Zitat von Dr. House
Teilweise war mein Selbstbewusstsein so weit unten, dass ich eine bestimmte Zeit lang die Öffentlichkeit gemieden habe. Ich wollte nicht mehr in die Stadt, nicht mehr ins Kino ... wollte einfach nur noch für mich sein.
An solche Phasen kann ich mich auch erinnern, bzw. merke ich in der Retrospektive, dass diese immer dann mal wieder aufgetreten sind, wenn ich ohnehin unter starkem Druck stand.
Zitat von Dr. House
Mittlerweile ist das anders. Die Blicke fremder Menschen in der Öffentlichkeit interessieren mich nicht mehr so wie damals. Sie engen mich nicht mehr ein, machen mich nicht mehr traurig - machen mir keine Angst mehr. Das einzige, was diese Blicke bei mir anrichten, ist Wut. Die Wut auf den meisten Teil der Gesellschaft. Die Wut darauf, dass man nicht so sein darf wie man ist - dass man nicht so leben darf, wie man will und, dass man nicht so aussehen darf, wie man nunmal aussieht. Und für die meisten Menschen ist es leider so, dass ein übergewichtiger Mensch nicht richtig ist, sondern falsch.
Dafür meinen Respekt, ich kann von mir nicht behaupten, völlig von dieser Angst vor Fremdbewertung befreit zu sein. Ich habe für eine solche Errungenschaft auch viel viel länger gebraucht. Zugang zur Wut in solchen Situationen musste ich erst mühsam erlernen. Allerdings empfinde ich in guten Phasen auch eher so etwas wie eine gewisse Distanz und Gelassenheit dazu und es fällt mir dann auch kaum noch negativ auf.
Bezüglich deiner schulischen Erlebnisse kann ich mich in vielem wiederfinden, wenn auch meine Mobbing-Phase im Nachhinein betrachtet recht kurz war, so hat sie mich recht nachhaltig beeinflusst und ich habe auch heute noch Angst davor, wieder in eine solche Situation zu geraten, deswegen habe ich mir ein großes Vermeidungsspektrum zugelegt, was mir eher zum Nachteil geraten ist.
Aber da haben auch noch einige andere Faktoren dazu beigetragen, letztendlich, dass kann ich heute mit Abstand sagen auch meine eigene Persönlichkeit und meine Entscheidungen.
Bezüglich deiner familiären Situation bestürzt mich das Verhalten deiner Familienmitglieder sehr. Ich nehme dann auch nicht an, dass sie dir durch die schwere Zeit in der Schule helfen konnten?
Gab es überhaupt Menschen, die dich auf deinem Weg zum Selbstbewusstsein bestärkt haben, oder hast du das meiste aus eigener Kraft bewerkstelligt?
Zitat von Dr. House
Wenn ich z.B. mit meiner Oma in einem Geschäft bin, und dort nach Klamotten gucke ... dann fängt sie meistens einen Smalltalk mit der Verkäuferin an. Und immer wieder ist es das Gleiche: "Meine 2. Enkelin ist das komplette Gegenteil von der hier. Die ist richtig schlank - wie ein Model." usw. Und das ist eigentlich das, was mich am Meisten stört. Nirgendwo kann man so sein wie man ist. Nein, von irgendwo kommt immer irgendjemand, der einem das sozusagen "verbietet".
Mein Oma war von meiner Zunahme damals auch "not amused" und es hat sich bis zu ihrem Tod auch nichts daran geändert.
Ich muss aber auch sagen, dass mir ihr Werturteil nie soviel bedeutet hat, weil wir uns zeitlebens irgendwo fremd geblieben sind und ich mit ihrer Art auch nie soviel anfangen konnte.
Ich bin mir aber sicher, dass sie mich auf ihre Art geliebt hat.
Weißt du, ich glaube, ein gewisser Anpassungsdruck ist fast immer da. Den merke ich auch in meinem vertrauten Umfeld, da geht es auch gar nicht um Gewicht sondern eher um Wertvorstellungen. So richtig frei von der Leber rede ich auch nur mit ganz wenigen Leuten.
Irgendwo in Acht nehmen und eine gewisse Fassade waren tue ich in vielen Situationen, ich glaube, das geht auch gar nicht anders.
Selbstverständlich gibt es aber auch immer wieder Anlässe, wo ich mich frei entfalten kann.
Im Freundeskreis geht das bei mir am ehesten, weil da viele ähnlich ticken.
Und in der Öffentlichkeit versuche ich mir meine Freiheiten in einem gewissen Rahmen dann auch einfach zu nehmen, ich finde, ich habe das Recht dazu, und das verteidige ich auch.