Ja, es stimmt, dass sich im letzten halben Jahrhundert sehr viel getan hat und ich glaube auch, dass viele Frauen das manchmal gar nicht so richtig zu schätzen wissen.
Aber ich denke, dass auch heute noch vieles im Argen liegt. Frauen verdienen im Schnitt immernoch weniger als Männer, es gibt immernoch weniger Frauen in Führungspositionen etc. Was ich persönlich aber am Schlimmsten finde ist die Festlegung auf Rollenklischees (himmel, schreibt man das so?). Bis vor ein paar Jahren war ich auch der Meinung, dass Frauen in Deutschland eigentlich gleichgestellt sind und dass es so etwas wie ein Rollenklischee nicht mehr gibt. Emanze war für mich eher ein Schimpfwort und Alice Schwarzer fand ich unmöglich. Mein Aha- Erlebnis war ein Kurs an der Uni über Koedukation. Die Dozentin war großartig und hat mir die Augen für eine manchmal doch ziemlich zermürbende Realität geöffnet. Ich habe damals ein Referat über männliche und weibliche Körpersprache gemacht- und war schockiert (ein zu weites Feld um es hier auszubreiten, aber achtet einfach mal darauf). Es gibt noch immer eine ganz klare (von Männern und Medien geformte) Vorstellung davon, wie eine Frau zu sein hat. Das eigentlich Spannende ist aber, dass es die Frauen sind, die auf dieses Bild bestehen und eine regelrechte "Stutenbissigkeit" entsteht, wenn sich jemand diesem vermeintlichen Ideal entzieht (eine männlich wirkende Frau, eine breitbeinig sitzende Frau- ich denke, auch dicke selbstbewusste Frauen fallen in diese Kategorie).
Versteht mich nicht falsch, ich bin keine Männer-Hasserin, aber ich denke, dass wir Frauen in eine Rolle hineinmanipuliert werden, die wir manchmal selbst gar nicht durchschauen. Hätte man mich vor Jahren mit diesem Thema konfrontiert, hätte ich gesagt: "Ich kleide mich so, weil es MIR gefällt und sonst nix. Und ich verhalte mich so wie es MIR gefällt. Ich lasse mich doch nicht manipulieren." Heute denke ich darüber anders. Autowerbung richtet sich nach wie vor an Männer (wenigstens bei den teuren Autos), Putzmittelwerbung an Frauen. Für wen trage ich wirklich Schuhe mit hohen Absätzen und warum ist Frauenkleidung, die als schick gilt, in den meisten Fällen unbequem und wenig praktisch? (Das heisst nicht, dass ich mich nicht gerne modisch anziehe, aber dennoch sollte man bedenken, warum man sich eigentlich so ausstaffiert- auch wenn jetzt wieder alle schreien "Weil es mir gefällt!". Ja, natürlich gefällt es euch. Weil Frauen Anerkennung dafür bekommen, wenn sie ins Schema passen, sich schick anziehen, schminken etc. Das ist es doch, was wir lernen: Für dieses Schema bekommen wir Bestätigung ergo Liebe (gut, etwas überspitzt) und DESHALB erfüllen wir es. Und nicht, weil man in High Heels so bequem laufen kann )
Ich denke auch, dass das der Grund ist, warum dicke Frauen wie wir oftmals angepöbelt oder "verachtet" werden: Weil wir nicht in dieses Schema passen. Richtig "schlimm" wird es dann, wenn wir uns auch noch dazu bekennen, dass wir uns dick okay finden. Das Minimum, das man von einer dicken Frau erwartet ist doch, dass sie alles tut (in erster Linie also abnehmen), um dem weiblichen Ideal wieder näher zu kommen.
Das alles scheinen Kleinigkeiten zu sein, aber ich denke, sie prägen unsere Gesellschaft und wir sind nach wie vor weit von der Gleichberechtigung entfernt- nicht zuletzt deshalb, weil wir Frauen uns auch gegenseitig Keile zwischen die Beine schmeissen.
Amen.