Andere Länder ...

  • ... andere Sitten.

    Was Hübsches aus der Tageszeitung meines Vertrauens.
    Hat mir das vergangene Wochenendfrühstück versüßt.
    Herzlich Eure
    Sally
    (die auch gerne Säcke trägt :D )

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    TIMES MAGER

    Apfelbacken

    VON HILAL SEZGIN

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    Der Gedanke des Kaschierens, der hierzulande jede Garderobe über Konfektionsgröße 38 beherrscht, ist der Engländerin völlig fremd. Als deutsche Reisende muss man sich daher erst mal an die Anblicke gewöhnen - hätte die Frau, die da drüben ihren Sessel ganz gut ausfüllt, nicht ... Ja, was eigentlich? Etwas drüberwerfen, etwas "Vorteilhafteres", was in vielen Fällen einfach heißt: weniger Enges, also Größeres anziehen können? Aber eine an sich schon nicht schmale Frau, die dann noch ein großes Kleid über sich drüber wirft, macht einen etwas sackartigen Eindruck, was natürlich auch die deutschen Frauen wissen. Aber von frühester Kindheit an in der Kultur des Kaschierens erzogen, ist es ihnen immer noch naheliegender, sackartig herumzulaufen, als sich den (möglicher Weise nur eingebildeten) Vorwurf ihrer Umgebung zuzuziehen, das erwähnte "Unvorteilhafte" angezogen zu haben.

    Die Engländerin kennt derlei Probleme nicht. Dass der Oberkörper nach unten hin, wo er nach offizieller Lesart in eine schlanke Taille münden sollte, in allerlei weiche Wellen übergeht, hält keine von ihnen davon ab, die darüber liegende noch stattlichere Bugwelle in einen rosa Push-up zu stecken und bei knapp zwei Grad plus in einem tiefen V-Auschnitt fröhlich den Blicken der Mitbürger anzubieten. Mit derselben Sicherheit vertraut man in England darauf, dass schöne Strumpfhosen auch solchen Beinen gut stehen, die man nach der Logik des Kaschierens als "Stampfer" in weiten Hosen verstecken müssten, und dass Rouge Wangen ziert, die man hier "Apfelbäckchen" nennt und von denen man per extensivem Augen-Makeup abzulenken verpflichtet ist (auch wenn man danach wie jemand aussieht, der obenrum in einem Kartoffelsack steckt, untenrum noch mal in zweien und offenbar seit Wochen nicht mehr ausgeschlafen hat).

    Den Kern der unterschiedlichen Herangehensweisen kann man dahingehend zusammenfassen, dass in Deutschland eine Frau, sobald sie erst einmal die Sünde des Zunehmens begangen hat, nachfolgend jede Kleidersünde begehen darf, ja muss, solange sie nicht irgendwie den Anschein erweckt, sie nehme die Schwere der ersten Sünde auf die zu leichte Schulter. In England hingegen ist man der Auffassung, dass alles potentiell Schöne durch mehr Schönes nur noch schöner wird, was zur farben-, ohrring und rüschenreichen Überhäufung jeder Frau führen würde, wenn dem nicht ein zweites Prinzip ausgleichend entgegen wirkte: An entscheidenden Stellen muss man auch weglassen können (der kurze Rock, das tiefe V).

    Wer in dieser Frage Recht hat, der Kontinent oder die Insel, lässt sich nicht entscheiden. Denn im Grunde genommen läuft es ja auch hier wieder auf die alte Frage hinaus: Was war zuerst da, der Sack oder die Kartoffel?

    Frankfurter Rundschau
    www.fr-aktuell.de
    Erscheinungsdatum 02.03.2005

  • Hallo Sally,


    ROTFL. Das ist mir in England auch aufgefallen. Vielen molligen Frauen, die ich dort gesehen habe, stand die enge Kleidung durchaus gut - sie wirkten vielleicht nicht "perfekt", strahlten aber Selbstbewusstsein, Weiblichkeit und Lebensfreude aus. Allerdings ist die Atmosphäre dort auch anders - in Deutschland würde es sofort Blicke und bissige Bemerkungen geben, teilweise sogar von fremden Frauen (z. B. bei der Anprobe eines leicht taillierten Kurzmantels: "Entschuldigen Sie, aber das sieht einfach unvorteilhaft aus ...", mit einem sch-freundlichen Lächeln). Ich glaube, das ist in Großbritannien weniger üblich.


    In Italien macht man dagegen Witze darüber, dass viele Kleider in den größeren Größen extra für die großen, dicken, geschmacklosen deutschen Frauen hergestellt werden, denen sie doch gar nicht stehen ...


    Cheers,


    Kimmie

  • Schöner Bericht!


    Ist mir persönlich in England nicht sooo aufgefallen, wenn dann im südlichen Urlaub wenn junge mollige Britinnen bauchfrei rumlaufen - ohne sich zu genieren.


    Etwas figurbetonte Kleidung würde mancher Frau nicht schaden und figurbetont muß ja nicht gleich "zu eng" bedeuten.


    Gruß


    Ulrike

  • Zitat

    Den Kern der unterschiedlichen Herangehensweisen kann man dahingehend zusammenfassen, dass in Deutschland eine Frau, sobald sie erst einmal die Sünde des Zunehmens begangen hat, nachfolgend jede Kleidersünde begehen darf, ja muss, solange sie nicht irgendwie den Anschein erweckt, sie nehme die Schwere der ersten Sünde auf die zu leichte Schulter

    So ist es. Ab und zu traue ich mich, diese Kleidersünde zu begehen und werde dafür auch gleich mit Blicken abgestraft :p

  • Zitat von sally

    Den Kern der unterschiedlichen Herangehensweisen kann man dahingehend zusammenfassen, dass in Deutschland eine Frau, sobald sie erst einmal die Sünde des Zunehmens begangen hat, nachfolgend jede Kleidersünde begehen darf, ja muss, solange sie nicht irgendwie den Anschein erweckt, sie nehme die Schwere der ersten Sünde auf die zu leichte Schulter.


    Das war... erhellend. Danke schön!

    Greetz, Sopho (die auch viel zu viele Büßerhemdchen im Kleiderschrank hängen hat und versuchen wird, die gewonnene Erkenntnis umzusetzen)

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