Gender-Sprech

  • Hallo!


    Was haltet ihr von Schreibweisen wie "Mitarbeiter*innen"? Ich sah mal ein Interview mit einer alten Professorin oder Direktorin (vielleicht Jahrgang 1920), die sich ein "Frau Professor" ohne "-in" ausbat und sich dann über das aufkommende "Sehr geehrte Damen und Herren" in den Geschäftsbriefen mokierte - "gerade so als seien bei 'Sehr gehrte Herren' die Frauen nicht mitgemeint gwesen", das war natürlich ein Interwiew aus der Mottenkiste. Aber prinzipiell kann ich mich dem anschließen, diese überall auftauchenden Sternchen verunzieren in meinen Augen jede Korrespondenz oder Aushang. Wenn dann bitte einfach "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" so viel Zeit wird doch noch sein.

  • Ganz schlimm wird es, wenn jemand so etwas wie "Dick*innen" schreibt, obwohl das Wort in allen Geschlechtern gleich ist. Das gelegentlich gebrauchte kleine "frau" stört mich dahingegen nicht, hier sind ja bewusst nur Frauen gemeint.

  • Dieses Sternchen (Asterisk) finde ich einen Graus. Ich selbst vermeide es und schreibe lieber die männliche und weibliche Form.


    Wenn in einem Text nur die männliche Version steht, ist mir das auch egal, denn wenn beides gemeint ist, sieht man das aus dem Kontext heraus. Dass nun überall ein "-in" angefügt wird, finde ich lustig aber das macht den Text nicht besser.


    Wenn ich einen Doktor Titel hätte, wäre mir "Frau Doktor" lieber als "Doktorin". Am liebsten hätte ich aber trotzdem "Angelica" :)


    Das kleine "man" benutze ich normalerweise ohne nachzudenken, manchmal schreibe ich in Klammern "frau" dazu, wenn nur Frauen gemeint sind. Das mache ich aber nur in nicht-geschäftlichen Texten.


    Obwohl ich die neue Rechtschreibung benutze, bin ich bei diesem Thema wohl eher altmodisch eingestellt. Ich sehe einfach nicht ein, wieso man so einen Aufwand treiben muss, der den Text nicht mal verständlicher macht.

  • Ich mag diese Formen auch nicht, zumal das große Binnen-I ja schon existierte. Dieser "Gender-Sprech" kommt von sehr weit links und hat marxistische Wurzeln, meint mein Lebensgefährte, der politisch weiter rechts steht als es mir immer lieb ist. Das "frau" benutze ich aber auch.



    Aber teilweise hat er nicht Unrecht, so etwa auch, dass alles über Black-Lives-Matter redet, auch aus dem Umfeld der Size-Acceptance-Bewegung. Aber niemand redet z.B. darüber, dass in Liberia, das seit 1847 unabhängig ist, nur Schwarze die Staatsbürgerschaft erhalten können. Und das mit einer Begründung, die so rassistisch ist, dass sie sich vermutlich nicht mal die NPD trauen würde. Alle anderen würden nämlich die Kultur und das Zusammenleben stören.
    oder so ähnlich.

  • Dann waren wir uns ja aĺle einig.:)


    Das mit Liberia scheint zu stimmen, gerade geprüft: Art. 27b der Verfassung


    b. In order to preserve, foster and maintain the positive Liberian culture, values and character, only persons who are Negroes or of Negro descent shall qualify by birth or by naturalization to be citizens of Liberia.


    Und dann auch noch "Negro" statt "Black" und diskutiert haben, es zu streichen muss man so vor 10 Jahren ebenfalls haben ohne Ergebnis.


    Könntest du den ideologischen Hintergrund vielleicht noch präzisieren, ich meine bei der Gendersprache?

  • Das ist wohl wahr.;)


    Liberia ist sowieso besonders, wie ich nach Rosemaries Bemerkung gefunden habe. Gegründet von freigelassenen US-Sklaven war es anfangs eine Art Kolonie der USA, die Verfassung orientiert sich offenbar stark an derjenigen der USA. Die Nachfahren der Sklaven stellten wohl lange die Oberschicht, die die Macht im Land unter sich aufteilten. Deshalb kam es wohl in den 90ern zu einem Bürgerkrieg. Als Kuriosum ist Liberia neben den USA und Myanmar das letzte Land, das offiziell nicht das metrische Maßsystem eingeführt hat. Überhaupt scheint es noch so einige Parallelitäten zu den USA zu geben, auch was technische Normen angeht. Da Äthiopien, das sonst nie unter Kolonialherrschaft stand - kurz vor und im II. Weltkrieg von Italien besetzt war, ist es scheinbar der Staat in Afrika, der am längsten von Kolonialmächten unabhängig ist und die älteste Demokratie, wenn man das Land vor dem Bürgerkrieg so nennen kann.


    Das ganze ist zwar hier etwas off Topic, aber sicher ein interessantes Thema in einem weiteren Kontext. Auf "die Schwarzen sind ja auch nicht besser", sollte man es nicht reduzieren. Aber man kann sich schon fragen, ob da nicht einiges von Ideologen instrumentalisiert wird. Allerdings ist das vielleicht ein zu heißes Eisen für ein Forum wie dieses.


    Ich habe auch das Gender-Sprech- Thema etwas recherchiert, da wird es anscheinend unter der Oberfläche ähnlich politisch. Es lässt sich aber nur schwer auf eine griffige Formel bringen. Vor allem dürfte das nur einen harten Kern der Verwender betreffen, nicht die vielen "arglosen" Verwender, die sich wohl einfach nur korrekt verhalten wollen.

  • Das heißt doch: Will man die Kernthese der Gegner und vielleicht auch der Befürworter auf die kürzeste Formel bringen, dann dürfte es "Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft durch Negierung der 'natürlichen Geschlechterrollen'" treffen. Durch diese Sternchen soll die Vorstellung von einer natürlichen männlichen Führungsrolle aufgebrochen werden. Durch Drittes Geschlecht und dergleichen wird dann auch der harte Kontrast der Geschlechter aufgeweicht. Un das soll dann bei der Revolution gegen die kapitalistische bürgerliche Ordnung helfen, nachdem es klassisch mit Proletariat und Bourgeoisie nicht geklappt hat. Das sagt aber kaum einer so offen, die Befürworter aus Tarnung und die Gegner nicht, weil es in dieser fundamentalen Form zu "reaktionär" rüberkommt.;) Das nennt sich wohl "Neomarxismus" oder "Kulturmarxismus", dem von konservativer Seite vorgeworfen wird, nach dem Scheitern des realexistierenden Sozialismus, die Weltrevolution durch die Hintertür zu wollen.

  • Hallo Claas,


    das ist leider, wie du auch festgestellt hast, ein recht kompliziertes Thema mit dem ich mich nicht ausreichend auskenne, um es wirklich neutral und umfassend darzustellen. Dein Schlagwort "Neomarxismus"ist jedenfalls schon mal gut. Ja und das ist der Vorwurf, daß diese Leute eigentlich was anderes wollen als Gleichberechtigung, sondern eine revolutionäre Veränderung der ganzen Gesellschaft. Dazu müßten wir das jetzt aber in einen größeren Rahmen stellen und mindestens bei der "Frankfurter Schule", den "Existenzialisten" und den "68ern" beginnen.


    Hallo ihr beiden,

    ich wollte Liberia einfach mal als Beispiel bringen, mich konnte es nicht (mehr) schocken, weil die Familie meines Lebensgefährten ziemlich weit rechts steht, vor allem der Bruder meines Lebensgefährten, bei meinem Lebensgefährten selbst hält es sich noch im Rahmen. Der Bruder meines Lebensgefährten fände es aber sicher richtig, wenn das auch bei uns so in der Verfassung stünde, nur eben mit weiß.


    Was ich allerdings inzwischen auch für problematisch halte und worüber ich früher nicht nachgedacht habe, ist daß leider irgendwie nur sehr selektiv über Rassismus geredet wird, fast immer über den, der von Weißen ausgeht, verbunden mit Schuldvorwürfen un der impliziten These "weiß=böse". Ja und das legt irgendwie eine Instrumentalisierung nahe.


    Auch behaupten manche stramm Linke ernsthaft, nur Weiße könnten rassistisch sein, weil sie die "herrschende Klasse" seien, wobei sie im übrigen verkennen, daß das Durchschnittseinkommen der Asiaten beispielsweise in den USA über dem der Weißen liegt. Solche Ansichten, wonach ich nur wegen meiner Hautfarbe zu den "Bösen" und "Unterdrückern" gehöre, lasse ich mir auch nicht aufschwatzen. Auch konnte ich persönlich nichts gegen Kolonialverbrechen unternehmen, die passierten als ich noch gar nicht lebte. Und ich glaube auch nicht, daß "die anderen" uns besser behandelt hätten, wenn sie zuerst am Zug gewesen wären.


    Mir geht es nicht, darum Liberia zu schelten, sondern einfach nur zu zeigen, daß es Diskriminierung auch von der anderen Seite gibt und daß man dann eben auch über beides reden muß.

  • Ich finde diese Schreibweise mit Sternchen irgendwie unnatürlich, habe mir über die Hintergründe aber noch keine Gedanken gemacht. Wie liest man das denn eigentlich vor?


    Zu den anderen Themen hatte ich gerade etwas geschrieben, leider ist es mir eben beim Abschicken verloren gegangen. Ich bin im Moment zu faul das jetzt noch einmal auszuformulieren, vielleicht morgen.

  • Da muss ich mal drüber Nachdenken, Rosemarie. Dem Eindruck kann ich mir manchmal alerdings auch schwer erwehren. Besondes schräg finde ich ja, wie man versucht, den Kontakt der letzten indigenen Völker im Urwald, die noch mit Speeren jagen usw, zur restlichen Zivilisation zu vermeiden, während man uns "Multikulti" und Globalisierung predigt.


    Keine Ahnung Alexandra, ich glaube man ließt einfach so wie es da steht - ohne Stern.

  • Das Diskriminierungsthema kenne ich von beiden Seiten.


    Wie schon geschrieben, bin ich in Brandenburg aufgewachsen und die Klischees sind jetzt nicht bimmer so ganz aus der Luft gegriffen, auch wenn sie nur eine Minderheit betreffen.


    Da ich quasi als einzige Asiation in eine rein deutsche Klasse ging, merkte ich das schon, dass ich anders war und wurde auch mit meinem Aussehen aufgezogen, wobei das jetzt echt nicht immer nur so ganz harmlos gewesen wäre, wenn ich nicht schon immer selbstbewusst gewesen wäre. Meistens war es aber im Rahmen; dazu war ich aber halt noch dick.:D


    Einmal - kurz vor dem Abitur - wurde es richtig heftig und eine Gruppe Neonazis ging mich mit "Fette Mongosau, der Osten ist National befreite Zone, verschwinde" angebrüllt. Ich war aber schon immer schlagfertig und wir hatten das gerade in Geschichte gehabt und brüllte zurück, "hier ist Mitteldeutschland und nicht Osten, seid ihr Volksverräter" (die hatten irgendwie vergessen, dass Pommern, Schlesien und Ostpreußen ja auch Deutschland sind ;) ), danach kam von denen nichts mehr und auch nie wieder was. Ich glaube, das hat ganz schön Eindruck gemacht. ;) Das hätte aber wahrscheinlich auch echt ins Auge gehen können, was ich Sekunden später mit einem sehr flauen Gefühl in der Magengegend realisierte. Das waren allerdings auch schon nicht mehr die richtig harten Zeiten nach der Wende, die ich nur als kleines Kind erlebt habe. Bin ja Jahrgang 1991 und Ende der 2000er war da eigentlich nicht mehr viel zu befürchten.


    Einer meiner rechtsradikalen Mitschüler ist noch heute in einer entsprechenden Partei, irgendwann stand er mal vor der Tür und redete mit mir eine Weile über die Schulzeit, dann fragte er, ob ich für seine Partei unterschreiben könne, es ging da um diese Stimmen, um für die Wahl zugelassen zu werden. Als ich ihn fragte, ob er wirklich ausgerechnet mich auf dieser Liste haben will, überlegte er es sich doch anders und ging. Ich hätte aber unterschrieben, da ich dieses System nicht gut finde, bei der Parteien durch Hürden gehindert werden, an Wahlen teilzunehmen. Ich finde das nicht wirklich demokratisch und hat so ein leichtes Geschmäckchen - denn die Listen liegen ja nachher auf den Behörden und die wissen, wer unterschrieben hat. (Die Erfahrungen meiner Eltern mit dem kommunistischen Vietnam (es ist ja immer noch eine Diktatur) und der DDR haben bei mir dazu geführt, dass ich bei solchen Anliegen unterschreiben würde, auch wenn ich sonst noch nie gerfagt wurde. Außerdem, geht vermutlich wenig Gefahr von dieser Partei aus, wenn man schon mich um eine Stimme bitten muss...


    Das andere Extrem sind Migranten, die weder deutsch sprechen wollen, noch sich für die Kultur interessieren und die neue Heimat ausnutzen und sich auch überhaupt nicht integrieren/assimilieren wollen. Ich finde auch eine Vollverschleiereung sehr verstörend.


    Vielleicht sind inzwischen auch wirklich zu viele Ausländer/Fremde in Deutschland. Meine Eltern hätten mir das nicht bieten können, mich als Deutsche zu erziehen und die Kultur mehr als an der Oberfläche zu vermitteln und da ich in einem fast völlig deutschen Umfeld aufgewachsen bin, bin ich fast so deutsch wie meine Klassenkameraden von damals, vielleicht manchmal noch mehr, auch wenn ich kein deutsches Blut in mir habe und natürlich nicht wie eine "richtige" Deutsche aussehe. Meine vietnamesische Verwandtschaft macht Witze über meinen heftigen deutschen Akzent, obwohl es ja eigentlich meine Muttersprache ist, aber ich spreche viel mehr deutsch als Vietnamesisch.


    Aber wie ist es, wenn in einer Klasse mehr Fremde als "Eingeborene" sind und ein Großteil davon nicht richtig deutsch kann, wie sollen die die Kultur bitte lernen, wie sollen die sich orientieren und integriere?


    Ich habe übrigens zwei Vornamen, einen vietnamesischen und einen wirklich deutschen (echt germanisch-deutsch nach einer guten Freundin meiner Mutter von der Sorte "Heidelinde" oder "Brunhilde" ;) was auch nicht schlecht war, wenn ich das mal einer braunen Jacqueline oder Nancy oder einem rechten Enrico oder Mirko mitteilen konnte), Alexandra ist weder der eine noch der andere, das ist mein Name aus der Russischstunde eigentlich "Александра" kursierte der als Spitzname in allen Möglichen Varianten von Alex über Alya bis Sascha.:)

  • Hallo,


    das ist schon krass, eine "Ausländerin" um Stimmen für eine Neonazipartei zu bitten. Wenn ich mir das so überlege hätte ich nach deinen Erfahrungen da sicher nicht unterschrieben. Über diese Unterstützungsunterschriften habe ich allerdings noch nie so richtig nachgedacht. Dienen die nicht auch einfach dazu, eine gewisse "Verwurzelung" nachzuweisen, damit nicht am Schluss 1000 Parteien auf dem Stimmzettel stehen, mit jeweils einem Mitglied und einem einzigen Wähler? Da ich davon ausgehe, dass du keine rechtsextreme Partei wählst, wäre das ja irgendwie kontraproduktiv, ihr mit deiner Unterschrift die Zulassung zu verschaffen, wenn sie nachher dann doch kaum jemand wählt.


    Als in der nordwestdeutschen Provinz Geborener und Aufgewachsener kenne ich solche Pöbeleien eigentlich nicht, höchstens vielleicht im Festzelt/Bierzelt oder im Zank unter Kindern, ob ich mich an deiner Stelle getraut hätte, bei einer Horde Neonazis so zu reagieren? Ich weiß es nicht. Das heißt einmal habe ich, meine ich, irgendwo ein "Scheiß Italiener" auf der Straße gehört. Aber ich bin ja auch blond und blauäugig und urdeutsch.;)


    Das Problem, ob wir das mit der Integration noch schaffen, sehe ich leider auch, der Anteil der Fremden an den Schulen ist wirklich hoch, ich habe da jetzt aus meiner alten ländlichen Heimat und meiner neuen ländlichen Heimat Zahlen gehört, die zu meiner Schulzeit wohl in Großstädten in bestimmten Stadtteilen verortet hätte.

  • Das kann schon sein, dass das auch der Zweck ist, aber eine Partei braucht ja auch noch eine Mindestzahl an Mitgliedern und eine Struktur, um überhaupt antreten zu dürfen. Noch werden jedenfalls realtiv viele Wähler nicht im Parlament repräsentiert.



    Im übrigen vertraue ich auf den Verstand meiner Mitmenschen, keine extreme Partei an die Macht zu wählen. Warum sollten plötzlich alle eine Partei wählen wollen, die nicht mal ihre Unterstützerunterschriften problemlos zusammenbekommt? So kann sich die Partei auch als "Opfer" darstellen.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!