• Hallo,


    Meine Ärztin hat mir Citalopram gegen Schlafstörungen und Panikanfälle verschrieben. Im Augenblick läuft es bei mir nicht besonders gut und deswegen habe ich sie darauf angesprochen. Ich wollte es erstmal mit Baldrian versuchen, aber so gut wirkt das nicht. Jetzt habe ich mir das Citalopram besorgt und allein vom Beipackzettel wir mir schlecht.


    Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr widerstrebt es mir Tabletten gegen meine psychischen Probleme zu nehmen. Vor allem, da ich denke, dass es nur eine Phase sein wird. Jetzt sitze ich vor der Packung und überlege, ob ich es nehmen soll oder nicht. Was mir am meisten Angst macht ist, dass die Symptome sich am Anfang vielleicht verschlimmern.


    Gibt es jemandem mit Erfahrungen dazu?

  • Hallo, ja am Anfang wird es etwas schlimmer ich habe für die Phase zusätzlich als Notfallmedikament Valium bekommen. Ich habe das damals ungefähr 3 WOchen genommen und mir ging es damit nicht wirklich gut weil es mich wibbelig machte und als ich mit dem Gedanken spielte aufzugeben fing es von einem auf den anderen Tag an zu wirken-mir ging es gut ich habe dann Sachen in Angriff genommen die ich im Zustand vorher nicht geschaft hätte.Ich habe meine Beziehung beendet,mir eine WOhnung gesucht eine OP gemacht und meinen Vater zu Grabe getragen

    Liebe Grüsse
    Andrea





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    Ich werde lieber für meine Ehrlichkeit gehasst,
    als mir mit Lügen Freundschaften erkaufen zu müssen

  • Hallo Valentina.

    Ja, es ist in der Tat so: Von den ganzen in der Packungsbeilage aufgeführten Nebenwirkungen kann einem schwindelig werden. So ein Antidepressivum ist ja auch ein ganz ordentlicher Eingriff in den Hirnstoffwechsel. Was ich dazu sagen kann, ist folgendes.

    Ich war mal psychisch ziemlich schlimm drauf. Zu Zeiten, als es mir ganz schlecht ging, war ich sehr depressiv, bekam alle möglichen irrsinnigen Ängste, hatte Panikattacken und was weiß ich nicht alles. Während dessen - diese Erkrankung schleppe ich seit 2004 mit mir herum, 2005 wurde sie sehr schlimm, seit Anfang 2006 wird sie behandelt – habe ich immer mal wieder daran gedacht, mir solche Tabletten verschreiben zu lassen, da es mir zwar ständig besser ging, aber bestimmte innere Zustände vollkommen therapieresistent schienen. Ich habe es dann aber doch nie getan, weil ich immer dachte „Ja, okay, vielleicht dauert es einfach nur noch ein bisschen, bis ich so weit bin“, oder „Das ist bestimmt nur so eine Phase“ und habe einfach weiter tapfer durchgehalten. Über all dem stand auch immer die Frage, was solche Pillen eigentlich mit mir machen.

    Weil ich im letzten Jahr, nach einer langen, ziemlich guten Phase, mal einen sehr starken, depressiven „Rückfall“ hatte, aus dem es so absolut kein Entrinnen mehr gab, ging ich irgendwann auf Anraten meines Therapeuten zu einem Psychiater, um mir Antidepressiva verschreiben zu lassen. Mir war zu diesem Zeitpunkt alles egal, solange es nur irgendetwas gab, was mich aus diesem Loch holt, denn es war emotional wirklich extrem schmerzhaft und sehr kraftraubend, was ich da durchlebte. Ich hätte sogar Schwefelsäure getrunken, wenn mir jemand versprochen hätte, dass es mir dadurch besser geht.

    Was soll ich sagen: Ja, einige der beschriebenen Nebenwirkungen traten bei mir ein. Allerdings haben mir diese Pillen ein Leben zurück gegeben, von dem ich mich praktisch schon verabschiedet hatte. Ganz viele Dinge, die mich über Jahre schwer belastet haben, verschwanden einfach so. Dazu hatte ich das erste Mal seit sehr langer Zeit eine Ahnung davon, wie es ist, wenn man nicht ständig Angst hat oder angespannt ist. Aus heutiger Sicht kann ich mich wirklich nur fragen, aus welchem Grund ich mich eigentlich so lange gequält habe. Ich würde das jeder Zeit wieder tun.

    Dazu noch das:

    Je nachdem, wie du so aufgestellt bist, halte ich es für wichtig, nicht einfach nur Pillen zu nehmen, sondern den Kern des Problems bei einem Therapeuten aufarbeiten zu lassen.

    Die SSRI, zu denen auch Citalopram gehört, gehören zu den am besten verträglichen Antidepressiva. Sie machen zum Beispiel nicht müde, wie andere Präparate. Eher im Gegenteil. Das kann tatsächlich dafür sorgen, dass du zunächst eine Zeitlang trotz der Pillen schlecht schläfst, weil du ein wenig aufgedreht bist. Das legt sich aber nach einer Zeit, ebenso wie die meisten anderen Nebenwirkungen.

    Solltest du schlimme Gedanken bekommen, wie zum Beispiel, dass du dir etwas antun möchtest, dann gehe sofort los und rede mit jemandem darüber. Du bist nicht durch diese Tabletten ferngesteuert, sodass du nichts dagegen unternehmen könntest. Es ist aber wichtig, dass du dich mitteilst und sei es auch nur am Telefon. Spreche auch möglichst sofort mit deinem Arzt oder Therapeuten über deine Gefühle.

    Es kann passieren, dass nichts passiert. Das bedeutet, dass es manchmal mehrere Anläufe braucht, bis das richtige Medikament gefunden ist. Mal ist es das erste, mal erst das dritte Medikament, das vernünftig wirkt. Und: Habe Geduld. Oft spürt man schon am zweiten oder dritten Tag eine leicht stimmungsaufhellende Wirkung oder einen Rückgang der Angst. Richtig wirken diese Medikamente erst nach frühestens 2 Wochen, manchmal dauert es noch etwas länger.

    Solltest du noch Fragen haben, stehe ich gerne zur Verfügung. Nur keine Angst. ;)

  • Hallo,


    danke für die hilfreichen Antworten. Zunächst einmal nehme ich jetzt schon drei verschiedene Medikamente und der Gedanke daran noch ein weiteres zu nehmen ist mir wirklich zuwider. Außerdem mache ich mir Sorgen über die Vereinbarkeit.
    Die Neurologin, bei der ich war (eigenlich wegen was anderem, aber da es auch eine psychosomatische und psychotherapeutische Praxis ist, habe ich sie mal darauf angesprochen) hat mir ohne viele Gegenfragen das Medikament verschrieben und das macht mich ein bisschen skeptisch, ob so ein schwerwiegendes Medikament überhaupt notwendig ist. Vor allem, da es anscheinend auch nicht so einfach absetzbar ist.
    Und vielleicht ist es irrational, aber wenn ich mir überlege welche schweren Zeiten meine Eltern durchmachen, dann komme ich mir so lächerlich mit meinen Problemen vor. Trotzdem wünsche ich mir, dass diese Lasten nicht mehr da wären. Und daher habe ich immer noch keine Entscheidung getroffen.

  • Zitat

    Und vielleicht ist es irrational, aber wenn ich mir überlege welche schweren Zeiten meine Eltern durchmachen, dann komme ich mir so lächerlich mit meinen Problemen vor.

    Ja, das ist wirklich ein wenig irrational. Ganz einfach, weil deine Probleme deine Probleme und die Probleme deiner Eltern die deiner Eltern sind. Es kommt einzig und allein darauf an, was du empfindest und wie du dich fühlst. Weißt du, wenn man so denkt, wie du es gerade tust, dann findet sich grundsätzlich immer jemand, dem es noch schlechter geht und der damit irgendwie umgehen muss. Du musst aber nicht stellvertretend für irgendjemanden mitleiden, das ist ganz wichtig. Du darfst ruhig extrem egoistisch sein, was das angeht. Es ist richtig und vollkommen okay.


    Zitat

    Die Neurologin, bei der ich war (eigenlich wegen was anderem, aber da es auch eine psychosomatische und psychotherapeutische Praxis ist, habe ich sie mal darauf angesprochen) hat mir ohne viele Gegenfragen das Medikament verschrieben und das macht mich ein bisschen skeptisch, ob so ein schwerwiegendes Medikament überhaupt notwendig ist

    Dazu kann ich nur so viel sagen, dass bei leichteren Störungen solche Medis heute die Medis der ersten Wahl sind. Sie sind dann genauso wirksam wie Psychotherapie. Es kommt aber wirklich auf Art und Schwere der Störung an, deswegen kann ich keine genaue Abschätzung abliefern. Das ist sowieso Aufgabe von Fachleuten. Es ist aber so, dass solche Pillen heute zu den medizinischen Standards gehören. Sie zu verordnen, ist aus ärztlicher Sicht kein großes Ding.


    Zitat

    Vor allem, da es anscheinend auch nicht so einfach absetzbar ist.

    Nein, das sind sie nicht. Sonst läufst du Gefahr, neben einigen normalen Absetzerscheinungen, wie zum Beispiel Nervosität (das sind keine Entzugserscheinungen, SSRI machen nie Abhängig!) zusätzlich in ein tiefes Loch zu fallen.


    Zitat

    Zunächst einmal nehme ich jetzt schon drei verschiedene Medikamente und der Gedanke daran noch ein weiteres zu nehmen ist mir wirklich zuwider. Außerdem mache ich mir Sorgen über die Vereinbarkeit.

    Damit solltest du dich unbedingt an den behandenden Arzt wenden, der kann dir diesbezüglich genaue Auskunft erteilen. Übrigens: Andere Menschen müssen 20 Medis am Tag schlucken, um überhaupt zu überleben. Manchmal braucht es halt viel Medizin. Zudem wird Citalopram vermutlich keine Dauermedikation werden.


    Ich will dich diesbezüglich aber nicht überreden. Mir erscheint es wirklich am sinnvollsten, du gehst noch einmal zu deiner Neurologin und sprichst mit ihr über diese Dinge und deine Ängste bezüglich des Medikaments. Das ist besser, als allein zu Hause im eigenen Saft zu schmoren und darüber zu grübeln, was denn alles sein und passieren könnte.

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