Hallo Barockengel,
ich kenne all' Deine Gedanken sehr gut. Es gab eine Zeit, da habe ich mich sogar mit meinem Vater angelegt. In seiner Spitzenzeit als Alkoholiker haben wir uns teilweise übelst beschimpft, weil er sowieso schnell an die Decke ging. Ich war nach solchen Eskapaden immer total fertig. Er beschimpfte mich, weil ich schon immer dick war und ich ihn, weil er Alkoholiker war (inzwischen einigermaßen trocken, sozusagen aus gesundheitlichen Gründen).
Ich bin jedesmal wütend davon gestobt und nachher schien alles gegessen.
Heutzutage sagt er, dass ich so bleiben solle wie ich bin. Mein Mann ist ebenso dick wie ich, eigentlich sehen wir aus wie Geschwister. Bei der letzten Familienfeier hielten sie meinen Mann alle zur Familie gehörig, nicht mich (Gäste aus dem Ausland).
Wie ich schon berichtete, hatte eine Freundin meiner Cousine in kürzester Zeit 60 kg abgenommen (durch OPs) und Hautabnahmen. Ich bemerkte schon, dass meine Cousine und meine Tante uns ein wenig zusammenbringen wollten. Ich möchte aber auf diese Weise auf keinen Fall abnehmen.
Zugegebenermaßen waren wir die Dicksten bei der Gesellschaft von ca. 55 Personen. Aber erst als ich ewig mit der dünnen Dicken sprechen sollte, fiel es mir überhaupt auf. Wurde ich deshalb nur eingeladen? Sonst bin ich nämlich eigentlich das schwarze Schaf und die Einladungen reduzieren sich auf ganz wenige. Ich muß allerdings sagen, dass ich darüber nicht gekränkt bin, da ich denke, ich bin eh nicht unbedingt gesellschaftsfährig. Ich meide sogar riesige Menschanansammlungen.
Zum Schluß brüllte sogar mein Vater am Speisetisch in einem wunderschönen Lokal an der Alster, dass er es unnatürlich fände, wenn jemand durch eine riskante OP 60 kg abnehmen würde. Niemand beachtete ihn, außer meinem Mann und mir, wir grinsten ihn an und ... waren uns einig. Die dünne Dicke achtete gar nicht auf ihn, obwohl sie genau neben ihm saß, plötzlich konnte sie nur noch ihre Landessprache Italienisch und Englisch.-
Zum Schluß des Festes (wir waren viel länger geblieben als wir planten) nahm uns meine Tante ins Gebet, wir sollten doch zusammen zur Kur fahren. Da würde man uns helfen. Beide schwiegen wir erst stille, dann sagte mein Mann, dass er es für eine sehr gute Idee hielte. Zuhause sagte er mir aber, dass er nicht im Traum daran dachte, weil er es sich arbeitsmäßig gar nicht leisten könnte erstmal 4-6 Wochen zur Kur zu segeln.
Mein Mann hatte das Ganze schnell abgehakt und beschäftigte sich 0 damit. Ich war immer noch mit den "guten Ratschlägen" ingange und überlegte, wie ich endlich mal wieder abnehmen könnte. Obwohl ich genau weiß, dass ich nach solchen Bemühungen immer genau da lande, wo ich jetzt wieder bin, knapp vor meiner Schallgrenze (130).
Meinem Mann gefalle ich meistens so wie ich bin. Das Einzige, was ihn aufregt, wenn ich wieder mit meinen Minderwertigkeitskomplexen ingange bin. Ich kann dann an nichts anderes mehr denken. Einerseits möchte ich mich auch gerne so akzeptieren, andererseits bin ich von außen viel zu leicht zu beeinflussen.
Wir wissen ja, dass es vor allem in diesem Forum um unsere Selbstakzeptanz geht. Wir müssen eben jeden Tag neu damit anfangen. Zumindest Du und ich.
Packen wir's an, liebe Umarmung und Hut ab, was Du schon alles in Deinem Leben geschafft hast!
Emmily