Seid ihr ohne Vorurteile?

  • Hallo :)


    Es gibt da so ein schönes Wort, das mir grade leider nicht einfällt.
    Es beschreibt, warum solche Formate wie "Schwiegertochter gesucht" "Bauer sucht Frau" und Co so erfolgreich sind.
    Weil Menschen sich gerne "herab" vergleichen. Also sie selbst besser dastehen, als der dicke, doofe da im Fernsehen.


    Als ich den Artikel darüber gelesen habe, hab ich mich gefragt, warum ich solche sendungen niemals schaue und mich nicht vergleichen möchte, um mich dann besser zu fühlen.
    Und im Zuge dessen kam dann auch die Frage in mir hoch ob ich denn "schlecht" über andere Dicke denke.


    Und in der Tat, habe ich mich jetzt z.B. bei ShoppingQueen dabei erwischt, wie ich dachte "Oh Gott, das geht ja gar nicht." "Der Speck dahinten und dann DAS Kleid"
    Sogar, wenn ich bei McDonalds am Schalter stehe und einen fülligen Menschen in der Schlange stehen sehe, kommt kurz der Gedanke in mir hoch "Typisch, Dicke bei McDonalds".
    Der Gedanke ist nur für einen Bruchteil einer Sekunde da. Ich schäm mich auch ganz schnell dafür und dann siegt mein "Überbewusstsein"
    Zudem ist dieser Gedanke ja auch total abstrus, weil ich selbst als Dicke bei Mäcci steh.
    ;)


    Warum ist das so?
    Bin ich geprägt von den Medien? Haben wir alle so ein Bild in uns, Vorurteile, die wir nur schwer los werden?
    Erwischt ihr euch auch bei sowas?
    Ist das "normal"?


    Ich mag mich jedenfalls nicht, wenn ich mich bei solchen Gedanken "erwische". Weil ichs doch eigentlich besser weiß. :o

  • Ja ich finde das ist normal. Und wenn man es zumindest weiß ist doch schon viel erreicht. :)


    Der Autor von "Hitlerjunge Salomon" sagte mal in einem Interview, wenn er im Fernsehen Berichte über Hollywood Filme sehe, dann schieße ihm manchmal durch den Kopf: "Die Scheiss-Juden machen unsere ganze Kultur kaputt." Er ist Jude und lebte große Teile seines Lebens in Israel, hatte aber als Jugendlicher als Hitlerjunge die Nazi-Zeit überlebt.


    Solche Aussagen sind einfach in uns drin, manchmal so tief verankert dass wir uns nicht dagegen wehren können. Solange der Verstand sich dazwischen schaltet finde ich das nicht sooo schlimm.

  • Da kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen. Jeder Mensch hat Vorurteile, das lässt sich auch gar nicht verhindern. Die Frage ist, ob man diese zulässt und danach handelt, oder kritisch dazu steht, dass man welche hat.
    Wichtig ist, wie Bircan sehr richtig sagte, der Gedanke danach. Oder besser: Ob man einen Gedanken danach hat, denn nur dieser lässt einen über einen in den Sinn schießenden Gedanken nachdenken (das liest sich jetzt etwas repitativ....:/ ).


    Ich finde, Vorurteile sind völlig ok in unserer Gesellschaft, solange man nicht seine Meinungsbildung und sein Handeln davon bestimmen lässt, sondern sie immer erst hinterfragt.

  • Hallo


    ich behaupte auch jeder Mensch hat Vorurteile. Wichtig ist eben nur, ob man unbelehrbar darin festhängen bleibt, oder ob man sich auf den Menschen einlässt und so hinter die Fassade schaut.

    Liebe Grüße Mendi


    "Wer eine schöne Stunde verschenkt, weil er an Ärger von gestern denkt oder an Sorgen von morgen, der tut mir leid. Mein Name ist Hase, ich weiß Bescheid." (Bugs Bunny)

  • Ich las einmal, dass in der Evolution Vorurteile nötig seien, um Dinge in der heterogenen Welt besser einordnen zu können und damit auch seine Identität zu erfassen.
    Allerdings lasse ich mich auch nicht von meiner Biologie unterwerfen. Ich bin sicher nicht frei von Vorurteilen, aber immer wieder gerne bereit, mich mit der Materie zu beschäftigen, um eines Besseren belehrt zu werden :)
    Es ist immer schön die Erkenntnis zu erhalten. "Der/die/das ist ja doch nicht so schlimm, wie ich dachte."

  • Ist es ein Vorurteil, wenn ich glaube, dass alle Menschen Vorurteile haben?:)

    "Der Mensch ist evolutionär noch nicht klug genug, die Umwelt so wahrzunehmen, wie sie ist. Er muss kategorisieren, um die Informationsflut zu reduzieren"

    Diese Zitat ist von Prof. Andreas Zick. Ich finde, daß sagt alles aus.

    Wir haben Denkschablonen und diese werden alle Informationen geschoben. Sicher auch die Fehlinformationen und bei passender Gelegenheit werden diese dann hervorgrkramt und verwendet.

  • Das kenne ich auch zu gut :)


    Wir waren im Sommer mal spaßeshalber in einem XXL-Schnitzelrestaurant - mein schlanker Mann, meine schlanke Tochter und ich, selbst dick.
    Ich, bzw. wir, haben ständig die ankommenden Gäste beobachtet (alle "normal") und quasi nur darauf gewartet, das ein "typischer" XXL-Mensch ankommt - eben das, was man ich solch einem Restaurant erwartet.....im Nachhinein betrachtet war das natürlich vollkommen albern....

  • Das kenne ich auch zu gut :)


    Wir waren im Sommer mal spaßeshalber in einem XXL-Schnitzelrestaurant - mein schlanker Mann, meine schlanke Tochter und ich, selbst dick.
    Ich, bzw. wir, haben ständig die ankommenden Gäste beobachtet (alle "normal") und quasi nur darauf gewartet, das ein "typischer" XXL-Mensch ankommt - eben das, was man ich solch einem Restaurant erwartet.....im Nachhinein betrachtet war das natürlich vollkommen albern....


    Du und dein Mann seid für eure 8jährige Tochter, mit solch einem Verhalten, wirklich kein Vorbild :(

  • Nicht nur ein schlechtes Vorbild sondern auch ziemlich paradox. Eine Familie geht "spaßeshalber" in ein XXL-Schnitzelhaus um Übergewichtige Menschen angaffen zu können obwohl sich anscheinend selbst eine in ihren Reihen befinden.


    Auch wenn man es danach als Albern abstempelt möchte ich wissen ob man nicht vorher hätte darüber nachdenken können. Ein Familienausflug stelle ich mir anders vor.

  • Ich glaube nicht, dass sie mit "spaßeshalber" meinte, dass der Ausflug dem Begaffer dicker Leute in einem XXL_Restaurant galt.
    Ich würde in ein XXL-Restaturant auch nur "spaßeshalber" gehen. Und nicht, um eine Familienfeier oder ein Candlelightdinner zu haben.


    Aber genau sowas wie ihre Geschichte mein ich ja.
    In Fastfoodketten "erwarte" ich auch immer dicke Leute und bin dann von mir selbst erschrocken, schüttele den Kopf und verwerfe den Gedanken.


    Unabhängig davon hoffe ich aber trotzdem, dass du deiner Tochter ein anderes Verhalten als "Gaffen" beibringst.


    LG

  • [...] Aber genau sowas wie ihre Geschichte mein ich ja.
    In Fastfoodketten "erwarte" ich auch immer dicke Leute und bin dann von mir selbst erschrocken, schüttele den Kopf und verwerfe den Gedanken.


    Du hattest deine Vorurteils-Frage bezogen auf Gedanken und wie viele User hier, glaube ich auch, dass wir alle gesellschaftskritische Gedanken "eingeredet" bekommen und von daher es "normal" ist, dass wir seltsame Dinge denken können ;)


    Meine Tochter ist heute erwachsen, aber ich habe schon aufgepasst, dass wir ihr so wenig wie möglich Vorgaben machen was richtig, gut, normal oder anständig ist ... mit fünfzehn Jahren hat sie es mir "gedankt" indem sie von einem Friseurbesuch mit kurzen/grasgrün gefärbten Haaren nachhause kam :eek: ... es lebe der Punk :) Als wir zum nächsten Familientreffen kamen nahm meine Schwester ihre kleine Tochter sofort an die Hand und weg von unserer Tochter ;)


  • In Fastfoodketten "erwarte" ich auch immer dicke Leute


    merkwürdig. Wenn ich da mal essen gehe, sehe ich nur junge Leute. Und die sind überwiegend schlank. Wenn ich jemandem wie mir da begegnen würde, alt und dick, wäre ich ziemlich überrascht.
    Ich erwarte da schlanke Leute bis Mitte zwanzig oder, falls älter, mit Kindern - auch ein Vorurteil. :rolleyes: :D

  • Zitat

    Ich glaube nicht, dass sie mit "spaßeshalber" meinte, dass der Ausflug dem Begaffer dicker Leute in einem XXL_Restaurant galt.
    Ich würde in ein XXL-Restaturant auch nur "spaßeshalber" gehen. Und nicht, um eine Familienfeier oder ein Candlelightdinner zu haben.


    Aber genau sowas wie ihre Geschichte mein ich ja.
    In Fastfoodketten "erwarte" ich auch immer dicke Leute und bin dann von mir selbst erschrocken, schüttele den Kopf und verwerfe den Gedanken.


    Unabhängig davon hoffe ich aber trotzdem, dass du deiner Tochter ein anderes Verhalten als "Gaffen" beibringst.


    Ich danke dir. Du rettest mir den Tag:)
    Selbstverständlich sind wir NICHT gezielt dahin gefahren um Gaffen zu gehen. Wir waren den ganzen Tag auf Tour, hatten Hunger und das war ausgeschildert, ist hier in der Region sehr bekannt. Daher sind wir da mal "spaßeshalber" eingekehrt, da wir sonst noch nie in einem Schnitzelhaus essen waren.
    Und nein, selbstverständlich haben wir auf der Fahrt dorthin unserer Tochter NICHT erzählt, daß wir dahin fahren, um dicke Menschen anzustarren und was die für Portionen verdrücken:rolleyes:


    Es ging da mehr darum, daß ich das gedanklich automatisch erwartet hatte - und im Endeffekt doch fast nur Normalgewichtige da waren. Daher passte die Story zum Thema "Vorurteile".


    Im Übrigen ist mein Kind ein äußerst vorzeigbares Mädchen, höflich, freundlich, weltoffen und definitiv NICHT mit Vorurteilen behaftet:p

  • Ich spreche hier nur für mich:
    Ich ertappe mich immer wieder einmal dabei, Vorurteile zu haben. Über Aussehen, Sozialverhalten, Körperpflegezustand - sozusagen das volle Programm.
    Dann denke ich : "bist Du heute aber scheiße drauf bzw. das ist aber scheiße von Dir!" Dann schäme ich mich.
    Aber es passiert.
    Ich denke, es hat auch etwas mit meiner "Datenverarbeitung" zu tun, Vorurteile sind Kategorien, Schubladen, in die ich Gesehenes und Gehörtes nebenbei einsortiere, um der Flut der Eindrücke "Herr" zu werden.
    Wichtig ist - für mich - mir dem bewußt zu sein und nicht aus einem solchen Vorurteilsimpuls heraus zu handeln bzw. sich eine bleibende Meinung zu bilden.
    Ich behalte mir aber auch vor, manche Menschen nach blöden / schlimmen Erlebnissen mit Ihnen auch einfach Scheiße finden zu dürfen.

  • zu diesem thema empfehle ich die lektüre von
    Gordon W. Allport: "the nature of prejudice";
    schon ein wenig in die jahre gekommen das buch, doch noch immer ein standardwerk seiner art.


    ich HABE vorurteile.
    ich hasse nazis, bekomme im umgang mit diesen leuten die bilder nicht aus dem kopf und kann nicht unbefangen mit ihnen umgehen, obwohl ich ihnen beruflich nicht aus dem weg gehen kann.
    ich hasse sie. und das wird sich nicht, vermutlich will ich das auch nicht, ändern.

    immer wieder ertappe ich mich schuldbewußt dabei, menschen nach bestimmten stereotypen zu klassifizieren (nochmal: siehe Allport) und bemühe mich ehrlich dagegen anzukämpfen.
    vorurteile sind ein teil unserer stammesgeschichtlichen überlebensstrategie. da die meisten von uns aber inzwischen von den bäumen gestiegen sind und auch nicht mehr in höhlen leben, ist das denken in stereotypen NICHT mehr überlebenswichtig und kann somit abgelegt werden.
    es ist ein alltäglicher, mit höchster selbstkritik zu führender kampf. aber er lohnt sich


  • wann ist für dich jemand ein Nazi? Heutzutage wird dieser Begriff ja auch standardmäßig verwendet, sobald man leise Kritik übt. Bei uns in der Straßenbahn werden die Leute schon als Nazi betitelt, sobald sie eine Person mit ausländischen Aussehen bitten, die Füße von den Sitzen zu nehmen. Oder wenn ein Verkäufer oder Kunde (!) einen Kunden darum bittet, das Obst nicht zu zerdrücken, schon kommen diese Nazi-Sprüche. Dieses Wort wird mittlerweile definitiv missbraucht.


  • ich hasse nazis, bekomme im umgang mit diesen leuten die bilder nicht aus dem kopf und kann nicht unbefangen mit ihnen umgehen, obwohl ich ihnen beruflich nicht aus dem weg gehen kann.
    ich hasse sie. und das wird sich nicht, vermutlich will ich das auch nicht, ändern.


    Erlaubst Du mir, zu fragen, welche Bilder Du nicht aus dem Kopf bekommst? Du bist Baujahr '65, oder? Meinst Du Neo-Nazis? Oder die greisen Nazi-Opas, die kürzlich verhaftet wurden? Und in welchem Beruf kann man ihnen denn bitte nicht aus dem Weg gehen?


    Auch für mich ist das ein Reizthema, über das ich nicht fähig bin, ruhig zu diskutieren.


    Und auch ich habe Vorurteile: gegen alles, was mir zunächst mal fremd ist, also gegen alle gängigen 'Prügelknaben' der Boulevardblätter, gegen schöne Menschen, denen ich so etwas wie Empathie grundsätzlich nicht zutraue - meistens zu unrecht -, gegen arrogante Menschen, bei denen die Arroganz wirklich echt und nicht nur Selbstschutz ist, ja sogar gegen Männer mit Locken, wobei ich niemals ergründen konnte, warum das so ist.


    Aber, wie Goldfisch sagt, sollte man immer nochmal genauer hinschauen. Meistens sind die Vorurteile unbegründet. Falls nicht, kann ich mich ja auch distanzieren.

  • Hallo Catstar,


    Vorurteile zu haben, ist, in einem gewissen Rahmen, nun ja, in Ordnung würde ich es jetzt nicht nennen, aber in gewisser Weise nachvollziehbar. Ich finde jedoch, solange man ihnen keinen großen Raum lässt und sie zwar kurz zur Kenntnis nimmt, ihnen jedoch keine größere Bedeutung zugesteht, kann man aus ihnen lernen - nämlich, dass Vorurteile eigentlich nur die eigene Befremdlichkeit in uns auslösen.


    Ja, einige Vorurteile habe ich auch und ich ertappe mich auch manchmal dabei, dass einige wiederum öfter in meinen Gedanken auftauchen, als mir lieb ist. Andererseits hinterfrage ich sie -wie du- auch oft und solange man sich mit seinen eigenen Vourteilen auseinander setzt, hat man schon einmal viel dafür getan, offener auf andere Leute, denen man diese Vourteile auf den Tisch legt, zuzugehen - nicht immer leicht, aber machbar.


    Viele Grüße,


    Kaffee-Eule

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!