige Menschen durch (Unfall-)Tod verloren. Und ich bin selbst dem Tod schon einmal haarscharf von der Schippe gesprungen.
    Sehr früh hab ich mich dadurch mit dem Thema auseinandergesetzt und begriffen, dass das eigenene Leben oder das eines mir nahestehenden Menschens im nächsten Moment vorbei sein kann. Das es wichtig ist JETZT zu leben und zwar so wie man es selbst für richtig hält, nicht wie andere es möchten.

    Meiner Meinung nach, ist alles was uns im Leben passiert Schicksal.
    Wenn meine Uhr abgelaufen ist, dann ist es so...
    Ich gehe sorgsam mit meinem und anderen Leben um, mehr kann ich nicht tun.

    Ich denke nicht ständig darüber nach, aber ich stelle fest, dass ich immer mal wieder daran erinnert werde. Wenn ich den Gedanken der Endlichkeit zu sehr "vernachlässige" (ich weiß nicht genau wie ich es ausdrücken soll), dann passiert wieder irgendwo in meiner Umgebung was, dass mich aufrüttelt und es mir wieder bewußt macht.

    Liebe Babs ich denke, dass diese Gedanken normal sind, das sie wichtig sind, aber das sie uns nicht bestimmen dürfen.

    :) Rubensweib

  • Ich habe auch schon oft überlegt, ob diese Ängste mit der ES zusammenhängen. Ich glaube nicht, dass die ES der Grund oder die Ursache ist, aber ich denke schon, dass die Grübelei über sich und sein Leben, über die momentane Situation und das, was an schlechten Dingen irgendwie passieren könnte auf gewisse Weise symptomatisch ist für die ES. Viele von uns haben schließlich eingetrichtert bekommen, dass sie nicht ausreichen und nicht gut genug sind- da liegt der Gedanke nahe, dass diese eingeredete Unfähigkeit einen in vielen anderen Situationen des täglichen Lebens scheitern lässt, und das macht natürlich wahnsinnig Angst. Also, ich glaube nicht, dass Angst ein "Vorrecht" von Leuten mit ES ist, aber ich denken, dass die Angst dort auf fruchtbareren Boden fällt. War das jetzt einigermaßen logisch erklärt?:confused:

    Bei mir ist es beispielsweise die panische Angst vor meinem Studium, das ich momentan zu beenden versuche. Nachdem ich ja nun schon dadurch "versagt" habe, dass ich so lange gebraucht habe (13 Semester- kaum jemand außer meinem Freund wird müde, mir das aufs Brot zu schmieren :mad: ), habe ich nun panische Angst, dass mit dem Abschluss irgendetwas nicht klappen könnte, dass sie mein Thema nicht annehmen, dass die Arbeit schlecht ist blablabla. Und diese Angst überschattet jede Sekunde meines Tages, ich bin unfähig gegen sie anzukämpfen (habe Angst irgendwo anzurufen und nachzufragen, weil man mir ja was Schlimmes sagen könnte...) und alle denken immer nur, dass ich es scheinbar ziemlich übertreibe.

    Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Das Buch dürfte ich, glaube ich, auch nicht lesen, da würden bei mir auch alle Alarmglocken läuten. Mir reicht es schon, dass ich in regelmäßigen Abständen träume, dass mein Freund mich verlässt. Bin dann jedes Mal nach dem Aufstehen so froh ihn zu sehen :o

    In diesem Sinne,
    panische Grüße vom DickenM :)

  • Zitat von Frauvonheute


    Sobald ich mich dann auf etwas Anderes konzentriere, verschwindet die Angst wieder, aber mir scheint, sie ist tief in meinem Inneren immer da. Als lauere sie auf den Augenblick, an dem ich sie nicht mehr kontrollieren kann und sie endlich ausbrechen kann. Diese Angstmomente habe ich sehr selten, aber wenn, machen sie mir grad noch mehr Angst.

    Ich verarbeite solche Sachen Nachts in meinen Träumen. Viele Probleme und Ängste, an die meisten denke ich während des Tages überhaupt nicht und auch solche die mir eigentlich nicht bewusst sind, beschäftigen mich anscheinend Nachts. Ich habe mal gelesen daß es vielen Menschen so geht, sich die meisten aber nicht an ihre Träume erinnern können.

    >>... ist doch das menschliche Wort einem gesprungenen Kessel vergleichbar, auf dem wir eine Melodie trommeln, nach der höchstens Bären tanzen, während wir doch die Sterne erweichen möchten.<<

  • Rubensweib, du hast für mich etwas ganz Wichtiges gesagt.

    Zitat

    Meiner Meinung nach, ist alles was uns im Leben passiert Schicksal.
    Wenn meine Uhr abgelaufen ist, dann ist es so...
    Ich gehe sorgsam mit meinem und anderen Leben um, mehr kann ich nicht tun.

    Ich denke nicht ständig darüber nach, aber ich stelle fest, dass ich immer mal wieder daran erinnert werde. Wenn ich den Gedanken der Endlichkeit zu sehr "vernachlässige" (ich weiß nicht genau wie ich es ausdrücken soll), dann passiert wieder irgendwo in meiner Umgebung was, dass mich aufrüttelt und es mir wieder bewußt macht.

    Manchmal denke ich: „Wenn ich über solche Dinge nachdenke, vielleicht passiert dann nichts.“ Hmm...klingt ja sehr abergläubisch. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass ich mich damit beschäftigen muss. Eben weil das Leben endlich ist und ich so vielleicht lerne, die guten Momente mehr zu schätzen. Vielleicht auch, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren?

    Trotz der negativen Gefühle, wenn diese Angst kommt, hilft sie mir auch, die Dinge immer mal wieder zu überdenken und neu zu bewerten. So bin ich zum Beispiel jemand, der sich zwar streitet, aber nicht nachtragend ist. Der Gedanke, der dahinter steckt, ist: „Was ist, wenn ich mich mit meinem Partner/Mutter/Vater/Kumpel streite und am Abend hat er/sie einen tödlichen Unfall?! Dann werde ich mir immer Vorwürfe machen, dass wir uns wegen einer Lappalie gestritten haben.“ Das bedeutet nicht, dass ich Ärgernissen aus dem Weg gehe, aber sie haben keine hohe Priorität.

    Ich bin froh, dass ich diese Frage ins Forum gestellt habe, denn manchmal zweifel ich in solchen Situationen an meinem Verstand. Und es beruhigt mich so sehr zu wissen, dass ihr euch auch Gedanken macht.

    Zitat von Rolli76

    Ich verarbeite solche Sachen Nachts in meinen Träumen.

    Ich verarbeite eher Eindrücke als angstvolle Gedanken. Die Angst lässt mich meist nicht schlafen.

    Zitat von DickesM

    Ich habe auch schon oft überlegt, ob diese Ängste mit der ES zusammenhängen. Ich glaube nicht, dass die ES der Grund oder die Ursache ist, aber ich denke schon, dass die Grübelei über sich und sein Leben, über die momentane Situation und das, was an schlechten Dingen irgendwie passieren könnte auf gewisse Weise symptomatisch ist für die ES. Viele von uns haben schließlich eingetrichtert bekommen, dass sie nicht ausreichen und nicht gut genug sind- da liegt der Gedanke nahe, dass diese eingeredete Unfähigkeit einen in vielen anderen Situationen des täglichen Lebens scheitern lässt, und das macht natürlich wahnsinnig Angst. Also, ich glaube nicht, dass Angst ein "Vorrecht" von Leuten mit ES ist, aber ich denken, dass die Angst dort auf fruchtbareren Boden fällt. War das jetzt einigermaßen logisch erklärt?

    Es ist absolut logisch erklärt und ja, vielleicht hast du recht. Manchmal frage ich mich, ob ich mehr nachdenke als Leute, die psychisch stabil/gesund sind. Ich glaube ja. Dass macht mich nicht zu einem besseren Menschen, absolut nicht. Aber es macht mich zu einem „beschwerteren“ Menschen, glaube ich. Ich kann vielleicht nicht so locker durchs Leben gehen, wie viele andere Menschen. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob „nicht so viel nachdenken“ automatisch „glücklich sein“ bedeutet....

    Zitat von DickesM

    Mir reicht es schon, dass ich in regelmäßigen Abständen träume, dass mein Freund mich verlässt. Bin dann jedes Mal nach dem Aufstehen so froh ihn zu sehen

    Ich weiss nicht, wie lange ihr schon zusammen seid, aber genau diese Träume hatte ich die erste Zeit unserer Beziehung auch. Ich konnte einfach nicht glaube, dass dieser Mann mich liebt und ich konnte auch nicht daran glauben, dass er bei mir bleibt. Das hat viel mit meiner Kindheit zu tun, wo ich von den Menschen, die mich angeblich liebten, alleine gelassen wurde. Strukturen....über viele Jahre manifestiert...es dauert Jahre, sie zu durchbrechen.

    Vielen Dank für eure Antworten und Gedanken
    Babs

  • Ist es ein Teil der Essstörung? Ist es ein grundsätzlich psychisches Problem?
    Oder hat jeder diese dunklen Momente und mir fallen sie nur besonders auf, weil ich sonst so fröhlich bin und eher zum Sonnenschein tendiere?

    Ich habe auch manchmal Angst, meinem Freund könnte etwas passiert sein. Einfach so, aus keinem besonderen Anlass und bin dann erst wieder beruhigt, wenn ich sehe, dass es ihm gut geht.
    Und auch ich bin immer sehr fröhlich und optimistisch.

    Babs, ich denke aber auch auf keinen Fall, dass diese Gedanke mit deiner ES zusammenhängen.
    Auf der einen Seite möchte ich auch nicht so viel über den Tod nachdenken, aber andererseits finde ich es sinnvoll, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Sich Gedanken darüber zu machen.
    Wichtig finde ich es auch, mit seinem Partner darüber zu reden.
    Den auf jeden Fall möchte ich, dass mein Partner bzw. die Menschen, die mir wichtig sind in meinem Leben, nach meinem Tod "ihr Leben weiterleben".
    Ich weiss nicht, wie ich den letzten Satz richtig formulieren soll, ohne dass das jetzt seltsam oder gefühllos klingt. Ich hoffe, es ist verständlich. Ich kann mich nicht so gut ausdrücken wie manche anderen hier.
    Ich habe mit 16 eine sehr gute Freundin durch einen Unfalltod verloren und mich somit auch sehr früh mit dem Thema ausseinander gesetzt.


    Liebe Grüße Sandra

    P.S. Habe gerade gemerkt, dass ich das mit dem Zitieren noch nicht so raus habe. Sorry

  • Zitat von Frauvonheute

    Trotz der negativen Gefühle, wenn diese Angst kommt, hilft sie mir auch, die Dinge immer mal wieder zu überdenken und neu zu bewerten. So bin ich zum Beispiel jemand, der sich zwar streitet, aber nicht nachtragend ist. Der Gedanke, der dahinter steckt, ist: „Was ist, wenn ich mich mit meinem Partner/Mutter/Vater/Kumpel streite und am Abend hat er/sie einen tödlichen Unfall?! Dann werde ich mir immer Vorwürfe machen, dass wir uns wegen einer Lappalie gestritten haben.“ Das bedeutet nicht, dass ich Ärgernissen aus dem Weg gehe, aber sie haben keine hohe Priorität.

    So ist es. Als meine beste Freundin mit 18 tödlich verunglückt ist, war ich gerade auf einem Seminar. Als ich dann auf "Wochenendurlaub" heimkam, hat mein Vater mir von dem Unfall erzählt.
    Am Wochenende davor hatten meine Freundin und ich einen ziemlichen Streit, den wir aber am Sonntag abend, bevor ich gefahren bin, noch behoben haben.

    Es war schon so nicht einfach mit dem Tod fertig zu werden, ich weiß nicht, wie das geworden wäre, wenn wir zerstritten getrennt worden wären....
    Daran hab ich oft gedacht und versuche immer zu beherzigen, dass ich niemals mit jemandem wegen Pille-Palle streite und nicht die Chance habe mich zu versöhnen - bevor (theoretisch) etwas passieren könnte...


    Aufgrund dieser Erfahrung habe ich mir übrigens auch angewöhnt, Menschen darauf anzusprechen, wenn ich meine, ihnen etwas sagen zu müssen (positive Dinge). Sie oder ihr Handeln zu loben oder ihnen einfach zu sagen, dass ich sie nett finde. Das konnte ich nicht immer und hab es lernen müssen.

    Bei negativen Dingen warte ich meist noch - das relativiert sich meistens. :D

  • Hallo Babs!


    Bei diesem Thema kann ich leider auch mitreden...
    Vor fast genau 4 Jahren verunglückte mein damaliger Freund tötlich mit dem Auto. Damals habe ich gedacht, ich kann und will ohne ihn nicht weiterleben. Zum Glück hatte ich viele gute Freund und Familie, die mir über die schwere Zeit geholfen haben. Jetzt, wo sein Todestag sich nähert, kommt alles wieder hoch. An diesem Tag fahren wir meist mit der ganzen Clique an sein Grab und sitzen danach noch lange zusammen. Mir graut es davor!!!
    Ich habe das Buch auch gelesen, es hat mich wahnsinnig berührt. Es hat mich sovieles an meine eigenen Situation erinnert, nur dass ich mich nicht darauf vorbereiten konnte. Er ist damals bei mir weggefahren, hat mir einen Kuss gegeben und gesagt, er würde sich später melden. Tja, er hat sich leider nie wieder gemeldet, sondern seine Eltern...
    Seid dem versuche ich auch, Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Die Vorstellung, mit jemandem im Streit auseinander zu gehen ohne die Möglichkeit zu haben, die Dinge zu klären, ganz furchtbar!
    Um auf deine Ausgangsfrage zurück zukommen, ich glaube nicht, dass diese Angst primär mit einer ES zusammen hängt. Es sind eher ganz natürliche Ängste, das Glück zu verlieren. Ich habe seitdem wahnsinnige Verlustängste, war deswegen auch in behandlung. Ich denke ständig, irgendwem, der mir sehr nahe steht könnte etwas passieren. Wenn meine kumpels mit dem auto unterwegs sind und sie sich nicht melden oder ich sie nicht erreiche drehe ich fast durch vor Sorge. Naja, ich arbeite dran...
    Ich habe daraus gelernt, das Leben intensiver zu leben. Den Augenblick zu genießen. Mann weiß nie, wielange er anhält...
    Traurige Grüße,
    Miriam

  • Mein Partner (und Ehemann) ist vor 14 Jahren an Krebs gestorben, es ist zwar lange her und ich war noch sehr jung (22 J.), jedoch manche Dinge kommen einen immer wieder in Erinnerung.


    Bei meinem jetzigen Partner hatte ich anfangs (das war erst zwei Jahre nach dem Tod meines Mannes) extreme Verlustängste - aber wir haben beide gelernt damit umzugehen, die Ängste nicht ungesagt zu lassen, gewisse Regeln einzuhalten (z.B. wenn jemand erst Stunden später als vereinbart nach Hause kommen würde - dann gibts einen Anruf) und letztendlich hilft auch die Zeit.


    Ob solche Verlustängste mit einer ES zusammenhängen glaube ich nicht direkt - auch wenn ich damals etliche kg zugelegt habe ohne dass es mir bewußt war (allerdings habe ich mein Leben damals auch total umgekrempelt) und in der ersten Zeit der Trauer alles andere als ausgeglichen war (sondern depressiv). Man lernt aber auch daraus.


    miriam
    Das mit dem Horror vor den Todestag kann ich nachvollziehen, mir ging es die ersten Jahre auch so. Schlimme Träume um diese Zeit rum, depressive Schübe - ebenso am Hochzeitstag herum. Da beides im Winter/Frühjahr liegt war ich oft den ganzen Winter schlecht drauf.


    Glaube mir, es wird besser! Gib nie die Hoffnung auf dass Dein Leben wieder fröhlich werden kann. Und die dunklen Tage, die gehören halt auch dazu. Mit dieser Einstellung komme ich jedenfalls besser klar als mit dem Spruch "das Leben geht weiter" oder gar "die Zeit heilt alle Wunden" - für mich war das einfach nicht so, für mich blieb das Leben eine ganze Zeitlang stehen und dass die Zeit Wunden heilt kann ich auch nicht sagen - sie lindert allenfalls den Schmerz.


    Gruß


    Ulrike

  • Mein Vater ist vor fast 6 Jahren gestorben. Ganz plötzlich aus heiterem Himmel heraus. Donnerstag war er mit meiner Mutter bei mir und wir feierten meinen Geburtstag nach. Freitag früh fuhren beide dann wieder gen Heimat (400 km weg von München). Abends telefonierten wir noch und quatschten noch ne ganze Weile. Samstagmorgen ging ich auf den Flohmarkt wie immer zu der Zeit und kam so gegen 11 zurück. Schon im Haus hörte ich das Telefon läuten. Meine Mutter war dran. Sie war total aufgelöst. Ich konnte erst nicht verstehen, was sie wollte. Mir war nicht klar, ob mein Vater noch im Krankenhaus war oder ob er gestorben ist. Als meine Mutter sich etwas beruhigte, erklärte sie mir, dass es ihm nachts nicht mehr so gut ging. Er meinte, seine Beine würden sich kalt anfühlen und irgendwie taub und ihm wäre übel und er musste ständig aufs Klo. Meine Mutter rief den Notarzt und die fuhren meinen Vater ins Krankenhaus. Dort stellte sich heraus, dass er einen Herzinfarkt hatte. Bei mir wurde letztes Jahr eine Angiographie für die Nierenarterien gemacht. DAbei wurde ein Katheder in die rechte Oberschenkelvene /oder -arterie (kanns mir einfach nicht merken) eingeführt und zu den Nieren geschoben. Dort wurde geprüft ob eine Verengung vorliegt. Bei meinem Vater wurde im Krankenhaus dann der gleiche Eingriff gemacht, allerdings ging der Katheder bis hoch zum Herzen, wo die verengte Stelle mit einem Stent geweitet werden sollte. Die OP verlief gut und meinem Vater ging es auch gut. Die punktierte Stelle des Blutgefäßes machte jedoch Ärger. Sie ließ sich nicht abdrücken und die Vene/oder Arterie brach dann völlig auf. Mein Vater verblutete regelrecht. Jahrelange Fehlernährung hatten seinen Blutgefäßen nicht sehr gut getan. Stabil waren sie nicht. Selbst eine sofortige Not-OP half ihm nicht mehr. Seine Nieren versagten. Hätte er diese OP überlebt, würde er heute mit nur einer Niere leben müssen und querschnittsgelähmt sein. Von möglichen Gehirnschäden ganz zu schweigen. Ich wusste also, dass mein Vater gestorben war und konnte es nicht wirklich glauben. Ich organisierte kurzerhand einen Tiersitter, erklärte meiner Ausbildungskanzlei, dass ich ne Woche frei brauche und klingelte meine Schwester an, während mein damaliger Freund alles zusammenpackte. Meine Schwester hatte damals noch ihre kleine Kneipe und ging dort ans Telefon. Mein Vater war oft bei ihr am Wochenende um ein "Käffchen" (wie er es nannte) zu trinken. Ich erklärte ihr, was passiert war und dass unser Vater gestorben war. Sie verneinte und meinte, das könne gar nicht sein. Sie war so überzeugend, dass ich sofort Zweifel bekam, ob ich meine Mutter nicht falsch verstanden hätte. Ich hoffte sogar, dass mein Vater neben ihr saß. Leider war dem nicht so und nachdem ich meiner Schwester alles erklärt hatte, wurde klar, dass sie nur den Stand erfahren hatte, dass mein Vater im Krankenhaus war. Sie schloss die Kneipe ab und fuhr mit meiner Mutter ins Krankenhaus um meinen Vater noch einmal zu sehen. Etwas, was mir leider nicht vergönnt war und weswegen ich damit nie richtig abgeschlossen habe.


    Ich rief noch meinen Bruder an und erklärte es ihm und dann fuhren wir los. 400 km. Daheim angekommen hängte ich wie immer meinen Schlüssel ans Schlüsselbrett und mein Blick fiel auf die Uhr meines Vaters, seinen Geldbeutel und seinen Autoschlüssel, was er immer zusammen auf die Küchenarbeitsplatte gelegt hatte. Alles war so, als wäre er daheim.

    Solange meine Mutter in dieser Wohnung wohnte (2002 zog sie glaube ich um) habe ich meinen Vater immer mal wieder auf seiner Sofaecke sitzen sehen. so wie er immer da saß. Ich schaute dann immer ein zweites Mal hin und da war er weg.Nachts hörte ich seine Stimme und konnte dann lange nicht einschlafen, weil ich hoffe, er würde nochmal zu mir sprechen. Das klingt vielleicht total doof.

    Meine Mutter war fertig mit den Nerven und dem Rest der Welt. Sie blieb im Bett liegen. Ich nahm mir die Telefonliste und arbeitete sie ab. ca. 60 Anrufe habe ich an diesem Tag getätigt. Unterbrochen von 2mal Türklingel, als erst ein Kollege vorbeikam, um das Werkzeug abzuholen (mein Vater war immer auf Montage) und der es nicht fassen konnte, was ich ihm zu sagen hatte. Das zweite war ein sehr enger Freund meiner Eltern, der vorbeikommen und Trost spenden wollte, leider aber selber Trost brauchte und mir keine wirkliche Hilfe war. An dem Tag habe ich viel Energie verloren und viel Kraft aufgebracht, das alles durchzustehen. Leider hielt es mich davon ab, das Verarbeiten anzufangen.

    Der Tod meines Vaters war der Vorletzte von insgesamt 7 Todesfällen innerhalb von 4 Jahren. Zuerst hatte ich 1995 einen guten Freund bei einem Unfall verloren. 1996 starben meine beiden Großmütter innerhalb von 2 Monaten. 1997 verlor ich die Großmutter meines damaligen Freundes, die ich von klein auf kannte und innig liebte. 1998 starb eine Freundin bei einem Autounfall. Ich hatte sie kurz zuvor noch an der Tankstelle getroffen und wir hatten ein bissl gequatscht. 1999 starb mein Vater und kurz darauf seine Cousine an schwarzem Hautkrebs.

    Seitdem bin ich "verschont" geblieben von Todesfällen. Jedes Jahr, das vergeht ohne einen Todesfall, ist für mich sehr wertvoll. Leider denke ich, dass diese "lange" Zeit ohne Todesfall nur die Ruhe vor dem Sturm ist und dann kommen meine Verlustängste wieder hoch. Ich weiß nicht, wie ich bei einem weitere Todesfall reagieren werde. Wahrscheinlich werde ich weiter funktionieren, aber es wird immer ein Stück von mir mit sterben. Auch wenn ich weiß, dass alle immer bei mir sein werden - ein wahrer Trost ist es nicht und nur die reine Ablenkung hilft mir, nicht durchzudrehen, wenn ich an dieses Thema denke...

  • Liebe Grit, liebe Ulrike, liebe Miriam, liebe Sandra

    vielen, vielen Dank für eure Beiträge. Sie helfen mir, mein Weltbild wieder ins rechte Licht zu rücken und dankbar dafür zu sein, dass bisher all diese Dinge nur in meinem Kopf passierten.

    Mir gehen gerade so viele Gedanken und Emotionen durch Kopf und Körper, so dass ich lieber meine kleinen Freunde sprechen lasse:

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    Babs

  • @Ulrike


    Danke für Deine lieben Worte!!!
    Klar, die Zeit lindert die Schmerzen. Doch Narben werden bleiben, das ist mir klar.
    Im großen und ganzen gehts mir inzwischen wieder gut. Klar, es gibt Tage, wo Ich ihn einfach so vermisse, dass es weh tut. Aber diese Tage sind seltener geworden. Was nicht heißen soll, dass ich weniger an ihn denke oder so. Aber ich hab gelernt, damit zu leben.
    es gibt halt bestimmte Situationen und Tage, die hart sind. Aber was solls, da muß ich durch...

  • Ich bin sehr froh über diesen Thread, auch wenn das jetzt etwas komisch klingt.

    Die wenigen Menschen, mit denen ich bisher über meine Empfindungen bzw. Gedanken geredet habe, konnten das nicht nachvollziehen.

    Verlustängste habe ich teilweise auch, vor allem bei meinem Freund.
    Da er leider etwas Unpünktlich ist, gab es am Anfang häufig Probleme deswegen.
    Inzwischen ruft er an, wenn es später wird. Ich verfalle aber auch nicht mehr sofort in Panik wenn jemand nicht ganz pünktlich ist.

    In letzter Zeit habe ich öfter auf dem Heimweg von der Arbeit Angst, meiner Oma könnte etwas passiert sein. Neulich war es sogar so schlimm, dass ich heulend daheim ankamm, aber nicht so genau erklären konnte warum. Ich wusste nur, ich muss sofort zu ihr, um mich davon zu überzeugen, dass es ihr gut geht.
    Warum kann ich mir auch nicht erklären

    Viele liebe und nachdenkliche Grüße Sandra

  • Zitat von Frauvonheute


    Manchmal denke ich: „Wenn ich über solche Dinge nachdenke, vielleicht passiert dann nichts.“ Hmm...klingt ja sehr abergläubisch.

    Hm, das ist interessant. Bei mir ist es gerade umgekehrt. Ich habe immer das Gefühl, wenn ich solche Sachen benenne, steigt die Gefahr, dass sie sich verwirklichen. Deshalb konnte ich hier bis jetzt auch nichts schreiben, weil ich es nicht geschrieben sehen wollte. Dabei kenne ich diese Verlustangst auch.

    Vor nicht ganz zwei Monaten hat sich eine meiner besten Freundinnen über ihren Balkon gestürzt. Meine Mutter rief mich morgens um 7.15 Uhr an und mein Freund und ich dachten beide - wie sich nachher herausstellte - es wäre etwas mit unseren Eltern passiert. Insofern war ich extrem froh, als ich meine Mutter hörte. Sie fragte zuerst total belanglose Sachen, aber ich wusste genau, dass etwas gar nicht in Ordnung war und hatte grosse Angst, es wäre etwas mit meinem Vater. Als sie dann erzählte, meine Freundin wäre tot, musste ich gleichzeitig mit dieser schrecklichen Neuigkeit umgehen, aber auch mit dem seltsamen Gefühl der Erleichterung, dass es meinen Eltern gut geht. Und später auch mit der Gewissheit, dass das eines Tages trotzdem geschehen wird und mit dieser Erfahrung, die mir ein wenig gezeigt hat, wie schlimm das werden wird. Diesen Gedanken kann ich manchmal fast nicht ertragen. Das Umgehen mit dem Tod meiner Freundin ist nochmals eine ganz andere Sache, aber darum ging's ja hier jetzt nicht.

    Liebe Grüsse,
    Laure

  • Man merkt erst, wieviel ein Mensch Schmerz und Leid ertragen kann, wenn er es erleiden muss.

    Ich weiß, dass mein Leben bei jedem Verlust weitergehen wird. Ich hoffe nur, dass ich es alles so meistern werde, dass ich am Ende nicht durchdrehe. Aber ich hoffe einfach mal, dass ich uralt werde und mein Freund mit mir und auch die Menschen, die mir teuer sind, werden hoffentlich sehr alt :)

  • Zitat von laure

    Als sie dann erzählte, meine Freundin wäre tot, musste ich gleichzeitig mit dieser schrecklichen Neuigkeit umgehen, aber auch mit dem seltsamen Gefühl der Erleichterung, dass es meinen Eltern gut geht.


    Laure,


    ich denke, es ist absolut nichts Verwunderliches daran, wenn man eine Todesnachricht erhält und froh darüber ist, dass es nicht die Eltern oder andere enge Familienmitglieder/Freunde getroffen hat. Es ist traurig um jedes Menschenleben, das verloren wird, aber ich denke, es gibt einfach Menschen, die für uns wichtiger sind als andere. Und das ist ja auch natürlich. Man kann nicht gleich betroffen auf jeden Tod reagieren.

    Egal wie: Es ist unendlich traurig, dass du eine gute Freundin verlieren musstest. Ich wünsche dir viel Kraft!


    Babs

  • Liebe Babs

    Zitat von Frauvonheute


    Egal wie: Es ist unendlich traurig, dass du eine gute Freundin verlieren musstest. Ich wünsche dir viel Kraft!

    Danke, das kann ich gebrauchen. Der akute Schock ist zwar vorbei, aber es wird mich wahrscheinlich den Rest meines Lebens begleiten, nur die Intensität und die Gewichtung ändern sich (nehme ich jedenfalls heute an).

    Manchmal bin ich einfach nur wütend. Nicht auf sie, weil sie es getan hat, sondern so diffus auf die Welt an sich, weil es soweit kommen konnte. Meine Freundin war depressiv und es ist niemand schuld daran, dass es ihr so schlecht ging, dass sie nicht mehr an das Gute glauben konnte und dass sie nicht mehr warten mochte, dass es besser wird. Aber es ist dennoch einfach ungerecht, dass es sowas überhaupt gibt und man nicht genug dagegen machen kann! Dann wiederum kann ich es noch immer nicht fassen, finde es einfach unglaublich und deshalb irgendwie nicht wahr.

    Liebe Grüsse,
    L.

  • Zitat von laure

    . Der akute Schock ist zwar vorbei, aber es wird mich wahrscheinlich den Rest meines Lebens begleiten, nur die Intensität und die Gewichtung ändern sich (nehme ich jedenfalls heute an).



    ändern wird sich die gewichtung auf jeden fall! der schmerz wird erträglicher...
    es wird dich aber bestimmt den rest deines lebens begleiten. aber du wirst dich auch wieder mit einem lächeln an deine freundinn erinnern können und froh sein, sie gekannt zu haben. man möchte einen geliebten menscvhen ja auch nicht vergessen. nur irgendwann wird der schmerz bei der erinnerung nicht mehr dominieren!

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