Wie offensichtlich muss Esssucht sein?

  • Hallo zusammen,

    hier also noch eine unfreiwillige Autorin, die mit ihrer Geschichte aus dem tragischen Kapitel Esssucht Rat sucht:

    Nachdem ich mich mittlerweile doch recht eingehend mit der Thematik auseinander gesetzt habe, suche ich gar nicht mehr so sehr nach den tieferen Ursachen. Ich habe seit der Grundschulzeit Probleme mit meinem Gewicht und bereits relativ früh die ersten Diätversuche gestartet. Meine Eltern haben dazu wahrscheinlich keinen unwesentlichen Teil beigetragen. Es war zwar nie ein offensichtlicher Druck da, aber ich konnte schon spüren, dass ihnen eine schlanke Tochter besser ins Bild gepasst hätte.
    Zudem war ich auch in anderer Hinsicht kein einfaches Kind, was vor allem meine Mutter maßlos überforderte und die Botschaft "Mit dir stimmt etwas nicht - Du bist nicht normal - Du bist verkehrt so wie du bist" recht unverblümt bei mir ankommen ließ.

    Diese Sonderrolle, die ständigen Diäten und das immer präsente Thema "Gewicht" waren, denke ich, der direkte Weg in die Esssucht. Mein Gewicht hat sich mit den Jahren zahlentechnisch eigentlich eingependelt (Ich war als Kind deutlich dicker), aber mein Essverhalten nimmt in letzter Zeit immer extremere Ausmaße an.

    Ich glaube das regelmäßige Szenario brauche ich nicht im Detail zu erläutern. Es scheint ja quasi ein festes Muster zu geben, nach dem alle Betroffenen handeln. Etliche Forenbeiträge sprechen mir da wirklich aus der Seele: Maßlose Essanfälle mit komplettem Kontrollverlust, das Gefühl versagt zu haben, sinnlose Vorsätze die die Aussichtlosigkeit eingrenzen sollen. Genau so läuft es ab. Nur gibt es bei mir keinen direkten Auslöser dafür. Ich esse an einem guten Tag, an dem ich Dinge tue die mir Spaß machen und mich ausgleichen genau so, wie an einem, an dem ich gestresst oder traurig bin.

    Außerdem würde ich meinen Fall auch nicht gerade als offensichtlich beschreiben. Ich wiege bei einer Größe von 1,75 m um die 70 kg, Normalgewicht also. Ich habe Spaß an Bewegung, ein regelmäßiges Hobby das mich ausgleicht und Menschen mit denen ich mich austauschen kann.

    Und trotzdem gibt es da diese komplett andere Seite von der niemand weiß. Eine ganz andere Welt. Ein Welt in der ich wirklich jeglichen Halt verliere, Selbsthass ein ständiger Begleiter ist und ich mich am liebsten den ganzen Tag in einer dunklen Ecke verstecken würde.

    Ich möchte nicht mehr, als ein gesundes Verhältnis zum Essen und meinem eigenen Körper.

    Wie kann es sein, dass ich so ein konfuses Doppelleben führe?

    Wieso gelingt es mir nicht, die eigentliche positive Lage aus meinem richtigen Leben auf diese zwielichtige Schattenseite zu übertragen?

  • Hallo Jane,


    wenn ich es kurz un knapp zusammenfasse, würde ich sagen, dass allein das Wissen darum, dass in der Vergangenheit nicht alles rund gelaufen ist und dadurch ein gestörtes Verhältnis zum Essen besteht, nicht reicht. Auch wenn du weißt, was die tiefe Ursache ist, ist das Problem an sich noch nicht gelöst, wenn man es überhaupt schafft es zu lösen.


    Wenn ich jetzt ein wenig weiter aushole...
    Weißt du denn, wann sich ein Eßanfall anbahnt? Wie fühlst du dich vorher, was denkst du dann über dich? Und währenddessen? Und hinterher? Diese Fragen solltest du dir beantworten, vielleicht jedes Mal aufschreiben, wenn es soweit ist.
    Man sollte versuchen, sich selbst zu akzeptieren, sich selbst, seinen Körper, anzunehmen. Wenn es Schuldgefühle gibt, sollten sie da gelassen werden, wo sie herkommen, anstatt sie auf sich selbst zu projizieren. Wie steht es da bei dir? Auch das kannst du dir aufschreiben. Zum Beispiel einen Brief an diejenigen schreiben, die dich nicht so lieben konnten, wie du warst/bist, auch wenn du ihn nicht abschickst. Solche Sachen halt. Überhaupt sollte es helfen, die eigenen Gefühle wahrzunehmen bzw. versuchen wahrzunehmen - und dann auch auszuhalten. Wie hältst du es damit?


    Dass du sowohl ißt, wenn es dir schlecht geht als auch, wenn es dir gut geht, muß nicht merkwürdig sein. Wenn es einem schlecht geht, ißt man die schlechten Gefühle weg. Wenn es einem gut geht, bestraft man sich, weil es einem "zu gut" geht... und den Rest der Zeit zügelt man sich, versucht sich zu kontrollieren, weil man ja eh schon diese "disziplinlosen" Eßanfälle hat. Da hilft oft Entspannung von innen heraus. Sich zugestehen, dass man Eßanfälle haben darf, weil sie einem auf eine ganz persönliche Art helfen, mit dem Leben klarzukommen. Und auch sonst zugestehen, nach Lust und Laune zu essen, ohne gesunde/ungesunde oder gute/böse Einteilungen.


    Was den Sport angeht: wie viel Sport machst du eigentlich so? Und welchen Sport machst du? Warum machst du ihn? Und wie fühlst du dich dabei?


    Das mit den zwei Seiten in dir, wo die eine so komplett positiv, die andere komplett negativ ist, das empfindest du wahrscheinlich so, aber so ist es nicht. Du trägst ständig alles mit dir herum, den Selbsthass auch. All das, was du bei deinen Eßanfällen erlebst, bist du sonst auch, auch wenn du es sonst ausblendest. Du bist nicht teilbar. Versuche zu ergründen, was deine "helle Seite" von deiner "dunklen Seite" lernen kann und umgekehrt. Diese beiden so scheinbar widersprüchlich gegeneinander arbeitenden Teile deiner selbst sind eigentlich ein großes Ganzes und gehören zusammen. Selbsthass wegsperren bringt nichts, ihn integrieren und mit ihm arbeiten, damit daraus Selbstakzeptanz wird, das schon eher.


    Gruß
    Dani

    Dress for the body you have RIGHT now. There is nothing wrong with you right now, and there is sure as heck no reason to wait to look good. Get up, get dressed and face the world and then do it again tomorrow. (Malia Anderson)

  • Und was sollen wir jetzt machen ? Dich bedauern oder applaudieren ? :rolleyes:



    Wie wäre es, wenn du dir den Satz noch mal anschaust, eine Verbindung zu dem einen, fettgedruckten Wort in der Mitte des Beitrags ziehst und dich dann mit dem Rest befasst?

    Ich wusste nicht, dass es hier einen Mindest-BMI gibt, um sich mitteilen zu dürfen...

    Deshalb doch auch die Überschrift...?


    @Hamster: Nun ja, das mit den Essanfällen ist so eine Sache.
    Es gibt da auch eine deutliche Tendenz ins Negative. Früher war es wirklich überschaubarer, also vielleicht 2, 3 Mal die Woche. In den letzten Monaten hat sich da allerdings eine zuverlässige Regelmäßigkeit eingestellt, die mich doch ein wenig erschreckt.

    Ich fühle davor und währenddessen eigentlich gar nichts. Ich nehme mir nur immer vor, einfach mal einen Tag normal zu essen (also wirklich normal, keine nicht einhaltbaren Kalorienbegrenzungen oder so was) und nicht jedes Mal in Hinsicht auf Essensmengen total auszurasten. Tja, und das Gefühl danach...schrecklich. Versagt zu haben eben.

    Zum Sport: Ich reite 3 Mal die Woche, habe diesen Sommer mit Joggen angefangen, war ansonsten auch viel mit dem Rad oder den Inlineskates unterwegs und habe außerdem gelegentlich noch Tennis gespielt. Also doch einiges an Programm.

    Warum? Weil es mir Spaß macht und mich ungeheuer ausgleicht. Es ist toll den eigenen Körper so zu spüren und gleichzeitig zu sehen, wie stark man von innen heraus wird. Ich gehe beim Sport gerne an meine Grenzen - nicht aus falschem Ehrgeiz oder weil ich mich selbst dazu zwinge - einfach, weil es mir ganz ernsthaft eine Art innerer Frieden gibt, der mir sehr gut tut.

    ABER das war im Sommer. Momentan reite ich, mehr nicht. Und ich merke den fehlenden Ausgleich enorm. Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb ich beim Essen gerade so sehr den Halt verliere...?

    Hm...okay, dass ich auch esse, wenn es mir gut geht, heißt also, dass ich jegliches Gefühl das ich empfinde, komplett übers Essen kompensiere? Ich meine...das ist ein Problem oder?

    Wo ist dann der Punkt, an dem ich ansetzen soll?


  • Wo ist dann der Punkt, an dem ich ansetzen soll?



    Geh' zum Therapeuten.

    Ausserdem, bei Deinem Sportprogramm "Zitat: Ich gehe beim Sport gerne an meine Grenzen...usw.", ist völlig normal das Du "Kohldampf" hast.
    Dein Körper scheint die Kalorien zu brauchen und auch zu verarbeiten, wie Dein Normalgewicht beweisst.

    Du kannst hier selbstverständlich schreiben was Du willst aber mir musst Du auch zugestehen, dass ich, nach deiner Schilderung, dass nicht ganz ernst nehmen kann.

  • Letzten Endes kann dir hier keiner mit Bestimmtheit raten, was zu tun wäre, da die Angelegenheit doch individuell ist. Da ist der Rat mit dem Therapeuten doch angebracht. Schließlich sind hier fast alle Laien...
    Wenn du viel Sport machst, kann es durchaus sein, dass du dich besser fühlst, vor allem wenn du gerne an deine Grenzen gehst. Vielleicht ist dir ja "Runner's High" ein Begriff.
    Es kann sein, dass dir das andere Sport deswegen jetzt fehlt, weil eben auch dieser Kick dabei fehlt. Das kann nämlich auch süchtig machen, süchtig nach Endorphinen, die der Körper ausschüttet. Ob das bei dir nun so ist, kann ich aber nicht beurteilen.
    Allerdings ist die Kombination viel Sport + Essanfälle etwas, das mit Sport-Bulimie beschrieben wird - statt zu erbrechen, treibt man sehr viel Sport und geht dabei an seine Leistungsgrenzen. Und beim Essen ißt man abwechselnd wenig/normal und viel zu viel (Eßanfälle halt). Wiederum kann ich aber nicht beurteilen, ob das bei dir der Fall ist.


    Andersrum ist es einfach gut möglich, dass du dich einfach sehr viel bewegst und zu wenig ißt, wodurch dich dann dein Körper dazu zwingt, immer wieder ausreichend zu essen, damit du dein Gewicht hältst. Da aber solche "Anfälle" als undiszipliniert gelten, schämt man sich deswegen. In dem Fall wäre es vielleicht einfach nur ein Ungleichgewicht und keine Störung. Allerdings könnte sich aus diesem Ungleichgewicht eine Störung entwickeln, wenn es anhält.


    Zitat von jane

    Ich fühle davor und währenddessen eigentlich gar nichts. Ich nehme mir nur immer vor, einfach mal einen Tag normal zu essen (also wirklich normal, keine nicht einhaltbaren Kalorienbegrenzungen oder so was) und nicht jedes Mal in Hinsicht auf Essensmengen total auszurasten.


    Bei diesem hier bleibt die Frage, was du als normal empfindest und ob das, was du als normal empfindest, eventuell zu wenig ist für dich. Allerdings kann allein die Aussicht darauf, dass das Essen in irgendeiner Form begrenzt werden soll, schon Stress und Übersprungshandlungen auslösen. Ich lese daraus, dass du versuchst, dich zu kontrollieren. Das mit dem kontrollieren hat allerdings oft einen unkontrollierbaren Effekt, nämlich gerade dann einen Eßanfall. Vielleicht wäre es besser, die Strategie zu ändern und einfach alle Kontrolle über Bord zu schmeißen, lieber auf den eigenen Körper zu vertrauen und nicht mehr darauf zu achten, wie viel man isst. Sich einfach sattessen, körperlich sattessen, nicht seelisch. Da wirds wahrscheinlich zuerst ziemlich viel sein, was man ißt, aber das pendelt sich dann nach einigeer Zeit wieder ein... das wäre ein Vorschlag, den man ausprobieren kann.


    Also, am Ende nochmal den Anfang: da die Eßstörung als solches ein seelisches Problem ist, am besten zu einem Therapeuten gehen, der sich damit auskennt und mit dem man zurechtkommt.


    Gruß
    Dani

    Dress for the body you have RIGHT now. There is nothing wrong with you right now, and there is sure as heck no reason to wait to look good. Get up, get dressed and face the world and then do it again tomorrow. (Malia Anderson)



  • Du kannst hier selbstverständlich schreiben was Du willst aber mir musst Du auch zugestehen, dass ich, nach deiner Schilderung, dass nicht ganz ernst nehmen kann.


    :confused: Warum denn? Hier ist eine offensichtlich Essgestörte, die mit ihrem Essverhalten nicht zurecht kommt.

  • :confused: Warum denn? Hier ist eine offensichtlich Essgestörte, die mit ihrem Essverhalten nicht zurecht kommt.


    Na ja, ich muss gestehen, dass ich in den Schilderungen von Jane, auch keine klassische Essstörung erkennen kann. Vielmehr scheint es darum zu gehen, das als normale Menge anzusehen, was ein Körper nun einmal braucht, wenn viel Sport getrieben wird. Hier schreibt eine normalgewichtige Frau die sich viel bewegt, dass es ihr zuviel erscheint, was sie isst. Tut mir leid, ich sehe darin keine Problematik im Sinne des hiesigen Forums.


    LG

  • @s.naumann


    Normalgewicht und Eßstörung schließen sich nicht aus. Wen sie unter ihrem Eßverhalten leidet, sollte sie aktiv werden. Das ist dabei nämlich der springende Punkt, nicht das Gewicht. Viele Bulimiker zum Beispiel sind normalgewichtig.
    Ob es bei ihr nun tatsächlich eine Eßstörung ist, kann keiner von uns wissen, deshalb ja der Rat mit dem Therapeuten...


    Gruß
    Dani

    Dress for the body you have RIGHT now. There is nothing wrong with you right now, and there is sure as heck no reason to wait to look good. Get up, get dressed and face the world and then do it again tomorrow. (Malia Anderson)

  • :confused: Warum denn? Hier ist eine offensichtlich Essgestörte, die mit ihrem Essverhalten nicht zurecht kommt.



    Und ob ich ihre Schilderung (für mich) ernst nehme oder nicht, liegt in meinem Ermessen, dass ich mir auch nicht streitig machen lasse.
    Im übrigen habe ich ihr den Rat gegeben zum Therapeuten zu gehen. Was beweisst das ich mir sehr wohl Gedanken gemacht habe.

  • Na ja, ich muss gestehen, dass ich in den Schilderungen von Jane, auch keine klassische Essstörung erkennen kann. Vielmehr scheint es darum zu gehen, das als normale Menge anzusehen, was ein Körper nun einmal braucht, wenn viel Sport getrieben wird. Hier schreibt eine normalgewichtige Frau die sich viel bewegt, dass es ihr zuviel erscheint, was sie isst. Tut mir leid, ich sehe darin keine Problematik im Sinne des hiesigen Forums.

    LG



    So sehe ich das auch.

  • Normalgewicht und Eßstörung schließen sich nicht aus. Wen sie unter ihrem Eßverhalten leidet, sollte sie aktiv werden. Das ist dabei nämlich der springende Punkt, nicht das Gewicht. Viele Bulimiker zum Beispiel sind normalgewichtig.
    Ob es bei ihr nun tatsächlich eine Eßstörung ist, kann keiner von uns wissen, deshalb ja der Rat mit dem Therapeuten...


    Ich machte meine Einschätzung auch nicht explizit am Gewicht fest. Du erzählst mir hier gerade nichts für mich Neues. ;) Vielmehr sind es die Schilderungen zu ihrem Verhalten und den nicht außergewöhnlichen Empfindungen, die mich von einer Essstörung abbringen.


    Du hattest es, in einem Post hier, so ausgedrückt:

    Zitat

    Andersrum ist es einfach gut möglich, dass du dich einfach sehr viel bewegst und zu wenig ißt, wodurch dich dann dein Körper dazu zwingt, immer wieder ausreichend zu essen, damit du dein Gewicht hältst. Da aber solche "Anfälle" als undiszipliniert gelten, schämt man sich deswegen. In dem Fall wäre es vielleicht einfach nur ein Ungleichgewicht und keine Störung. Allerdings könnte sich aus diesem Ungleichgewicht eine Störung entwickeln, wenn es anhält.

    Dem kann ich mich weitestgehend anschließen. Den Rat mit dem Therapeuten kann ich ebenso unterschreiben. Dennoch ist das hier Geschilderte, in meiner höchstpersönlichen Ansicht, in diesem Forum deplatziert. Vielleicht eines für Magersucht oder Bulimie, aber nicht auf einem Board wie diesem hier. Das ist mein persönliches Empfinden dazu, dem ich hiermit Ausdruck verlieh.


    LG
    Sarah

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