Erinnerungen

  • Hallo,
    Auf folgendes bin ich gekommen, weil ich mir vor ein paar Tagen nach langer Zeit mal wieder Gedanken über meine Kindheit gemacht habe.


    Ich bin seit gestern für zwei Wochen mit meinem Sohn in meinem Elternhaus zum Haus- und Hundesitting.
    Das Verhältnis zu meinen Eltern ist im Moment sehr entspannt, Klausuren habe ich hinter mir, ich fühle mich körperlich wohl, mein Sohn ist zur Zeit auch nicht so anstrengend und wir haben viel vor. Soweit so gut.


    Trotzdem bin ich nur noch gereizt, gehe bei jeder Kleinigkeit an die Decke und kann mich selbst gar nicht verstehen. Ich weiß nicht, was das sein könnte – können das unbewußte negative Erinnerungen sein? Jetzt auf einmal? Und wenn ja, was kann ich tun? Ich kann irgendwie im Moment nichts an meiner Stimmung ändern, alles, was mich sonst entspannt hat, funktioniert diesmal nicht.


    Hat jemand schonmal ähnliches erlebt? Oder einen Rat für mich? Das wäre wirklich schön.


    Viele Grüße


    Fenja

  • Liebe Fenja,
    natürlich weiß ich nicht, was Du an Erinnerungen mit Dir herumträgst ... aber ich stehe auch gerade am Anfang meines Urlaubs, habe mich riesig darauf gefreut, fahre morgen für eine Woche in meine Heimatstadt zu Mutter und Freunden usw. Trotzdem bin ich in einer ähnlichen Verfassung wie Du. Ich denke, ich muss erstmal "'runterkommen" - in meinem Fall von einer 50-60-Std.-Arbeitswoche als alleinerziehende Mutter, deren persönliche Freizeit meist in 20 Minuten Lesen im Bett vor dem Einschlafen besteht. Man kann nicht von einem Tag zum anderen von Anspannung auf Entspannung umschalten. Vielleicht geht es Dir ja ähnlich? Gib Dir ein bisschen Zeit.
    Es muss ja nicht immer die ganz große "Psycho-Kiste" sein. Allerdings - wenn Du das Gefühl hast, dass Du sie aufmachen musst, dann tu's. Blätter mal in alten Fotoalben und lass das, was Du siehst, auf Dich wirken. Das hat mir bei der "Gefühlsforschung" in der Vergangenheit immer geholfen.
    Alles Liebe wünscht
    Sally

  • Hallo Sally,
    danke für Deine Antwort.
    es kann wirklich sein, daß ich mich erstmal ein wenig regenerieren muß, bevor ich mich entspanne, denn eigentlich habe ich gedacht, ich hätte diese ganze Geschichte hinter mir und da ich (innerhalb dieses Forums) darüber nbochmal nachgedacht habe, war ich mir nicht ganz sicher. Ich glaube, am besten ist es, nochmal ein oaar Tage abzuwarten, aber Deine Antwort hat mir erstmal geholfen, danke.
    Viele Grüße und einen schönen Urlaub wünscht
    Fenja

  • Liebe Fenja,


    ich kann das irgendwie nachvollziehen, wenn es sich bei mir auch weniger auf familiäre Ereignisse bezieht.


    Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, die zwar eine Großstadt ist, aber irgendwann mal aus vielen kleinen Stücken "zusammengemeindet" worden ist. Das brachte es mit sich, dass in den kleinen Einheiten Zustände herrschten wir auf dem Dorf. Jeder beobachtete jeden, jeder meinte alles vom anderen zu wissen.


    Vor sechs Jahren hatte ich plötzlich das Gefühl, dass sich das alles wie eine Schlinge um meinen Hals zog. Ich verkaufte mein Haus und zog nach Düsseldorf, wo ich ohnehin schon seit fünf Jahren arbeitete.


    Wenn ich heute in meine Heimatstadt zurückkehre, beschleicht mich jedesmal ein unglaublich ambivalentes Gefühl. Einerseits ist da die Idylle, die ich auch ganz stark mit meiner schönen Kindheit in Verbindung bringe, aber andererseits ist dort auch diese unglaubliche Enge. Es ist ein diffuses Gefühl, das ich nicht wirklich begründen oder beschreiben kann. Ich nehme es immer an, wie es ist, bin ihm noch nie wirklich auf den Grund gegangen. Aber der Weg zurück nach Düsseldorf fällt mir nie schwer.


    Du musst für Dich entscheiden, ob es jetzt in diesem Moment gut für Dich ist, diesem Gefühl auf den Grund zu gehen. Wenn Du Dich dafür entscheidest, hast Du wahrscheinlich ein paar schwierige Wochen vor Dir, fühlst Dich aber wahrscheinlich hinterher dauerhaft besser. Wenn Du Dich dagegen entscheidest, dann nimm' es einfach hin, so wie es jetzt da ist, und lasse es nicht Oberhand gewinnen. Dann ist ein anderer Zeitpunkt besser für die Aufarbeitung.


    Ich wünsche Euch beiden, Sally und Dir, einen wunderschönen Urlaub und hoffe, dass Ihr schöneres Wetter habt als heute und dass Ihr Euch gut erholt.


    Liebe Grüße
    Crassa


    [ 14.07.2001: Beitrag editiert von: Crassa ]

  • Liebe Crassa,
    danke für Deine Antwort, ich habe mir heute abend nochmal die Mühe gemacht, aufzuschreiben, was mich alles bei meiner Ankunft geärgert hat (über meine Eltern). Und Tatsache ist, daß ich immer wieder Dinge voraussetze, bei denen ich es besser wissen müßte, weil meine Eltern sich einfach nicht mehr ändern werden. Sie sind oft sehr gedankenlos und ich bin immer wieder enttäuscht. Mein Sohn z.B. hat hier eine kleine Dose, in die er immer sofort reinguckt, da ist immer ein Bonbon o.ä. drin. Nun darf er aber aufgrund eines Stoffwechseldefekts keinen Milchzucker und was war in der Dose, als wir kamen? Milchschokolade! Kannst Du Dir vorstelle, wie ein Fünfjähriger darauf reagiert? Sowas macht mich wahnsinnig!
    Nun habe ich heute abend alles aufgeschrieben und werde diesen Zettel meinen Eltern präsentieren. Das wird zwar wieder mit einigen Diskussionen verbunden sein, aber ich bin´s fürs erste los und werde hoffentlich ab morgen den Urlaub geniessen können.
    Liebe Grüße und gute Nacht
    Fenja

  • Hi Fenja
    Ich hatte auch so ähnliche Erlebnisse wenn Ich in Mein Elternhause kam.Etwas extremer, Magendruck bishin zum Brechreiz.Meiner Mutter gegenüber immer das Gefühl Ihr sowieso nie was recht machen zu können und Ich bin eh nur das letzte Kinde das eigentlich garnicht mehr hätte sein müssen.Ich habe in der Pubertät angefangen zuzunehmen wog mit 12 Jahren schon 110 kg.Und so stieg Mein Gewicht über Jahre.Ich bin 36 Jahre und in der zwischen Zeit bei 200kg angelang.Ich habe Mich von Meiner Mutter entfernt und den Kampf um Ihre Liebe aufgegeben.Wer Mich nicht so akzeptieren kann wie Ich bin der soll auf Mich verziehten.
    Ich habe Mich um einen Therapieplatz gekümmert und begeben mich in eine Klinik für Eßstörungen.Weil Ich weis das Ich es alleine nie schaffen werden aber dort bestimmt geholfen werden kann.
    Kurzes Telefongespräch mit Meiner Mutter Sie sagte;Was willst Du da Du bist doch nicht verrückt oder dooff.Warum machst Du denn sowas.
    Sie wird es nie verstehen.
    grüsse CHRISTINE

  • Hallo Christine,
    wenn man sein ganzes Leben lang hinter den elterlichen Gefühlen hinterherläuft, so bekommt man sein Leben nie auf die Reihe. Man muß begreifen, daß man erwachsen ist, die Liebe der Eltern die man als Kind nicht bekam erst recht nicht im erwachsenen Alter bekommt. Du hast es richtig gemacht warum also den elterlichen Gefühlen hinterherlaufen??? Wenn man begiffen hat daß von der mütterliche Liebe unabhängig geworden ist, dann beginnt endlich das eigene Leben. Daher wünsche ich Dir alles gute auf Dein weiteres Leben.
    Gruß Venice :) :) :)

  • Hallo,
    der Urlaub war sehr schön, mal abgesehen von einem heftigen Virusinfekt. Aber ansonsten bin ich eher irritiert: ich habe meinen Eltern die Liste präsentiert und ohne Diskussion und dem Üblichen haben sie sich enschuldigt! Was soll ich dazu sagen? Ich freue mich und warte ab, ob sich tatsächlich etwas geändert hat.
    Sonnige Grüße von
    Fenja

  • Liebe Fenja,
    ...da hast du aber Glück gehabt. Nein, ganz im Ernst, es ist schon viel wert, dass deine Eltern sich einfach entschuldigt haben. Und es ist doch eine schöne Belohnung für deinen Mut, sie zu kritisieren.
    Ich habe da leider schlechtere Erfahrungen. Meine Eltern sind geschieden, und mit meinem Vater komme ich mittlerweile sehr gut zurecht. Aber mit meiner Mutter ist es das ewige Mutter-Tochter-Drama. Nicht, dass sie mich nicht liebt, aber jede noch so leise Kritik beantwortet sie mit Tränen. Ich schlucke schon alles runter (passende metapher für eine Dicke, gell), weil es mir einfach zu anstrengend ist, ständig mit diesem Gefühl rumzulaufen, dass ich "Mami nun wieder traurig gemacht habe". Und ich breche nun wirklich keine Grundsatzdebatten vom Zaun. Nur ein Beispiel: Aus Tierliebe habe ich mich vor einigen Jahren entschlossen, kein Fleisch mehr zu essen. das hat sie irgendwie bis heute nicht begriffen. Zuerst fiel es nicht so auf, weil sie Weihnachten (das ist die einzige Gelegenheit, an der wir gemeinsam essen) ein Buffet gemacht hatte, und ich mich dort ausreichend von Käse und salat ernähren konnte. Letztes weihnachten nun präsentierte sie mir mit ausgesprochener Glücksmine eine Teller mit Schweinefleisch mit den Worten "für meine Süße habe ich extra Schwein gekauft, weil du doch kein Rind isst". Ich habe erst gedacht, sie will mich auf den Arm nehmen, aber als ich merkte, dass es ihr voller Ernst war, kamen mir fast die Tränen. Ich habe nichts dagegen, wenn Menschen Fleisch essen, ich bin der Meinung, dass jeder das für sich selbst entscheiden muss. Aber ich habe die Entscheidung sehr bewusst getroffen, für mich ist dieser Verzicht ein wichtiger Teil meiner Weltanschauung. Und meine Mutter weiß das ganz genau. (Jedenfalls könnte sie es wissen, wenn sie mir einmal zugehört hätte.) Und was war? Meine Mutter brach in Tränen aus ("immer mache ich alles falsch") und ihr Mann meinte wütend, sie hätte es doch wirklic nur gut gemeint, und warum ich mich eigentlich so anstellen würde.
    Über meine Probleme aus der Kindheit kann ich mit meiner Mutter überhaupt nicht sprechen. Immer fängt sie sofort an zu heulen. Das Schlimmste ist, dass ich mir dann natürlich jedes mal Vorwürfe mache, dass ich nicht einfach ruhig geblieben bin. Meine Mutter hat es selbst sehr schwer gehabt. Als Kind im Krieg auf der Flucht aus Schlesien musste sie mit ansehen, wie ihre ältere Schwester von sechs (!) Soldaten vergewaltigt wurde. In der neuen Heimat war sie dann freundlich geringschätzig "das Flüchtlingsmädchen" oder auch drastischer "die Polackin". Aber soll ich dafür da sein, alles Unrecht, was ihr widerfahren ist, wieder gut zu machen?
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Verhältnis zu meiner Mutter zumindest Mit-Ursache für meine Gewichtsprobleme ist. Ich will ja noch nicht einmal eine Entschuldigung, es würde mir völlig ausreichen, wenn wir beide vielleicht einmal gemeinsam über das traurige kleine Mädchen weinen könnten, das ich einmal war. Aber diesen gedanken mus ich wohl vergessen. Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen?
    Viele Grüße, Susann

  • Liebe Susann,
    ich kann gut verstehen, daß es für Dich schwierig ist, mit Deiner Mutter zu reden, wenn sie gleich anfängt zu weinen - in dem Augenblick hat man keine Chance.
    Bei mir war es eher so, daß kam "stell´Dich nicht so an" oder "okay, hast ja Recht" (... und ich habe meine Ruhe, natürlich nicht ausgesprochen), was meist darin ausartete, daß ich total wütend wurde, mein Vater und ich uns anschrien, ich später anfing zu weinen und meine Mutter einfach nur wollte, daß wieder damit aufhören. Keine Ahnung, was diesmal anders war. Vielleicht bin ich mittlerweile gelassener, zumindest lasse ich mich nicht mehr so leicht provozieren.
    Du kannst Deiner Mutter nicht helfen, höchstens versuchen, bestimmte Verhaltensmuster zu durchbrechen. Die "Fleischgeschichte" z.B.: was könntest Du tun, daß es gar nicht erst soweit kommt? Das Essen vorher absprechen oder anbieten, selbst etwas Schönes (vegetarisches) mitzubringen? Oder überhaupt ganz anders zu reagieren? Das Ganze am besten im Kopf durchspielen, damit Du gewappnet bist.
    Ich habe das z.B. erfolgreich mit meiner Tante durchgespielt: ich sehe sie zwar etwa nur einmal im Jahr, aber das reicht mir dann auch schon wieder, es war jedes Jahr dasselbe: Weihnachten nach dem Essen: vollgegessen sitzt sie da und meint: "Puh, das war mal wieder ein Gelage, da muß ich aber nach Weihnachten erstmal Diät machen (mit Seitenblick auf mich) - ich verstehe sowieso nicht, daß Du so dick bist, Du ißt doch kein Fleisch!" Und ich wußte nie, was ich dazu sagen sollte und habe mich doppelt geärgert, einmal über sie und auch über mich, daß mir nichts eingefallen ist. Letztes Jahr habe ich diese Situation im Geiste durchgespielt und als das Unvermeidliche kam, meinte ich :"Ich bin eben eine starke Frau und genieße das ganze Jahr, dann brauche ich mir wenigstens zu Weihnachten den Bauch nicht so vollschlagen." Dann kam die Frage, ob ich denn nie Diät mache. Ich meinte, ständig, habe letztens erst wieder 50g abgenommen. Da war erstmal Ruhe.
    Ich weiß, daß es schwierig ist, aber es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder sich befreien von der emotionalen Bindung zu den Eltern oder versuchen, etwas zu ändern.


    Denk an die Hummel. Die Hummel hat eine Flügelfläche von 0,7 Quadratzentimeter bei 1,2 Gramm Gewicht. Nach den bekannten Gesetzen der Flugtechnik ist es unmöglich, bei diesem Verhältnis zu fliegen. Die Hummel tut es trotzdem.


    Viel Stärke wünscht Dir
    Fenja

  • Liebe Susann,
    es tut mir leid, daß ich Dir Tips gegeben habe, die ich selbst nicht verwirklichen kann. Von wegen von der "emotionalen Abhängigkeit" lösen...
    es ist Samstagabend, großes Familientreffen und ich sitze da mit meinem tollen Spruch vom letzten Jahr, meine Tante ist da, es kommt keine Bemerkung, aber sie ignoriert mich total. Eigentlich sollte es mir egal sein, aber das ist es leider nicht, ich fühle mich (mal wieder) total schlecht und wartete nur noch, daß alle im Bett sind und ich mir das hier von der Seele schreiben kann.
    Auch warte ich nur noch auf das gesamte Ende dieses unsäglichen Treffens, damit ich mein inneres Gleichgewicht wiederfinde.
    Blut ist dicker als Wasser, sagt man, manchmal ist es ein Fluch, dann lieber gar kein Kontakt, da das aber nicht so leicht zu realisieren ist, gibt es für mich wohl nur das Durchhalten, bis es wieder vorbei ist.
    Tja, ich war Dir wohl keine gute Hilfe.
    Fenja

  • Ich hab da eine lange, lange Geschichte mit meiner Mutter. Wichtig für mich heute ist die Quintessenz aus diesen Jahren.
    Nämlich: ich werde meiner Mutter nie genügen, muss ich nicht und kann ich nicht, weil es eh aussichtslos ist. Das heisst, anstatt mich weiter abzustrampeln, hak ich das Thema lieber ab. Und seitdem gehts mir einiges besser mit ihr. Mit ihr über meine oder unsere Geschichte zu sprechen, will ich auch nicht. Es würde darauf hinauslaufen, dass ich sie tröste, ich sie therapiere und abhöre, ich sie nicht verstehe. Und danach hab ich überhaupt kein Verlangen. So bleibt unsere Beziehung schön an der Oberfläche, wenn ihrerseits mal was kommt wegen gewicht oder so, dann klemm ich sie ab und sage ihr deutlich, dass das kein thema ist, das ich mit ihr besprechen will.
    Leute meines Vertrauens such ich mir lieber selbst aus. Blut dicker als Wasser? Für mich nicht!

  • Liebe Choulette,
    Du hast Recht, meist klappt es bei mir auch, vor allen Dingen bei meinen Eltern, wie Du schon sgatest, bestimmte Themen werden einfach gar nicht mehr angesprochen, weil es sowieso nichts bringt.
    Ich war nur an dem Abend so wütend, daß mich meine Tante immer noch "packen" kann, kommt wohl auch immer auf meine allgemeine Verfassung an.
    Naja, nun ist´s wieder gut und immer wieder tröstend in solchen Augenblicken, zu lesen und zu schreiben.
    Viele Grüße
    Fenja

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