Wieviel dicke Frau passt in einen Kopf?

  • Ich würde ja lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte nicht manchmal auch meine Rückfälle.


    Es gibt Situationen, da könnte ich schreiend weglaufen. Gestern z.B.: Ich hatte ein unangenehmes, an Mobbing grenzendes Erlebnis im Büro und saß ziemlich aufgebracht in einem ICE. Ich hatte den Gangplatz reserviert. Der Fensterplatz war ab der nächsten Station reserviert. Der Zug stand nun in der nächsten Stattion und das übliche Rein und Raus spielte sich auf den Gängen ab, als neben mir zwei Männer standen und der eine zum anderen sagte: "Haben Sie Ihren Platz schon gefunden?" Es war die Art, wie dieser Typ mit "Ja" antwortete, die mich beinahe hat unter die Decke springen lassen. Er hat wirklich nur "ja" gesagt, aber in seinem Ton lag dazu: "Ja, aber ich hätte mir gewünscht, ich müsste jetzt nicht neben dieser fetten Kuh sitzen." Das war so eindeutig und gleichzeitig so subtil, dass ich vor Wut beinahe geplatzt wäre.


    Ich habe oft das Gefühl, dass ich mit meiner Art nicht in die Köpfe mancher Leute passe, insbesondere einiger Männer, mit denen ich zwangsläufig irgendwie klar kommen muss, weil ich z.B. beruflich mit Ihnen zu tun habe.


    Ich bin eine Beleidigung für deren Augen (also, so empfinden die das, was ich weiß, weil zumindest einer es mir im Suff mal gesagt hat). Das wäre ja noch zu ertragen, wenn ich wenigstens demütig durch's Leben rennen würde und mich von morgens bis abends darüber beklagen würde, wie furchtbar es doch ist, dick zu sein. Stattdessen bin ich meist fröhlich und freundlich, lache gerne und mache Scherzchen. Auch dass ich beliebt bin, fuchst diese Herren. Und die größte Katastrophe ist, dass ich seit einem Jahr eine glückliche, funktionierende Beziehung mit einem völlig normalen Mann, der auch beliebt ist, habe.


    Kurz vor meinem Geburtstag fragte mich einer dieser Männer völlig zusammenhanglos, wann ich denn feiern würde. Ich antworte: "Was denn? Meinen Geburtstag oder meine Hochzeit?" Das war natürlich ein Scherz, weil ich im Moment über Hochzeit nun wirklich nicht nachdenke. Jedenfalls fiel dem tatsächlich der Unterkiefer runter und er sagte: "Hochzeit!? ... hihi." Ich dachte, ich falle vom Glauben ab.


    Ich finde den Umgang mit diesen Menschen sehr schwierig. Aus Höflichkeit sagen sie im Normalfall nicht, was sie wirklich denken, aber sie haben ein ziemliches Problem mit ihrem eigenen Weltbild, dem ich zu 100 % widerspreche. Meist sind das dann wohl auch die Männer, die dann im Netz schreiben, dass man es sich sowieso einbildet, es ginge einem gut als Dicke. In deren Augen kann das nur Selbstbetrug sein, weil alles andere keinen Platz in ihren Köpfen hat.


    In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein schönes Wochenende,
    Crassa

    [ 12-07-2003, 11:06: Beitrag editiert von: Crassa ]

  • hallo crassa,


    das ist sehr interessant, was du da zum thema "selbstbetrug" gesagt hast. erst gestern lief auf Sat1 oder so eine Talkshow über Dicke und jede Dicke, die sagte, sie würde sich wohlfühlen, soll das ja angeblich nur aus purem Selbstschutz behaupten. So ein Schwachsinn. Ein Mädel meinte, sie fühlte sich wohl, und immer wieder wurde sie gefragt, ob das auch wirklich stimmte und nicht nur eine Schutzbehauptung sei.


    Fakt ist: Nur weil viele Menschen sich nicht vorstellen können, selbst Dick zu sein und sich nicht vorstellen können selbst dick und dabei glücklich zu sein, ist jeder dicke der sich wohlfühlt in ihren Augen nur ein Mensch, der in Wahrheit ganz traurig ist und das alles nur aus purem SElbstschutz behauptet. Und alle Dicken essen zuviel und zu ungesund. Alle Dicken sind faul und schwitzen und stinken und tragen Zelte oder Klamotten, die andere an ihnen abstoßend finden.


    Es gibt heute in München den christopher street day für alle homosexuellen. vielleicht sollte man einen walzing mathilda marsch machen für die gleichberechtigung von dicken. mich selbst stört es nämlich ganz gewaltig, dass die menschen von ihrem denken so überzeugt sind, dass nichts darin platz hat.

  • hi crassa!

    Zitat

    wieviel dicke frau paßt in einen kopf?

    verdammt gute formulierung ;)


    ich muß sagen, ich hab mit dünnen leuten wenig probleme.


    wo ich immer noch innerlich hochgehe, wie eine rakete ist bei frauen, die seit 20 bis 50 jahren auf diät sind totunglücklich über ihre 10-20 kilo "übergewicht" und die mir permanent erzählen wollen: "also, wenn ICH mit meinem BMI von 30+/- mich kaum mehr auf die strasse traue, wie kannst DU mit deinem BMI von 50 +/- dich unterstehen zu behaupten, du fühlst dich wohl in deinem körper?"


    ICH behaupte ja auch nicht, daß sich ein mensch der 2m groß ist nicht wohlfühlen KANN, weil ich nur 1,66m groß bin.


    aber das ist eine unendliche geschichte von toleranz und intoleranz und ich bin auf dem besten weg dazu mit einem abgeklärten lächeln meiner wege zu ziehen. einen vorteil hat das älterwerden doch :)


    lg rita

  • tja Crassa, ich denke solche momente wird es immer wieder geben. auch wenn es einem noch so gut geht und man sich wohl fühlt. vermehrt stellen sich solche situationen ein, wenn man mit sich selber nicht im reinen ist und /oder einen schlechten tag hatte(so wie in deinem beispiel war). denn man kann sich sein zu hause und sein umfeld zwar so schaffen, daß man sich wohl fühlt, aber es gibt immer wieder situationen, wo man diese kreise verlassen muss und sich in "gesellschaftliche gefilde" begibt, wo eben (das ist jetzt meine persönliche einschätzung laut meiner lebenserfahrung), sich zu 99,8% (grob geschätzt :D :D :D )intollerante volltrottel tummeln, die gefahr laufen von einem parkendem auto überfahren zu werden und das noch nicht einmal bemerken :D
    jedenfalls ist so etwas mir auch in den letzten tagen passiert. wenn ich mich so auf mein rad setze um zur arbeit oder wieder nach hause zu fahren, dann werde ich so schamlos von manchen angeglotzt, daß ich bald zurückbrüllen werde, daß ich, wenn sie länger glotzen, eintritt verlange... :mad: wie die meisten wissen, hilft allerdings am besten gnadenloses zurückglotzen. nunja..ich hoffe, dein erlebnis beschäftigt nicht mehr all zu lange.


    gruß Stöpsel :)

  • Hi Crassa,
    was mich bei solchen Gelegenheiten immer wütend macht, ist meine hilflosigkeit.
    Die entsteht dadurch, dass ich meine zu wissen, was eine schrafzüngige Replik meinerseits bewirken würde: Nämlich nichts.
    In machen Fällen, z.B. bei lauten Angriffen, mögen die Chancen besser sein.
    Aber diese feigen Botschaften zwischen den Zeilen, oder die allessagenden Blicke, oder der herabsetzende Tonfall...
    ich glaube das sind Menschen, die sich so überlegen fühlen, dass sie eine direkte Konfrontation mit einer/m Dicken als unter ihrer Würde bezeichnen, da solche Leute oft ein Motto haben: Nach oben buckeln und nach unten treten. Und Dicke sind für die unten...
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auch dieselben Menschen sind, die mir auf beruflicher Ebene vordergründig mit Respekt entgegentreten und eine Schleimspur hinterlassen, sobald sie aber das Gefühl haben, eine sichere Position innezuhaben, an meinem Stuhl sägen, und zwar auf der "Dicken-Schiene" (lästern, Vorurteile verbreiten...)...
    Du siehst, dieses Thema ist bei mir sehr emotional besetzt ;) , was ich damit eigentlich sagen will: Ich kann deine Gefühle nachfühlen und habe für solche Situationen noch keine richtige Lösung gefunden, außer daß ich zuhause dann Kleiderbügel zertrümmere, das hilft mir klasse.. :)


    Jesse

    [ 12-07-2003, 18:09: Beitrag editiert von: Jesse ]

  • Ich glaube, solche Vorkommnisse müssen wir einfach akzeptieren. Es gibt nun mal dumme Menschen und es wird sie immer geben.
    Häufig sind die selber sehr unsicher und unzufrieden und machen ihre eigene Lebensfreude von Äusserlichkeiten abhängig. Werte, die sehr schnell und plötzlich ins Wanken kommen. Eigentlich bemitleidenswert.


    Soo abgeklärt reagier ich natürlich auch nicht, aber wenn ich das von Mal zu Mal immer besser auf die reale Grösse oder Wichtigkeit reduzieren kann, bin ich schon zufrieden.
    Und ich habe überhaupt keinen Grund mich vor irgendwelchen Leuten zu rechtfertigen. An manchen Tagen bin ich glücklich, an anderen weniger, wie jeder andere Mensch auch.

  • leider ist man ja als dicker Mensch deswegen unglücklich weil man dick ist. Dass man als Mensch mit Übergewicht allerdings auch gute und schlechte Tage hat, das sieht niemand...

  • Hallo crassa,
    könnte es nicht sein, dass du durch das vorangegangene Erlebnis noch so aufgebracht warst, dass du das "Ja" anders gehört hast, als es vielleicht gesagt worden ist. Du bist doch eine voll im Leben stehende selbstbewusste Person - das ist zumindest mein Eindruck aus deinen Postings, da kann dich doch so was eigentlich nicht erschüttern.

  • Hallo, Ihr alle,


    es ging mir eigentlich nicht so sehr darum, dass ich mich verletzt fühle.


    Es nervt mich einfach manchmal. Manchmal frage ich mich, muss das wirklich sein. Ich finde es lästig.


    Dieses Ja war eindeutig und ich habe nichts dahin interpretiert.


    Aber ich wollte vor allem zum Ausdruck bringen, dass ich dieses Subtile weniger mag als klare, offen gesprochene Worte. Und manchmal ärgert es mich auch, dass meine unbestrittenen Stärken und mein Können von diesem einen Merkmal völlig überdeckt werden bzw. dass dieses eine Merkmal meine Stärken vollkommen in den Schatten stellt.


    Zwar sehe ich es wie Freya: Ich bin gut und ich weiß das auch, aber manchmal würde ich das lieber nicht ständig so vor mir hertragen müssen. Es ist eben einfach lästig.


    Crassa

  • Ich glaube, ich verstehe, was du meinst, Crassa. Auch ich bin es manchmal leid, stets "raushängen" lassen zu müssen, daß ich jede Menge Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen habe.


    Jedem nicht dicken Menschen wird zugestanden, auch mal unsicher oder schwach zu sein oder in Tränen auszubrechen. Leistet sich ein dicker Mensch das, heißt es gleich, er sei halt dick und habe deshalb ein persönliches Problem ...


    Gruß
    Rascha

  • Da hast Du aber ein erhebliches
    diplomatisches Interpretationstalent.
    Ich bin gegen diskriminierende
    Auslegungen deinerseits also nur dadurch geschützt, daß ich selber zur diskriminierten Gruppe der Dicken gehöre.


    Papageno

  • Im Gegenteil zu Rascha habe ich die Erfahrung gemacht, dass das "ständige Vorsichhertragen von Selbstsicherheit" andere einschüchtern und herabsetzen kann. Sie sehen mich immer nur stark und sicher und selbstbewusst.
    Für viele meiner Freunde und Bekannte war es daher eine Erleichterung, dass ich auch mal schwach bin und anlehnungsbedürftig. Und ich im Gegenzug fühle mich auch erst dann wirklich wahrgenommen als ganzes.


    Und wenn Crassa schreibt, dass sie am liebsten schreiend davonrennen würde, dann ist das einerseits für mich gut nachzuvollziehen und andererseits eben deutlich mehr als lästig. Es ist verletzend! Aber ich versuche es für mich dann zu relativieren. Meine positiven Kontakte mit Menschen überwiegen zum Glück sehr deutlich, so dass die ***** auf dieser Welt sich daneben eindeutig verlierend klein ausmachen.

    [ 16-07-2003, 21:05: Beitrag editiert von: choulette ]

  • papageno schrieb:


    Zitat

    Da hast Du aber ein erhebliches
    diplomatisches Interpretationstalent.
    Ich bin gegen diskriminierende
    Auslegungen deinerseits also nur dadurch geschützt, daß ich selber zur diskriminierten Gruppe der Dicken gehöre.

    Wen und/oder was meinst Du damit?


    Crassa, heute Abend zu müde, um das zu verstehen

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