hallo neue,
ich hab grad gelesen, dass du aus meinem heimatdorf stammst. aber ich bin zwei jahre älter....
zu deiner frage: ich kann nur von mir sprechen- ich war vor drei jahren in bad bramstedt in der psychosomatischen klinik. dort habe ich es vorgezogen, nur persönlichen kontakt zu meinem mann zu haben. telefoniert habe ich vielleicht zwei mal mit meinen elternteilen; das eine mal auch nur, um meine mutter mal auf den pott zu setzen. ich habe mich auch nicht anrufen lassen, also keine telefonnummer rausgegeben. ich brauchte diese zeit einfach für mich. ich war auch über ein wochenende zu hause; es war schön, viel gemacht habe ich aber nicht.
ich würde es immer wieder so machen. für viele ist die zeit der klinik zeit für sich selbst, zeit, die man für sich selbst braucht. aber das konnte ich mir vorher auch nicht vorstellen. vor dem aufenthalt wäre ich gern jedes wochenende nach hause gefahren. als ich dann da war, war ich froh, am wochenende dableiben zu können. nach hause fahren war eh nicht erlaubt. ich habe erst dort gemerkt, wie wichtig diese zeit für mich ist. das wochenende zu hause war dafür gedacht, um zu schauen, was man dann in der klinik noch bearbeiten kann, was noch nicht dran war, was vielleicht noch wichtig war. sozusagen ein kleiner ausblick wieder in das leben danach.
ich war wegen depressionen, borderline, phobien und essstörung da. insgesamt acht wochen. für mich war nach der zeit extrem wichtig, dass mich jemand auffängt, wie dann meine neue therapeutin. denn nach der klinik muss man wieder in den alltag finden, das erlernte versuchen umzusetzen.
ich habe eine soziale phobie. daher kenne ich deine ängste. ich habe den ersten tag soviel geheult. das hat aber gar keinen gestört. da hat keiner was gesagt. alle haben so getan, als ob alles in ordnung ist und ich gar nicht weine. ich habe die ersten tage auch ganz viele fragen und wahrscheinlich blöde fragen obendrein gestellt. und hab mich ständig dafür entschuldigt. vor jeder anwendung habe ich mich rückversichert, wo ich hin muss. aber auch da hat keiner was gesagt. das ist normal, weil jeder irgendwann neu ist. verlaufen habe ich mich auch mal. ist normal.
ich glaube, ich hab mir über alles mögliche gedanken gemacht. und hinterher war es ganz einfach, weil alle wussten, wie es als neue ist. das war aber nicht nur auf meiner station so, sondern auf jeder. in bad bramstedt war das so, dass jeder einen paten hatte. das heißt, einer war für den neuen verantwortlich. der hat dann am abend den neuen in der klinik rumgeführt, bischen was erzählt, und war dann in der ersten woche die anlaufstelle für alle fragen. und irgendwann war man dann lange genug da und man hatte selbst ein patenkind.
die zeit in der klinik war für mich unwahrscheinlich schön. ich habe viel über mich gelernt. ich habe viel mitgenommen für zuhause. ich wurde nicht blöd angesehen, nur weil ich draußen nicht so funktioniere wie andere leute. ich habe geweint und gelacht. ich war mit leuten zusammen, habe neue leute kennengelernt und habe mich aber auch mal eine woche abends im zimmer verkrochen. weil ich das brauchte. das hat nie einer hinterfragt. sondern das war o.k.
ich habe dort leute getroffen, die schon das zweite mal oder dritte mal da waren. manche waren auch mal über weihnachten oder ostern da. diese sind in der klinik geblieben. auch ich würde diese entscheidung so treffen. ich habe aber auch acht wochen in der klinik hinter mir und habe ganz bewusst auf fast alle kontakte verzichtet, um zu mir nach innen zu finden. und etliche in der klinik haben genauso gehandelt. wie du dich entscheiden wirst, wird dir wahrscheinlich erst in der klinik klar werden, denke ich. setz dich da nicht unter druck. du wirst wissen, was das richtige für dich sein wird. mach deine entscheidung nicht abhängig von anderen, weder zu hause noch in der klinik, sondern geh nur nach deinem gefühl. vielleicht werden dir manche entscheidungen, die du dort triffst, erstmal merkwürdig vorkommen, oder du wirst auf gegenwind von deinen lieben treffen. aber das ist dann das persönliche problem deiner lieben, nicht dein problem. (so ein telefonat hat ich grad heut mit meinem vater; der hat heute auch den satz zu hören bekommen, dass es sein persönliches problem ist und nicht meins. ach, das war mal wieder schön, festzustellen, dass ich mir den schuh nicht anziehe, den andere mir hinstellen wollen.)
ich freue mich auf jeden fall für dich, dass du dorthin fährst. es wird bestimmt spannend. und heimweh hatte ich in der zeit auch immer mal wieder. aber auch da war ich nicht die einzige. irgendwer ist dann immer da, der einen mal in den arm nimmt, wenn man es braucht.