"Erfolgserlebnis"

  • Hallo an alle! Da ich in irgendeinem anderen Beitrag geschrieben habe, wie groß meine Probleme in Bezug auf Männer sind, weil ich hauptsächlich aufgrund meines Gewichts so gehemmt bin, möchte ich ein nettes Erlebnis mit Euch teilen. Letztes Wochenenende war Probenwochenende mit unserem Chor. Das heißt, wir waren alle von Freitag abend bis Sonntag abend in einem schönen Haus auf dem Land, die meisten haben übernachtet, aber nicht alle - ich natürlich nicht aus verschiedenen Gründen, aber das ist nicht das Thema. Jedenfalls bin ich ziemlich gut klargekommen (es gehört nicht zu meinen allerleichtesten Übungen, mich völlig ungehemmt in Gruppensituationen wohlzufühlen). Die Mahlzeiten fanden im Speiseraum an wenigen größeren Tischen statt, und ich habe es auch super geschafft, mein Sicherheitsdenken weitgehend auszuschalten (wo setze ich mich hin, damit ich garantiert nicht in der Nähe von jemandem sitze, der mich nervös macht etc.) und habe mich meistens irgendwo hin gesetzt und bin dann auch tatsächlich immer irgendwie mit ins Gespräch eingestiegen - Erfolgserlebnis! Das Beste war aber: nach einem Mittagessen bin ich mir einen Cappuchino holen gegangen, und als ich wiederkam, saßen von meiner "aktuellen Essensgruppe" nur noch 2 Männer da. Die meisten Männer vom Chor sind ja mittlerweile daran gewöhnt, daß ich nicht gerade auf sie zugehe und tun das daher (leider, aber logischerweise) umgekehrt auch nicht mehr, außerdem strahle ich aus Abwehr und Selbstschutz bestimmt etwas Abweisendes auf Männer aus. Aber diese beiden sind erst seit 2-3 Monaten im Chor, nur ein paar Jahre älter als ich und haben wohl noch kein richtiges Bild von mir. Nach einem kurzen Anflug von Panik hab ich mich einfach dazugesetzt, in Ruhe meinen Cappuchino getrunken und mich dabei mit den beiden unterhalten! Und dachte sogar ganz kurz "Wie cool, ICH sitze hier und rede mit zwei Männern gleichzeitig, das ist ja unglaublich". Also, so viel zu der unausgegorenen Theorie, die gelegentlich irgendwo in meinem Kopf herumspukt, daß kein normaler Mann mit mir reden will, die Männer vor mir flüchten und ich völlig unfähig bin, mich in der Anwesenheit von Männern normal zu benehmen. Das war ja nur ein kleines zehnminütiges Erlebnis, aber es hat mir so gut getan!


    Liebe Grüße,
    *franzi*

    [ 26-06-2004, 11:54: Beitrag editiert von: *franzi* ]

  • Hallo Franzi,


    das klingt doch toll! :)


    Zitat

    es gehört nicht zu meinen allerleichtesten Übungen, mich völlig ungehemmt in Gruppensituationen wohlzufühlen

    Geht mir auch schon seit meiner (normalgewichtigen) Kindheit so - ich bin definitiv kein Gruppenmensch. Umso schöner sind positive Erlebniss in der Richtung.


    Zitat

    außerdem strahle ich aus Abwehr und Selbstschutz bestimmt etwas Abweisendes auf Männer aus.

    Kann ich soooo gut nachvollziehen! Übrigens glaube ich durchaus, dass Männer sich mir gegenüber hauptsächlich gehemmt und auf Abstand verhalten, weil sie meine Abwehrhaltung spüren, auch wenn ich die gar nicht bewusst ausstrahlen will.


    Zitat

    daß kein normaler Mann mit mir reden will, die Männer vor mir flüchten und ich völlig unfähig bin, mich in der Anwesenheit von Männern normal zu benehmen.

    Solche Gedanken habe ich auch oft, und glaube mir, es tut mir *unglaublich* gut, hier im Forum zu erfahren, dass ich nicht die einzige erwachsene Frau mit derartigen Hemmungen bin. ;)


    Zitat

    Das war ja nur ein kleines zehnminütiges Erlebnis, aber es hat mir so gut getan!

    Verständlich! :)


    Viele Grüße,


    Kimmie

  • Kimmie, Du bist ganz sicher nicht die einzige erwachsene Frau mit solchen Hemmungen. Die sind altersunabhängig. Mit zunehmendem Alter ist man, glaube ich, nur zunehmend mehr "verpflichtet" zu versuchen, diese Probleme irgendwie zu lösen. Aber ich weiß genau, wie schwer das ist, und ich gehe bestimmt nicht andauernd raus und sage mir "Jetzt kämpfe ich und tue all die Dinge, vor denen ich mich fürchte". Das kann ich einfach nicht. Was ich aber auf jeden Fall versuche (seit einiger Zeit), ist, negative Erlebnisse (meistens bezieht sich das vor allem auf meine Gefühle in irgendwelchen Situationen) schneller abzuhaken und mir positive Dinge mehr einzuprägen. Denn das typische Verhalten für Menschen mit so negativer Selbsteinstellung, das ich eigentlich auch immer hatte, war ja, positive Erlebnisse beiseite zu wischen, seltsam zu finden etc. und negative als Bestätigung zu betrachten.


    Ganz liebe Grüße,
    *franzi*

    [ 26-06-2004, 21:44: Beitrag editiert von: *franzi* ]

  • Ich trau mich ja auch im Leben kaum, mit meinem "Kampfgewicht" einen Typen anzusprechen. Er könnte schließlich schreiend davonrennen oder mich einfach nur von oben bis unten angucken und dann einen blöden Spruch abgeben.


    Aber was mir vor ein paar Monaten passiert ist, will ich euch nicht vorenthalten. Vor allem deshalb nicht, weil ich irgendwie immer, wenn ich wieder dran denke, zu lächeln anfange. Und zwar war ich bei uns im Marktkauf und schnür mit meinem Einkaufswagen durch den Gang mit den Fischkonserven, um nach meinen heißgeliebten Muscheln zu schauen. Die hatten sie aber nicht da, und während ich noch so zweifelnd da stehe und einfach nach einer anderen Sorte greife und immer noch so rumstarre, passierte es! Jemand griff um mich rum, nahm mir die Dose aus der Hand, dann tauchte ein Typ neben mir auf, smilte mich an und meinte: "Die mußt du nicht nehmen, die schmecken nicht!" Er packt die Dose ins Regal zurück, greift nach einer anderen, drückt mir die in die Hand und sagt erneut: "Die sind schärfer und schmecken viel besser!" Und ich - immer noch total erstaunt (MICH hat einer angesprochen!!!) - grins bloß ungläubig: "Danke, ich werd's probieren!" Und er: "Glaub mir's, ich nehm immer die!" Grinst + wech! - Okay, es war "nur" 'ne Kleinigkeit, aber ich war total baff und hab den Rest des Einkaufs nur in mich reingelächelt.


    Von solch Kleinigkeiten zehrt man irgendwie, oder??


    Liebe Grüße,
    Carina

  • @ Franzi:

    Zitat

    Mit zunehmendem Alter ist man, glaube ich, nur zunehmend mehr "verpflichtet" zu versuchen, diese Probleme irgendwie zu lösen.

    Stimmt. Weil die Gefahr, sonst das ganze Leben zu verpassen, natürlich immer größer wird.


    Zitat

    Denn das typische Verhalten für Menschen mit so negativer Selbsteinstellung, das ich eigentlich auch immer hatte, war ja, positive Erlebnisse beiseite zu wischen, seltsam zu finden etc. und negative als Bestätigung zu betrachten.

    *Absolut*. Ich glaube, es ist ausgesprochen wichtig, sich dieses Muster erst einmal klarzumachen, um daran arbeiten zu können. Seit ich mich damit bewusst auseinandersetze - nicht zuletzt durch Diskussionen in diesem Forum - hat sich auch schon eine Menge bewegt. Aber ich habe noch einen weiten Weg vor mir. ;)


    Diese Art von Unsicherheit und "Aufschieberitis" scheint ein typisches (Frauen-?)Problem unserer Zeit zu sein. Warum nur?


    @Haselmaus:

    Zitat

    Okay, es war "nur" 'ne Kleinigkeit, aber ich war total baff und hab den Rest des Einkaufs nur in mich reingelächelt.


    Von solch Kleinigkeiten zehrt man irgendwie, oder??

    In der Tat. Ich zum Beispiel war im letzten Jahr auf einem Fan-Treffen, wo ich bei weitem nicht die einzige Dicke war und das Gewicht bei Männern und Frauen überhaupt keine Rolle spielte - solche Situationen liebe ich auch.


    Viele Grüße,


    Kimmie

  • Kimmie:


    Stimmt, sowas ist wirklich toll!! Bei mir geht's oft sogar so weit, daß ich am Zweifeln bin, ob man nun nur höflich ist, wenn man sagt "Schön, dich wieder zu sehen!" oder sich wirklich freut. Und - das Wichtigste! - sich auch mit mir in der Öffentlichkeit zeigt und nicht ständig irgendwelche Entschuldigungen vorgibt, warum man nichts miteinander unternehmen möchte. So verunsichert fühl ich mich manchmal! Schrecklich!!! Das ärgert mich dann auch, weil ich mir sage: "Hey, so lange oder so oft kann sich doch kein Mensch verstellen!" Auf jeden Fall hab ich letztens 'ne Freundin wiedergetroffen, die ich das letzte Mal vor 14 Jahren gesehen habe. Und selbst da hab ich zuerst gezweifelt und dann mit ihr drüber geredet. Fazit: Sie hat mich völlig fassungslos angeschaut und gesagt "Du spinnst doch, dich muß man einfach mögen!" *schnief* Aber wie gesagt: Solche Leute muß man manchmal echt lange suchen!


    Liebe Grüße,
    Carina

  • Besteht das Leben nicht in Wahrheit aus diesen Kleinigkeiten?


    Neulich, auf dem Rückweg vom Einkaufen: ich sehe ca. 20 Meter die Straße hinauf einen lustigen Hund, eine gefleckte Promenadenmischung. Ich sehe den Hund an und lächle, der Hund sieht mich an und fängt sofort an, mit dem Schwanz zu wedeln. Seine Besitzerin, eine ältere Dame, die den Schlüssel schon im Türschloß hat, wird aufmerksam und sieht zu mir, neugierig, was ihren Hund zum Schwanzwedeln brachte. Auch sie beginnt zu lächeln, und für ein paar Sekunden lächeln wir uns weiterhin an, und der Hund schwänzelt fröhlich weiter. Dann gehen wir alle in unsere Häuser, und der Tag ist schlagartig ein ganzes Stück schöner... und ich bin sicher, ich werde mich auch in 20 Jahren noch an diesen Moment erinnern. In solchen Momenten ist die Welt rund und im Lot - und mal ehrlich: ist Glück nicht immer ein Moment? Sicher gibt es Abstufungen, aber eine permanente Euphorie von Lottogewinnstärke würde wohl doch auch keiner aushalten, oder? ;)


    Gruß
    Carmen

    [ 28-06-2004, 01:30: Beitrag editiert von: Carmen ]

  • Also meiner Überzeugung nach besteht Glück darin, all die (manchmal winzig)kleinen Glücksmomente zu sammeln....


    Nur das große allumfassende Glück als Glück zu sehen und darauf zu warten ist gefährlich...Wie leicht verwartet man/frau sein/ihr Leben....


    stübbken

  • Stimmt!!! Und da ist es auch egal, wie klein diese Momente sind, aber man zehrt halt davon und kramt sie auch gern noch Jahre später wieder raus! *denk grad sehnsüchtig an den Sonnenaufgang am Grand Canyon + seufz selig* (Seht ihr, das ist genau das, was ich meine!!!)


    Liebe Grüße und noch einen schönen Wochenanfang wünscht


    Carina

  • Ja, in der Tat zehre auch ich von Kleinigkeiten, die für andere nicht der Rede wert wären. Aber ist das nicht eigentlich sehr traurig?


    *franzi*

  • Rita, irgendwie hast Du Recht.
    Es ist ganz wichtig, sich an Kleinigkeiten zu erfreuen, weil man sie dazu ja erst einmal wahrnehmen muß. Und das ist ja ein Schritt in Richtung POSITIVE Außenorientierung. Traurig macht es mich nur, weil ich mich über Sachen freue, die andere total selbstverständlich finden. Aber für mich ist eben vieles nicht selbstverständlich, und im Grunde freue ich mich darüber, was für Glücksgefühle ich doch empfinden kann, auch oder vor allem in bezug auf Kleinigkeiten.


    LG, *franzi*

  • Zitat

    Ja, in der Tat zehre auch ich von Kleinigkeiten, die für andere nicht der Rede wert wären. Aber ist das nicht eigentlich sehr traurig?

    find ich nicht. diese kleinigkeiten zu sehen ist was unendlich wertvolles. und wenn man den focus umdreht, weg von der scham und der furcht, hin zu den positiven kleinigkeiten , ist es ein großer schritt hin zu einem glücklichen leben und raus aus den negatven gedankenspiralen :)

  • Das geht mir ganz genauso. Mein Schatz wundert sich immer darüber, über welche Dinge ich mich so freuen kann. Ich hab mir in Italien eine neue Tasche gekauft und einen neuen Geldbeutel. Einen, den ich schon immer gesucht aber nie gefunden hab. Ich war jedenfalls die ganze Zeit total happy und musste die beiden Dinge immer wieder hervorkramen und anschauen. Wenn wir dann am Strand oder auf dem Campingplatz rumspaziert sind, meinte er nur, dass ich richtig glücklich aussehe wegen diesen beiden eigentlich so selbstverständlichen Dingen. Aber ich hab mich echt so gefreut.


    Oder wenn etwas, was sich ein Freund oder eine Freundin von mir so sehr gewünscht hat, klappt, dann freue ich mich auch immer tierisch darüber und hab sofort gute Laune. Ich denke, dass diese Eigenschaft sehr wichtig ist, denn somit hebt man mit seinen Ansprüchen nie ab sondern bleibt irgendwie immer auf dem Boden.


    Lasst Euch nicht einreden, dass Ihr Euch über selbstverständliche Dinge nicht zu sehr freuen dürft. Das ist nicht wahr. Was Euch glücklich macht, ist wichtig. Nicht dass, was andere darüber denken.


    die Grit

  • @*franzi*


    Zitat

    Traurig macht es mich nur, weil ich mich über Sachen freue, die andere total selbstverständlich finden. Aber für mich ist eben vieles nicht selbstverständlich

    Das ist der Punkt... stell dir mal vor, du wärst Millionär, dann wäre für dich auch vieles selbstverständlich, worüber sich ein "Normalmensch" riesig freut... ist immer eine Frage der Basis. Aber entscheidend ist doch nur, DASS man sich freuen kann...


    Gruß
    Carmen

  • @Grit:

    Zitat


    Wenn wir dann am Strand oder auf dem Campingplatz rumspaziert sind, meinte er nur, dass ich richtig glücklich aussehe wegen diesen beiden eigentlich so selbstverständlichen Dingen. Aber ich hab mich echt so gefreut.

    Kann ich gut nachfühlen... hatten wir das als Kind nicht sehr oft und dann teils mit dem Erwachsenwerden verloren? Das NICHT verloren zu haben, ist ein großes Geschenk!


    Gruß
    Carmen

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