Selbstakzeptanz vs. Essen als Kompensation

  • Hallo an alle,

    ich bin neu bei Euch, lese schon etwas länger mit und habe mich nun registriert, um auch schreiben zu können. :)

    Ich habe da ein Problem, zu dem ich mich über Eure Meinungen freuen würde.

    Mir kommt es vor, als stecke ich fest zwischen Selbstakzeptanz in Bezug auf mein Gewicht (137 Kilo bei 1,71 m) und dennoch dem gleichzeitigen dringenden Bedürfnis abzunehmen. Letzeres v.a. deshalb, weil ich die Folgen meines Gewichtes inzwischen deutlich spüre - Kurzatmigkeit, Schmerzen bei längerem Gehen in den Fußgelenken, zunehmende Rückenschmerzen (habe ohnehin ein Hohlkreuz). Ich merke, dass mich das Gewicht in meinem Alltag sehr spürbar einschränkt, seit ich die 100 Kilo-Grenze überschritten habe, davor hatte ich keine Probleme.

    Mir ist klar, dass Diäten keine Lösung sind - Jojo lässt grüßen. Mir wäre schon mit einer Ernährungsumstellung mehr als geholfen, aber mein Essverhalten lässt da sehr zu wünschen übrig. Ich habe zwar einen hervorragenden Stoffwechsel und könnte abnehmen, aber ich nutze Essen zum Kompensieren von allem möglichen. Das ist ein über Jahrzehnte eingeschliffener Rhythmus, den ich längst - auch mit psychotherapeutischer Hilfe - durchschaut und verstanden habe, aber er lässt sich nicht so leicht abstellen. Es gibt Zeiten, in denen das mit der Ernährungsumstellung prima klappt, zumal ich gerne ausgewogen und gesund esse, aber ich bin auch Stress- und Frustesserin, d.h. es dauert meist nur wenige Tage, bis ich mich mit sehr viel Süßkram oder einer großen Fastfood-Portion ablenke. Und genau das bekomme ich nicht in den Griff, trotz sämtlicher Versuche, damit umzugehen (aufschreiben, was dem vorausgeht, inneres Erleben reflektieren etc.). Ich verstehe die Dynamik, aber ich habe sie nicht im Griff, unter Kontrolle schon gar nicht.

    Mir geht es nicht darum, als Twiggy durch die Welt zu laufen, an einer Crash-Diät ist mir nicht gelegen. Ich würde nur gerne dieses gestörte Essverhalten in den Griff bekommen, weil es mich allzu sehr bestimmt. Ich nehme so immer mehr zu und finde die körperlichen Einschränkungen - obwohl ich mich sonst gerne bewege - enorm nervig. Mir reicht es völlig, wieder auf einen Level zu kommen, bei dem die Gelenkbeschwerden verschwinden und ich mich wieder - so wie früher - gerne bewege.

    Mit der Frage nach Sport setze ich mich seit Monaten auseinander. Ich hatte an Walken gedacht, aber die schmerzenden Gelenke (ich bin viel in Bewegung im Kontext meiner Arbeit) halten mich davon ab. Ich habe Schwimmen versucht, bis mir ein Orthopäde sagte, dass Brustschwimmen meinem Hohlkreuz extrem schadet, es sei denn, ich beherrsche die Technik absolut perfekt. Ein Crosstrainer steht als Kleiderständer im Schlafzimmer - da bin ich leider eine faule Socke.

    Was ich v.a. suche, ist ein Weg, nicht immer wieder in dieses Ablenkungsfressverhalten zu fallen. Ich würde mich über kreative Ideen sehr freuen. :)

    Lieben Gruß

    Tara

  • Hallo Tara!


    Ob meine Ideen kreativ sind, weiss ich nicht. Aber was mir immer hilft ist, gar nicht erst was wirklich *gefaehrliches* im Haus zu haben. So dass ich dann automatisch, wenn der Heisshunger kommt, ein Yoghurt, Obst oder etwas in der Art esse. Fuer den salzigen Fall sind Salzstangen recht gut (den Tip hab ich selber hier bekommen ;) ). Denn ich kenn mich, wenn erstmal was im Haus ist, dann muss es irgendwann in meine Finger.
    Des weiteren hilft mir (kann ja nur aus meiner Sicht sprechen) viel Trinken, das schwaecht das Hungergefuehl enorm.
    Und mein Favorit....Beschaeftigung. :D Denn wenn ich viel zu tun habe oder beschaeftigt bin, kommt mir essen meistens gar nicht in den Sinn. Denn wenn ich ein gutes Buch in der Hand habe, brauch ich fuer mein Glueck meistens nichts mehr.
    Vielleicht hilft es Dir ein bisschen....obwohl ich es nicht unbedingt als kreativ bezeichnen wuerde.
    Aber hier gibt es so viele Leute, die soooo viel wissen....bin sicher, dass noch wertvolle(re) Tips folgen.


    Gruss & alles Gute

  • hallo Tara,


    vielleicht hilft es Dir, in diesen Situationen, was ganz verrücktes zu machen.


    Du merkst ja ganz bewusst, wann, in welchen Situationen Du Deine Essstörung auslebst. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man dann auch ganz bewusst etwas ganz anderes macht, dann macht das erstens stolz, weil man den Kreislauf durchbrochen hat und zweitens sparts natürlich eine Menge kalorien..


    z.B. könntest Du ein Bild malen, jemanden anrufen, Socken stricken, Holz hacken, Bäume zählen gehen, der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Eine Freundin von mir, angehende Psychologin, sagt, je verrückter die Idee, desto besser. Man vergisst schnell, was man eigentlich hatte tun wollen...


    Einen Versuch wärs auf jeden Fall mal wert, oder?


    viel Erfolg!!

  • hallo tara,


    schön, dass du hierher gefunden und nun selbst geschrieben hast.


    ich wiege ein eck mehr als du (schätze mal 170 kilo bei 1,74) und kann mich erinnern, dass ich mit deinem gewicht auch nicht schmerzfrei gehen konnte. seit ich krafttraining mache (seit zwei jahren) hat sich das aber geändert. nun trage ich sogar mehr gewicht die meiste zeit schmerzfrei durch die gegend.


    du solltest also deine muskulatur kräftigen - entweder in einem studio (ich gehe zu kieser und zwar gern) oder mit so gewichtsmanschetten und regelmäßigen einfachen übungen zuhause.


    nachdem nun aber schon dein heimtrainer zum kleiderständer mutiert ist (sehr menschliche entwicklung), ist zu bezweifeln, ob du das alleine machst.
    vielleicht findest du aber eine freundin oder einen freund, die/der mit dir trainieren geht?
    vielleicht existiert bereits eine gruppe von leuten, die gemeinsam bewegung machen?
    ich habe neulich im park einen zettel gesehen, der frauen zu einem frauengehentreff einlud. sowas könntest du auch machen, wenn du dich alleine schwer motivieren kannst.


    mit dem schwimmen und dem hohlkreuz hat der arzt völlig recht. aber wie wäre es mit aqua aerobic? du bist im wasser, spürst dein gewicht nicht und tust trotzdem viel für deinen körper. in vielen bädern gibt es kurse.


    nordic walking empfiehlt sich ebenfalls für schwergewichtige, ich hab grade einen kurs gemacht und kam gut zurecht.
    und da fällt mir noch was zu deinen schmerzen ein: hast du eventuell eine fußstellung, die dir schmerzen verursachen könnte? zum beispiel senk-/spreizfuß? und welche schuhe trägst du haupütsächlich? sowas kann sehr weit hinauf strahlen - sogar bis zum kopf. weiß ich aus eigener erfahrung. geh doch mal zum orthopäden und lass deinen ganz analysieren. sowas machen auch gute sportgeschäfte. am ende weißt du, von welchen schuhen du dich fern halten solltest.


    was das essverhalten betrifft: du schreibst, du kennst die ursache, kannst es aber nicht völlig stoppen. tja dann nimm es hin, dass du essenstechnisch manchmal einen auszucker hast. wenn es doch häufiger ist, solltest du vielleicht noch mal mit therapeutischer hilfe dran arbeiten: oder probiere es mit autogenem training, das entstresst den körper spürbar, mir hat es auch essensdruck genommen.


    ich habe vor einiger zeit beschlossen, dass ich meinen körper in ruhe lasse. das heisst, ich versuche keine verformungen mehr durch essensentzug etc. aber ich tue alles, was mir wirklich spaß macht und wovon ich glaube, dass ich es auch langfristig machen werde, um meinem körper gutes zu tun. das fängt bei vollwertiger ernährung an, bei selberkochen, bei biologischen lebensmitteln und das reicht bis zu körperlicher bewegung, die mir taugt. jetzt im herbst, wo bei uns zumindest das wetter wunderbar ist, werde ich so viel wie möglich draußen gehen. und nicht vergessen: das auge tankt energien, wenn du einen sonnigen herbstwald betrachtest, die seele entstresst, wenn du liebe freunde triffst und was mit ihnen unternimmst, wenn du ins kino gehst, ein buch liest. horch in dich hinein, was dir freude macht und tu es dann.


    alles gute, lr

  • Hallo Tara,

    Als erstes einmal: super, daß du hier von deiner Eßstöprun erzählst!
    Du sagst, daß du schon therapeutische Hilfe in Anspruch genommen hast. Wielange oder wie intensiv? Hast du auch Gruppentherapie gemacht? Redest du mit deiner Familie, FreundInnen über die Eßstörung?

    Die gut gemeinten Tips von MsVivianne sind bei mir sinnlos, weil ich eßgestört bin und nicht "wenig diszipliniert" oder so. Wenn mein Körper Schokolade will im 10er Pack, dann will er keinen blöden Joghurt nur weil ich gerade keine Schokolade habe. Da stehe ich auch nachts um 3 Uhr auf und fahre ungekämmt mit Mütze zur nächsten Tanke auf der Autobahn und hole mir einen Einkaufskorb voll Milka, Ritter Sport und Mars.

    Was XXl Mum und MsVivianne sagen, daß man sich eine Beschäftigung suchen soll die einen ablenkt, trifft zwar auch auf mich zu, aber das Problem ist, dies in der Praxis umzusetzen.

    So habe ich z.B. alle Materialien um endlich meinen Torbogen zum Eßzimmer selber zu mosaiken und eine leicht mediterrane oder auch Wasserstimmung aufkommen zu lassen.
    Ich habe auch alle Materialien um einige Perlenarmbänder für meine Nichte zu machen.
    Ich habe auch alle Materialien für ein selbst mosaiktes Bild eines Förderturms von ca. 170cm*70cm welches ich seit MONATEN mache möchte.
    Ich habe auch noch ca. 8 Bücher neben meinem Bett liegen.
    Ich habe auch die neue Faust-CD von Bela B. und Thomas D., die ich endlich hören möchte.
    Desweiteren könnte ich auch meine dreckige Küche putzen oder mein Bett neu beziehen oder mein Bad mit den antistatischen Tüchern wischen, weil meine langen Haare täglich vom Boden gewischt werden sollten.
    Oder ich könnte 3 Songs einstudieren, weil ich in einem Chor singen möchte, wo man 3 Mal hinkommen kann und wenn man danach mitmachen möchte, muss man halt vorsingen (und ich kann alle Lieder halb, aber irgendwie keines ganz :o

    Es gibt also genug Beschäftigungsmöglichkeiten.
    Aber wenn ich einer davon nachgehe, dann habe ich keine Zeit mehr über meine Eßstörung nachzudenken und mich selber fertig zu machen und zu bemitleiden. Und diesen Schritt daraus schaffe ich eben noch nicht so oft, wie ich es mir wünschen würde.

    Wie geht es dir? Wie sind deine Vermeidungsstrategien?


    strategisch-nette Grüße,
    Teichrose

  • Vielen Dank für Eure netten Antworten. Schön, so viel Resonanz zu bekommen. :)

    @ MsVivianne
    Ja, das Vorhaben nichts im Haus zu haben, was einen Fressflash unterstützen könnte, setze ich normalerweise schon um. Hält mich allerdings nicht davon ab, dann abends um zehn den nächstbesten Pizzaservice anzurufen. Viel trinken mache ich. Ich esse blöderweise auch nicht dann übermäßig, wenn ich Hunger habe, sondern wenn ich keinen habe. Bizarr irgendwie.

    @ xxl-mum
    Was Verrücktes habe ich noch nicht versucht - die üblichen Ablenkunsgmanöver schon. Vielleicht sollte ich mir eine Liste verrückter Dinge zulegen. ;)

    @ Lovely Rita
    Erwischt. :D
    Kieser steht auf meiner Liste ganz oben. Zumal es nahezu bei mir um die Ecke ist. Eine Emailanfrage, ob das bei meinem Gewicht auch geht, habe ich hinter mir. Es geht. Ob ich mich traue, steht auf einem anderen Blatt. Ich hoffe, ich kann mich überwinden, auch in diesem Zustand völliger Unsportlichkeit hinzugehen. Die 400 Euro machen mir im Moment noch einen Kopf. Ich kann sie mir zwar leisten, will sie aber nicht in den Sand setzen (Crosstrainer-Syndrom). Aber ich weiss, es würde mehr als Sinn machen. Eine gemeinsame Sportgruppe für Leute meines Formates gibt es zwar, aber ich kann wegen meines Jobs (Schichtdienst) nicht regelmäßig zu den bestehenden Zeiten, und unregelmäßig geht da nicht.
    Schuhe: Ich habe - zumindest wurde das als Kind mal so genannt - Senk-Knick-Füße, eine angeblich sehr häufige Sache. Ich trage meist flache Schuhe, komme damit auch gut klar. Beim Orthopäden war ich vor ein paar Monaten - eigentlich wegen den Rückenschmerzen. Der meinte, es sei soweit alles ok, die Schmerzen hätten eindeutig mit dem Gewicht zu tun. Er hat es nett gesagt, und ich stimme ihm da auch zu, weil es bis 100 Kilo nicht so war.

    @ teichrose
    Ich mache seit ein paar Jahren eine Psychoanalyse, die mir insgesamt sehr gut tut. Das ist an sich schon genau das Richtige - auf Verhaltenstherapeutisches reagiere ich motzig. Allerdings kann auch die beste Therapie nicht mehr, als zum Verstehen beitragen. Ich habe dieses Essverhalten seit ich ein Kind bin, und in Bezug auf Akzeptanz hat sich einiges verbessert.
    Ich rede ansonsten mit einer Freundin gelegentlich darüber, aber auch nicht übermäßig viel, weil es mich selbst nervt, und weil ich weiss, dass ellenlange Diskussionen übers ach so nervige Essen mich eher selbstmitleidig-jammerig machen. Tut mir eher weniger gut im Alltagsleben.
    Ja, ich kenne Deine Verhaltensweisen, zu den undenkbarsten Zeiten die ungeeignetsten Lebensmittel zu kaufen. Wenn der Punkt erreicht ist, lass ich mich davon leider auch nicht mehr abhalten, am wenigsten durch mich selbst. So stell ich mir ein klassisches Suchtproblem vor: die innere Unruhe verschwindet erst, wenn das gewünschte Essen auf dem Tisch steht. Natürlich nur für den aktuellen Moment.
    Es führt vermutlich kein Weg daran vorbei, mir alternative Beschäftigungen zu suchen, wenn ich auch niemand bin, die nur isst, wenn sie nichts zu tun hat. Ich hab immer was zu tun, eher reichlich - das ist leider nicht der Knackpunkt. Aber eine Art "Gegenprogrammierung" sollte vielleicht her für akute Situationen, auch wenn ich mich nur sehr schwer austricksen lasse. ;)
    Meine Vermeidungsstrategien sind erschreckend simpel: ich bin von meiner eigenen Unruhe in solchen Situationen schnell angenervt und rede mir ein "nur heute noch mal". So wenig Intelligenz ist sonst nicht mein Fall, aber es funktioniert leider in solchen Momenten immer.

  • hallo tara,


    ich möchte dir das noch mal empfehlen. es ist kein großer aufwand, sobald du die grundübungen kannst, es kostet dann nix und es bringt sehr viel.


    meine erfahrung ist, dass so verbale affirmationen (auweia) wie "essen ist völlig gleichgültig" nach einiger zeit wirklich greifen. auch sätze wie "mein körper ist angenehm schwer" sind hilfreich, weil sie der selbstakzeptanz dienen und die stimmung heben.


    ich hab autogenes training von einem psychotherapeuten gelernt, das war sehr seriös und hat nicht viel gekostet.


    alles gute, lr

  • Hallo Tara!

    Ich habe mich erst heute angemeldet, daher erst heute diese Antwort. Als ich Deinen Beitrag gelesen habe, dachte ich, er handelt von mir. Ich habe genau diese Erfahrungen gemacht wie Du. uch ich habe noch keine wirkungsvollen Hilfen gefunden, das Essen zu ersetzen.

    Ich bin nun mittlerweile auch in einer Gewichtsklasse :) angekommen wo ich nicht mehr glücklich bin.

    Mit meiner Antwort kann ich Dir sicher nicht helfen, aber ich freue mich :D jemanden gefunden zu haben, der ähnliches durchmacht.

    Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg bei Deiner Suche!


    Deine blömel

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!