Warum nicht einfach aufhören?

  • Am Wochenende hatte ich mit meinem Liebsten ein nachdenklich machendes Gespräch über Eßstörungen. Wir sprachen über (dicke ;)) gemeinsame Bekannte und auf seine Frage, warum die nicht einfach aufhören zu essen, sagte ich ihm, daß sie eßsüchtig seien und eben einfach nicht vernunftgesteuert aufhören können. Er brachte das Thema Alkohol ins Spiel und wies darauf hin, daß sowohl er als auch ich es aus eigenem Willen geschafft haben, mit dem unkontrollierten Trinken aufzuhören und nur noch selten und maßvoll ein Gläschen zu genießen. Ich versuchte ihm zu erklären, daß der Vergleich Alkohol-, Drogen- und Nikotinsucht (übrigens ist er Raucher :p) hinkt, denn essen muß man immer. Alkohol, Nikotin und Drogen gehören nicht zu den lebenserhaltenden Substanzen, die dem Körper zugeführt werden müssen.

    So ganz konnte er als unbeteiligter die Problematik nicht verstehen. Er gehört zu den Menschen, die aus Lust und Genuß mehr essen, als sie müssen und sobald er dieses "zuviel" einfach wegläßt bzw. bewußt gesund ißt, nimmt er zusehens ab. Er erzählte mir sogar, daß er seinen Kolleginnen, die den ganzen Tag essen, den Tip gibt, statt Schokolade und Keksen sollen sie Möhren und Äpfel stehen haben, damit, wenn so ein Freßanfall kommt, sie sofort etwas essen können, aber nicht etwas, was schädlich, sondern gesund ist. Sogar daß ich ihm erzählte, auch ich habe ab und an einfach den Zwang, mich zu übergeben, schien ihn zwar schwer zu schocken, aber nicht gedanklich in eine andere Richtung bringen. Ich versuchte ihm klarzumachen, daß ich vor dem Übergeben essen muß, damit etwas vorhanden ist, daß ich wieder hochbringen kann. Kannen Wasser zu trinken hat einfach nicht denselben befreienden Effekt, wie ein halber Einkauf. Sogar mein Einwand, er als Raucher müßte sich doch mit körperlichen und psychischen Süchten bestens auskennen, prallte etwas ab, denn er meint, körperlich sei er in der Lage, mit Rauchen aufzuhören und im Kopf bringt er es dann auch noch, wenn er es wirklich will.

    Warum ich das schreibe? Weil mir durch dieses Gespräch bewußt geworden ist, wie einsam wir mit unseren Problemen doch nach wie vor sind, auch wenn wir Partner haben, die uns lieben wie wir sind, die uns nicht ändern wollen und die für uns Verständnis zeigen. Wenn sogar die Menschen, mit denen wir engsten Umgang haben, die uns so gut kennen, wie niemand sonst, sich einfach nicht in die Lage hineinversetzen können, daß man gewisse Handlungen einfach nicht mit dem Willen steuern und so unterlassen oder in eine andere Richtung bringen kann, was können wir dann von unserem Umfeld erwarten? Ich glaube, da kommt noch eine Menge Arbeit auf uns zu. Aber nach diesem Gespräch bin ich wieder ein bißchen versöhnlicher mit den "Unwissenden da draußen".

  • hei,



    ich glaube da hast du über etwas ganz wichtiges geschrieben: nämlich, dass wir als Menschen immer auf Essen angewiesen sind und deshalb diese Sucht nicht einfach "abschieben" können.

    Es ist für einen Alkoholiker auch nicht möglich nach 2 Gläsern Wein aufzuhören...wenn er erst mal trocken ist, darf er sich nicht in die Nähe von Alk begeben...

    Wir haben wirklich ein großes Stück Arbeit vor uns, bis wir erreichen, dass man die Eßsucht und Eßstörungen nicht mehr als harmlos ansieht.

    (Deshalb an der Stelle ein dickes Lob an euch Moderatoren und das Forum - fühl mich hier echt aufgehoben und verstanden...
    Das soll aber nicht von deinem Thema ablenken)

    Grüßle
    Claudia

  • hm...bei dem ratschlag doch gesunde sachen stehen zu haben und bei einer gefühlsverlagerung doch das zu essen, mußte ich doch etwas schmunzeln. sicher könnte man dann gurken und ein paar möhren essen...das ist aber nicht das, was es in dem moment sein muß.
    ich weiß nicht, wie du ihm das verständlicher erklären könntest. wie kann man erklären, daß man dinge in sich reinstopft, obwohl man papp satt ist und obwohl einem eigentlich schon schlecht ist und obwohl der bauch schon schmerzt.

    kann man das überhaupt jemandem erklären, der selbst nicht weiß wie sich das anfühlt?...ich glaube - nein.


    Stöpsel

  • Zitat

    ich weiß nicht, wie du ihm das verständlicher erklären könntest. wie kann man erklären, daß man dinge in sich reinstopft, obwohl man papp satt ist und obwohl einem eigentlich schon schlecht ist und obwohl der bauch schon schmerzt.


    kann man das überhaupt jemandem erklären, der selbst nicht weiß wie sich das anfühlt?...ich glaube - nein.


    @ Stöpsel

    Du hast vollkommen Recht, das ist nicht erklärbar - auch nicht im Ansatz.
    Und die Sätze wie "Du bist doch intelligent und weißt, dass das schädlich ist", die nutzen nichts. Es ist eine Sucht, eine Krankheit - und das muss in die Köpfe der lieben Mitmenschen.

    Gruss aus Dortmund
    Die Brockenhexe

    Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außergewöhnliche ihren Wert. (Oscar Wilde)

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