Beiträge von AgnesNitt

    Zu dem Thema Begehren: Dein Vergleich mit der Entdeckung der Zuneigung zum gleichen Geschlecht ist doch der beste Beweis, dass sich Begehren jenseits der Sozialisation und Erziehung entwickeln kann.


    Oder wie erklärst Du Dir das Coming Out vieler Menschen in einem auch heute noch überwiegend heteronormativ geprägten Kontext? Von früheren Zeiten ganz zu schweigen, als Homosexualität im öffentlichen Diskurs gar nicht vorkam oder sanktioniert wurde.


    Natürlich haben Normen einen Einfluss auf uns- gerade deshalb hat man es so schwer, wenn man von ihnen abweicht.
    Aber zu sagen man könne nur in einem gesellschaftlich vorgegebenen Rahmen begehren ist zu kurz gegriffen und zu vereinfacht.


    Und ja, der TE begehrt eben NICHT eine dicke Frau. Vielleicht würde er es auch nicht tun, wenn Dicksein die Norm wäre. Vielleicht würde er es dann tun, weil er „nur“ ein Problem mit dem Anderssein hat. Auf alle Fälle hat er recht schnell eine Lösung für sein Problem gefunden: die Dame soll abnehmen. Und seine Beweggründe warum er ein Problem mit dem Körper der Frau hat, will er meines Erachtens doch gar nicht hinterfragen.

    Das stimmt schon, Maus, nur sehe ich bei dem TE nicht die nötige Bereitschaft sich mit der Hinterfragung von Normen, Werten auseinanderzusetzen. Seine Freundin soll sich den gängigen Idealen anpassen und dann wird alles gut. Mit dem Denken „Normal ist aber was anderes“ und einer damit einhergehenden Geringschätzung seiner (hoffentlich jetzt doch nicht) Freundin kommt er mit seinem Problem nicht weiter.


    Trotzdem gefällt mir Dein Ansatz :)

    @ Jenny 87
    Ich finde das ist ein guter Kommentar zu diesem Thema.
    Du hast eine sehr schöne Definition von Partnerschaft.

    Wie kann man eigentlich so pauschalisierend behaupten, dass Männer (oder Frauen) sich nicht auf eine Beziehung mit einer Person mit etwas mehr auf den Rippen einlassen würden?
    Wie vielen Männern und Frauen tut man damit Unrecht?
    Man spricht verallgemeinernd von einer nicht näher definierten Masse, die aber evtl. gar keinen Bezug zu einem selbst hat.
    Ich pfeif doch darauf, ob mich tausend andere Menschen unattraktiv oder attraktiv finden, wenn ich in einer harmonischen Beziehung lebe und geliebt und begehrt werde.
    Warum ist es so enorm wichtig, dass man als Sexsymbol gilt? Welchen Maßstab legt man in diesem Fall an sich selbst- und auch an andere?
    Und für wen macht man sich eigentlich selber runter, wenn man doch gar nicht mit der ganzen (oben erwähnten, nicht näher definierten und angeblich für das allgemeine Meinungsbild verantwortlichen Masse) eine Beziehung eingehen kann- weil man nicht lange genug lebt um mit jedem in die Kiste zu steigen?

    Warum sein Leben vergeuden und immer fremdbestimmt leben?
    An die Frauen, die sich als „Ware 2. Klasse“ sehen:
    Was wollt Ihr denn eigentlich?
    Welche Erwartungen habt Ihr an eine Beziehung?

    Bevor Ihr sagt: „keiner will mich“ fragt Euch doch: „was will ich?“ und geht auf die Suche nach dem, was Ihr wollt. In diese Suche wäre Eure Zeit wesentlich sinnvoller investiert, als in die Grübelei über Euer Schicksal als Dicke.

    Und zum Zitat von Laluhna
    „Aber zum Thema,ich habe auch das Gefühl daß Männer mehr auf schlanke Frauen stehn,höchsten bis Größe 42.Ich habe auch noch nie bemerkt daß mal einer Frau in Größe 50 oder mehr nachgepfiffen wird.“

    Das ist doch absoluter Quatsch! Ich wurde mit dieser Kleidergröße sehr oft angegraben und manchmal wurde mir auch nachgepfiffen. Aber ehrlich gesagt stehe ich nicht sonderlich auf Zuneigungsbekundungen dieser Art…

    Und noch was: Man sollte sich von den Leuten fernhalten (oder sich zumindest von ihnen unabhängig machen), die einen für wertlos halten. Und ja, man kann das schaffen, auch wenn man ne üble Kindheit hatte, die hatte ich übrigens auch. Es ist blauäugig zu glauben, dass man in eine Welt hineingeboren wird, in der man um nichts kämpfen muss. Aber die Leute, die Kämpfen gelernt haben, sind meistens die interessanteren- manchmal werden sie sogar mit einem Nobelpreis ausgezeichnet. Und manchmal finden sie sogar den richtigen Partner;)

    suki
    Was denn bewusst verschweigt?
    Dass man dick ist?
    Klar, wenn ich meinem Mailpartner nicht explizit erkläre, dass ich dick bin, geht er in aller Selbstverständlichkeit davon aus, dass ich schlank bin, weil das ja die Norm ist.
    Also warne ich ihn lieber mal vor.
    Hey, es gibt nicht die Norm, ich könnte dick, dünn, rotgelbgrün oder kariert sein, ich muss niemanden darauf vorbereiten.
    Jeder Mensch, der neue Leute kennenlernt (vor allem über´s Internet) geht das Risiko ein, auf jemanden zu treffen, der ihm nicht gefällt.
    Und im Laufe der Zeit und mit wachsender Erfahrung geht für einen die Welt auch dann nicht unter, wenn man mal n Korb bekommt (weil man sich als Dicke nicht mehr defizitär fühlt, sondern weil man sagt: „dann passt´s halt nicht).
    In dem Wort „Enttäuschen“ steckt das Wort „Täuschen“, dann hat man sich wohl in jemandem geirrt (und ich betone noch mal, die beiden kennen sich in dem Sinne noch nicht so wirklich, da stecken doch wesentlich mehr Erwartungen als wirkliches Kennen dahinter).

    Es ist auch nicht unehrlich, weder mir selbst noch dem anderen gegenüber, wenn ich mich selbst nicht sofort auf eine „Dicke“ reduziere.
    Verstehst Du, mit so was schürt man eine Kette von Vorurteilen.
    Ich unterstelle meinem Gegenüber, dass er davon ausgeht, dass ich schlank bin, dass er eventuell was gegen Dicke hat (provokativ gefragt: warum sollte er?), dass er enttäuscht ist, wenn er mich sieht. Dass Dicke andere vorzuwarnen haben, dass sie dick sind und damit, dass Dicksein defizitär ist, dass Dick von der Norm dünn abweicht (oder würdest Du auch darüber nachdenken, ob Du Deinen Mailpartner vorsichtig darüber informierst, dass Du schlank bist- außer um Dich von Dicken zu distanzieren? etc.)
    Ich reproduziere die Vorurteile, die ich selbst erfahren habe und füge mich somit brav ins Bild.

    Das will ich aber nicht. Ist mir auch schnurz, ob die Leute, die ich kennenlerne, dafür Verständnis haben oder nicht, ich tue dies für mich, weil das meine Überzeugung ist.
    Ich käme mir so was von schlecht (mir selber gegenüber) vor, wenn ich mich bei irgendjemand dafür entschuldigen oder rechtfertigen müsste, dass ich dick bin. Dazu gehört für mich auch jemanden „vorzuwarnen“.

    Oje, ich kann Deine Bedenken zwar nachvollziehen und verstehen, aber ich habe es mir zum Prinzip gemacht Menschen, die ich z.B. über´s Internet kennengelernt habe, nie über meine Figur zu informieren.
    Weil ich mir in aller Pampigkeit (was vielleicht kein wahres Selbstbewusstsein ist) denke, dass mein Dicksein kein (oder nicht das Einzige) Kriterium sein darf mich nicht zu mögen, zu begehren oder was auch immer. Ich bin auch nicht sonderlich verletzt, wenn sich eine Internetbekanntschaft nach dem ersten Treffen nicht mehr meldet, hab mich aber auch noch nie via Internet verliebt.
    Ich frag mich so´n bisschen wovor Du Angst hast.
    Wirklich davor, ihn zu verlieren? Denn noch hast Du ihn ja eigentlich nicht. Ihr versteht Euch im Schriftkontakt ganz gut und er ist Dir sympathisch, aber ihr kennt Euch noch gar nicht richtig.
    Oder geht´s darum, dass Dir als Dicke „bewiesen wird“, dass Du „defizitär“ bist.

    Mein Tipp wäre: Trefft Euch einfach, wenn´s klappt ist´s prima, ansonsten hast Du nix verloren, denn wenn er Dich dick nicht mag, dann ist es doch wohl auch nicht der Mensch, den Du gesucht hast.
    Denn MEIN Kriterium, das ICH an die Menschen stelle, in die ich mich verlieben oder die ich mögen soll ist, dass sie mich (und auch andere Dicke) akzeptieren.

    Toitoitoi, A.

    Jetzt kommt gerade auf 3Sat eine Dokumentation über die Opfer der Odenwaldschule.
    Einer der Betroffenen sprach von der Gefahr, dass die Schuld umgekehrt wird (das Opfer ist ja selber schuld) und dass er es für eine Taktik hält, um einem unangenehmen, unfassbaren Thema aus dem Weg zu gehen.


    Mendi, Danke, wollte nur wissen, ob Du die Zuschreibung asozial in Anführungsstrichen meintest. War ja wohl der Fall. Übrigens finde ich „Hatz4“ sehr passend.

    Zitat Mendi: „Diese Personen ist keine asozialer Hatz4 Empfänger“
    Da der Satz grammatikalisch etwas undurchsichtig ist bin ich mir nicht sicher, ob das mit dem „Hatz“ nicht nur ein Schreibfehler war.
    Ansonsten würde ich es als Versuch interpretieren, dieser Aussage einen Hauch von Ironie zu verleihen, denn ich hoffe sehr, dass das mit dem „asozial“ nur ein Scherz war.
    Oder darauf hinweisen sollte, mit welchen Vorurteilen sich ALG II- Empfänger rumschlagen müssen.

    Hallo Biene,
    mein Tipp wäre, dass Du Dich aus einer Perspektive von „leicht oben“ fotografieren lässt.
    Aber wichtig: nur leicht, da ansonsten schnell ein unsicherer, etwas unterwürfiger Eindruck entstehen kann (Unschuldsengelchenblick von unten) und Du willst wahrscheinlich auf Deinem Foto kompetent und selbstbewusst wirken ;) Möglichst aufrecht sitzen und den Kopf evtl. ein bisschen vorschieben. Von einem verdeckenden Schal würde ich auch abraten, aber ein netter Blusenkragen (nicht bis obenhin geschlossen) umschmeichelt den Hals. Überdies entsteht durch einen V- Ausschnitt eine optisch streckende Wirkung. Mach doch mal ein paar Versuche vor dem Spiegel oder fotografiere Dich selbst und erkunde Deine Schokoladenseite.
    Lieben Gruß, A.

    Hallo Toni,
    leider kenne ich die genaue Definition von Alkoholismus nicht, aber ich glaube dass „Gewohnheitstrinken“ durchaus schon eine Form dessen sein kann.
    „Gewohnheit“ mag zwar erstmal gemütlich klingen, heißt aber doch, dass die betroffene Person sich (auch körperlich) bereits an den Alkoholkonsum gewöhnt hat.
    Vielleicht besteht in dieser Phase des Alkoholismus noch keine körperliche Abhängigkeit mit Entzugserscheinungen, aber wie steht es mit der psychischen Abhängigkeit?
    Auch zeigt die Formulierung „Selbstbeschränkung auf eine Flasche Wein“ schon die Gefahren, bzw. die Tendenzen, die sich aus solchem Umgang mit Alkohol ergeben.
    Ich finde eine Flasche Wein/Tag mehr als bedenklich und glaube auch nicht, dass es der Gesundheit zuträglich ist (ein Gläschen Wein soll angeblich gesund sein, nicht ein Fläschchen! Und ich finde das schon viel).
    Lieben Gruß, A.

    Und nochmal OT:
    Sich zu pflegen und sich selbst mit Wertschätzung zu behandeln kann ja vieles bedeuten.
    Deshalb muss man sich ja nicht gleich schminken. Ich gebe mac in der Hinsicht recht:
    Wenn man im Inneren ein ganz mieses Selbstbild hat, so hilft es auch nicht, sich nach Außen als Vamp zu verkaufen. Das ist dann eine Maske. Und möchte man wirklich an der Anerkennung wachsen, die in dem Fall nur dem äußeren Erscheinungsbild entgegengebracht wird? Verzeiht den fiesen Vergleich, aber Anerkennung bekommt man auch dafür, dass man abnimmt. Wichtig ist doch, dass man mit Körper und Seele im Einklang lebt. Und dass man sich individuell (evtl. auch von der Norm abweichend) entfaltet. Und dass sich schminken (bezogen auf Frauen) mit Schönheit und gepflegt sein in Verbindung gebracht wird, ist m.E. auch nur eine im gesellschaftlichen Diskurs verankerte Norm. Ich hab nix dagegen, wenn sich jemand schminkt, weil es zu seiner (naja, häufiger wohl ihrer) Persönlichkeit passt, aber man sollte aufpassen, dass man es nicht idealisiert.

    Lieben Gruß,
    A.

    Zitat mac:

    Zitat

    Zum Thema Kleidung und Schminke hab ich ne Einstellung die den meisten hier warscheinlich unverständlich vorkommt. Denn selbst wenn du dich typisch anziehst wie man es von anderen erwartet, weil die der meinung sind es passt gut zu deinem Typ oder macht was aus dir. Denke ich das dies vielleicht sein mag aber dir persönlich nichts helfen wird. Damit kannst dich dann verstecken und erreichst wahrscheinlich auch das Ziel, das du mehr gemocht wirst oder akzeptiert oder wie auch immer man das nennen will. Aber das ist ja nu keine Hilfe für dich. Dann wirst du vielleicht selbstbewusster aber ich denke das du das nur vorderscheinlich bist und hinter deiner Maske (Kleidung und Schminke) immernoch die selbe.
    Was ich eigentlich sagen möchte ist, das es oberstes Gebot sein sollte das du das anziehst was dir gefällt ob es deinem Typ entspricht oder nicht und von Schminke halte ich sowieso nichts(die schlimmste Maske der Welt). Denn auch wenn viele anderer Meinung sein mögen ist für mich sicher, das Innere das sich auf gestik und Mimik auswirkt Strahlt mehr aus als es jede Klamotte oder Schminke tun könnten. Das in verbindung mit dem was dir gefällt sticht selbst den besten Designer aus.



    Hey, die Einstellung find ich prima!
    Jedem Tierchen sein Plaisierchen, ob man sich mit oder ohne Schminke schöner findet sei Geschmackssache. Aber sich zu schminken um sich zur attraktiven Frau zu „machen“ finde ich auch total affig. Schönheit geht für mich mit Individualität, bzw. mit einem reflektierten Umgang mit sich selbst einher.
    Danke für dieses Statement, mac. ;)

    Lieben Gruß,
    A.

    Mein Ziel wäre es, für meine Wünsche und Bedürfnisse selbstbewusst und offen einzustehen.
    Ohne dass mir eine Stimme im Hinterkopf zuflüstert, was die anderen (über mich) denken könnten. So zu denken und handeln, als gäbe es gar keinen Grund, dass jemand mich als minderwertig oder weniger attraktiv einschätzt.
    Mich nicht in Relation zu einem Ideal zu stellen.
    Daran arbeite ich- aber puh! es ist schwierig. Manchmal erscheint es mir, als würde ich mein Übergewicht ganz gerne als Vorwand nehmen, um gewisse Dinge (die auch Schlanke als Herausforderung ansehen würden) nicht anzugehen. Dieses Licht ging mir auf, als ich für kurze Zeit mal Normalgewichtig war und ich trotzdem noch dieselbe feige Memme war, wie zuvor. Da habe ich erkannt, dass das Leben wesentlich mehr einfordert, als nur schlank zu sein. Seitdem versuche ich nicht mehr alles auf mein Übergewicht zu schieben- und akzeptiere meinen Körper dadurch mehr.

    Hi Kopfsalat,

    ehrlich gesagt bin ich nach Deinen Angaben etwas verwirrt.
    Deine Essstörung scheint ein sehr komplexes Thema zu sein, bei dem es nicht nur um „Fressanfälle“ geht. Mir scheint, Essen und Dein Bezug zum Essen nimmt in Deinem Leben sehr (zu) viel Raum ein. Ich kann zwar nachvollziehen, dass es Dich erschreckt, dass Dein Gewicht immer weiter steigt, andererseits hältst Du einen relativ rigiden Ernährungsplan ein.
    Und dann stellst Du die Frage „ob das zu viel ist“.
    78 Kilo auf eine Größe von 1.93m sind nicht nur „nicht unbedingt so viel, daß eine Abnahme erforderlich wäre“, laut BMI (ja, diese Norm ist Unsinn, aber ich ziehe sie jetzt doch einmal heran) liegst knapp über der Grenze zum Untergewicht. Dazu kommt Dein negatives Selbstbild. Deine Unzufriedenheit mit Deinem Körper.
    Ich glaube, bevor Du weiter versuchst an Deinen Essgewohnheiten rumzuschrauben und auf Teufel komm raus Muskeln aufzubauen, solltest Du an der Ursache arbeiten, nicht am Symptom. Ich befürchte, dass wenn Du Dich noch stärker zu kontrollieren versuchst, die Essstörung (in welche Richtung auch immer) noch mehr ausufert.

    Und: Sport soll in erster Linie Spaß bereiten und nicht nur dem Muskelaufbau dienen.
    Du musst Dich weder vor Dir selbst noch vor anderen entschuldigen, wenn Du keine Lust auf Fitnesscenter hast. Ich würde nie in ein Fitnesscenter gehen, weil ich schon bei dem Namen Ausschlag bekomme. Für mich impliziert „Fitnesscenter“ gezielte Körperformung (das sind meine persönlichen Assoziationen, ich möchte sie nicht als allgemein gültig hinstellen). Und diese Assoziation stört mich dabei, meinen nicht- perfekten Körper zu akzeptieren. Dafür jogge ich. Weil´s mir Spaß macht. Ich laufe einfach gerne. Und nur das ist meine Motivation Sport zu machen. Für mich, nicht um anderen zu gefallen.

    Sorry mandan, Deine Tipps mögen für jemand, der einfach „nur“ n bisschen Workout machen möchte, ganz sinnvoll sein, aber für jemand mit Kopfsalats Vorgeschichte erscheinen sie mir gänzlich ungeeignet, wenn nicht sogar gefährlich.

    Gruß, A.

    Hallo Vertigo,
    seit längerer Zeit lese ich hier im Forum mit und Dein Beitrag hat mich berührt, so dass ich etwas dazu schreiben möchte.

    Zum einen erscheint es mir (wie wohl auch Dir, wenn ich es richtig verstanden habe) auch so, als würdest Du gerade tief in einer Depression stecken.
    Ich befürchte, dass es ohne professionelle Hilfe für Dich schwierig wird, aus dieser „Abwärtsspirale“ wieder rauszukommen, auch wenn ich verstehen kann, dass Du Dich schon übertherapiert fühlst.

    Zum anderen hast Du unabhängig von Deiner Depression (auch wenn ein negatives Selbstbild die Idioten anzuziehen scheint wie Milch die Fliegen) viele unschöne und diskriminierende Erlebnisse gehabt. Meiner Ansicht nach ist es nicht „nur“ mit Deiner Depression zu begründen, dass Du dieses negative Bild, das Dir von Deinem Umfeld vermittelt wurde, übernommen hast. Viele Menschen aus diskriminierten Bevölkerungsgruppen berichten über ähnliche Erfahrungen. Toni Morrison z.B. hat diese Thematik sehr häufig in ihren Romanen verarbeitet, dort natürlich auf Afro- Amerikaner bezogen.
    Die Frage ist, wie geht man damit um?

    Ich glaub das Problem ist, dass man die Beleidigungen nicht wie z.B. die Beschimpfung „Du A…“ abschütteln kann, da sie einen gesamtheitlich abwertet, nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Aber wenn Du Dich mal in der Geschichte umschaust- Dicke sind nicht die einzigen, die auf diese Art und Weise degradiert wurden. Es ist ein wichtiger Schritt für einen selbst zu erkennen, dass man diskriminiert wird- und dies auch auszusprechen.

    Ich hasse ein rigides Schwarz- Weiß- Denken, aber das, was andere Dir teilweise angetan haben ist, einfach formuliert, Unrecht. Auch wenn es momentan in dem gängigen Gesellschaftssystem viel zu wenig Möglichkeiten gibt, sich juristisch gegen solche (verbale) Übergriffe zu wehren- es ist Unrecht. Nicht Du bist schlecht, weil Du dick bist, sondern die anderen, die Gewalt ausüben. Eine physiognomische Eigenschaft darf niemals ein Freifahrtschein sein, jemanden fertig zu machen. Leider passiert so was schnell. Es gibt und gab in verschiedenen Gesellschaftsstrukturen immer wieder faschistoide Tendenzen.

    Lenke Deinen Hass nicht auf Dich selbst- sei wütend über die Leute, die Dich diskriminieren.
    Aber verallgemeinere auch nicht. Nicht alle Menschen haben so ein negatives „Dicken“- Bild.
    Und schreibe die „Geschichte“ für Dich um. Alles, was Du über Dicke hörst, sind nur Geschichten. Du kannst nicht anderen vorschreiben, ob sie die Geschichten glauben oder nicht, oder ob sie sich zum Teil einer Geschichte machen möchten, aber Du kannst selbst entscheiden, ob Du die Geschichte für wirklich erachtest, oder nicht. Dicke werden nicht geliebt? Dicke sind Loser? Dicke sind doof? Holla die Waldfee, da kenn ich aber andere.

    Ich denke auch, dass Du Deinen Arsch hochkriegen musst (ist vielleicht schwierig mit Depression?)- aber nicht um abzunehmen, sondern um Dich nicht so ohnmächtig zu fühlen. Ich glaube Du hast schon einen entscheidenden Schritt getan, Dich hier im Forum anzumelden, nicht nur weil Du Dich mit Menschen austauschen kannst, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, sondern weil ich es auch als eine Möglichkeit ansehe, sich eine Stimme zu verschaffen.
    Meine Therapeutin meinte, „Depression“ käme von „niedergedrückt sein“, der Unfähigkeit zu handeln. Natürlich ist das sehr vereinfacht. Und bei Dir geht´s sicher nicht nur um das Thema „Dicksein“. Darum fände ich irgend´ne Art von Hilfe doch für sinnvoll.

    Hast Du mit Deiner Lebenspartnerin schon über Dein Problem gesprochen?
    Du schreibst, sie fühlt sich zusehend ungeliebter. Es wäre schade, wenn Eure Beziehung wegen mangelnder Kommunikation den Bach runterginge.

    Ich wünsche Dir alles Gute
    A.