Der alte Mann und der Nachtwind

  • Wenn ihr's so wollt - selber schuld... g*

    Die Alte Dame

    Als ich ein Kind war starb in unserer Nachbarschaft eine ältere Dame die, wie ich heute weis, keine Anverwandten mehr hatte.
    Ihr Mann starb im Krieg, ihre Kinder an Krankheit und Unfällen...
    Es gab niemanden der sich um ihren Nachlass gekümmert hätte oder der einen Anspruch darauf erhoben hätte.
    Irgendwann kamen die Leute der Stadt um ihre Wohnung auszuräumen.
    Sie trennten dabei das wiederverkäufliche von den für sie wertlosen Gegenständen. Was sie wieder zu Geld machen konnten wurde in einen Transporter geladen das andere auf einen Haufen vor dem Haus zusammengetragen.
    Kinder sind neugierige Wesen die auch vor Unrat nicht zurückschrecken wenn sie Hoffnung auf ein Abenteuer verspüren, so suchte ich in dem kleinen Haufen aus Lampen, Bildern und div. Wohnungsgegenständen nach etwas für mich interessanten.
    Dabei fand ich einige Fotografien, die einen schon leicht vergilbt, die anderen nicht ganz so alt.
    Aber kaum eine war dabei die die alte Dame in ihren letzten Jahren zeigte, fast als hätte sie es vermeiden wollen ihren eigenen Zerfall zu fotografieren.
    Die Fotos die ich fand zeigten das Leben der Dame: Als Kleinkind in den armen ihrer Eltern, einige Fotos wie sie spielte, wie sie eingeschult wurde, Bilder ihrer Hochzeit, Bilder mit fremden Menschen, Bilder die sie am Sarg ihres Gatten zeigten, Bilder ihrer Kinder, wie sie eingeschult wurden, wie sie das gleiche machten das sie als Kind tat, Bilder von den Gräbern ihrer Kinder...
    Ein kleiner Junge weis nicht was er wegwirft, aber vermutlich hätte es auch nichts geändert wenn ich diese Bilder aufbewahrt und in ehren gehalten hätte. Es wäre wahrscheinlich nur ein kurzer Aufschub geworden.
    Ich lies die Bilder damals in meiner Spiellust einfach in den Straßengraben fallen, nachdem ich mein Interesse an ihnen verloren hatte...

    Mag es Zufall sein oder nicht, ich musste jeden Tag an der Stelle vorbei an der die Bilder lagen.
    Ich blickte niemals mit bewusster Absicht auf die Bilder, aber mir ist es dennoch in Erinnerung geblieben wie die Bilder mit jeder Woche unansehnlicher wurden und immer mehr dem Dreck glichen in welchem sie lagen.
    Mit der Zeit tat die Witterung das ihre dazu und zersetzte das Material auf dem die Bilder für eine Ewigkeit bleiben sollte, sie zerfielen mehr und mehr bis sie eines Tages von einem kurzen Regenschauer weggewischt worden waren.

    Eine Lebensgeschichte, festgehalten in Bildern, nahm den gleichen Verlauf wie der Mensch zu dem diese Geschichte gehörte, sie zerfiel im Laufe der Zeit zu Staub und Dreck.
    Heute ist niemand mehr da der sich der alten Dame und ihrer Fotografien erinnert, außer mir.

    Ich weis nicht warum, aber gelegentlich an einem Totensonntag oder zu Weihnachten zünde ich eine Kerze an und denke an die alte Dame, Frage mich ob es ein Leben nach dem Leben gibt oder ob alles den gleichen Verlauf nimmt wie ihre Fotografien...
    Wenn es wirklich so wäre, ist dann nicht alles Streben nach Macht und Ansehen umsonst und vergebens?
    Wäre es dann nicht besser wenn wir versuchen würden unseren Nächsten zu achten und ihm mit Respekt zu begegnen, oder sollten wir weitermachen wie bisher?
    Uns profilieren und den anderen unsere Macht und Überlegenheit zeigen?

    Ich kann nicht sagen was kommen wird, aber irgendwann wird niemand mehr da sein und der alten Dame gedenken, das wird die Zeit sein in welcher meine Fragen eine Antwort finden werden, in welcher ich mich vielleicht selbst finden werde und vielleicht die Möglichkeit haben werde der alten Dame zu sagen das es nicht vergebens war, das jemand an sie gedacht hatte...

  • Macht nichts, Iron, ich habe auch schon abgedrehte Geschichten geschrieben,
    die sind jedoch alle verloren gegangen :( oder ich war mal zu faul weiter zu schreiben...

    EInfach posten :).

  • Ok, dann eben mal was anderes - ist eher eine kleine Theorie, aber auch eine kleine Geschichte.
    Kommt auf den Standpunkt an - vielleicht ist dies hier abgedrehter.
    Noch ein kleiner Hinweis, das Ende ist hier eigentlich der Anfang...

    Der Kreislauf

    ...er war alleine, schon seit Jahren lebte er vor sich hin ohne feste Bezugspunkte zu haben; keine Freunde mit denen er am Wochenende ausging, keine Freundin oder Ehefrau die ihm Trost und Wärme spendete...
    Eine Zeitlang tat es ihm weh zu sehen wie andere ihr Glück fanden und es leichtfertig wieder aufgaben. Aber mittlerweile war er über diesen Punkt hinweg gekommen. Er war ungewollt...
    Ihn überkam keine Trauer bei diesem Gedanken, auch keine Wut mehr - es war vorbei. Hier stand er nun am Rande seiner Existenz, am Endpunkt seines Lebens und lies noch einmal die wichtigen Stationen seines Lebens Revue passieren: die erste Tracht Prügel, den Unfalltod seiner Mutter als er ein kleiner Junge war, die Einschulung, die Probleme auf der Schule, den häufigen Wechsel, seine Bundeswehrzeit, die Kündigung weil die Firma sparen musste...

    Egal wie er auch suchte, Freunde oder Verwandte die wirklich zu ihm hielten fand er nicht. Es spielte auch keine Rolle mehr - er war seit zwei Jahren arbeitslos und hatte vor kurzem seine Wohnung verloren. Nun stand er am Rande des Daches und setzte seiner von Anfang an fehlgelaufenen Existenz, in der er nie eine Chance hatte, ein Ende - er sprang...

    2. ein beginnender Kreislauf

    ...der Notruf ging um 17:34 ein, ein Selbstmörder - als sie ihren Job begonnen hatte brach es ihr jedes Mal das Herz wenn sie diese gescheiterten Existenzen sah; meistens junge Menschen die ihr Leben noch vor sich hatten und denen das Schicksal übel mitgespielt hatte, Menschen die nicht einmal so alt waren wie sie, Schüler die Angst wegen ihrer schlechten Noten hatten, junge Mädchen die hoffnungslos verliebt und enttäuscht waren, Fixer die auf einem schlechten Trip waren, verlassene, misshandelte, geschundene - alle auf irgendeine Art verbunden.
    Als sie am Unfallort eintrafen sah sie sofort das hier nichts mehr zu tun sei. Es würden die üblichen Floskeln sein; Spurensicherung, medizinische Untersuchung und Drogencheck, benachrichtigen der Verwandten, sofern welche existierten und Abtransport...
    Manchmal fragte sie sch was mit jenen geschah die keine Verwandten mehr hatten - würden sie einfach im Dreck versteckt?
    Versteckt vor der Welt die sie nicht wahrnehmen wollte?
    Oder hatte sich die Welt vor ihnen versteckt?
    Es war ihr einerlei - sie war schon zu lange in ihrem Job um sich mit diesen Gedanken zu belasten, schließlich lebte sie ihr bürgerliches Leben und wollte daran festhalten.

    Auf der Wache fertigte sie ihren Bericht an der, wie viele andere auch, in irgendeiner Schublade verschwinden würde um irgendwann vollkommen in Vergessenheit zu geraten. Gegen 2:00 hatte sie Dienstschluss und machte sich auf den Nachhauseweg - die Nacht war angenehm kühl im vergleich zu den heißem Sommertag und sie ging die paar Häuserblöcke zu Fuß um sich von den Gedanken an den Selbstmörder abzulenken...
    Sie war nicht weit gekommen als der Wagen angerast kam - es war einer dieser Junge Leute Schlitten; Golf, Metalicblau mit einer Musikanlage die vermutlich teurer war als der gesamte Wagen. Aber das war es nicht was ihr auffiel - er fuhr in Schlangenlinien, vermutlich wieder einer dieser betrunkenen Todesfahrer...
    Sie sollte recht behalten: der Wagen überfuhr sie um 2:11 - die Ärzte kämpften noch einige Stunden um ihr Leben, allerdings waren die inneren Verletzungen, insbesondere die im Schädelbereich zu stark als das sie eine reelle Chance gehabt hätte...

    4. die Ursache

    ..."Es hat keinen sinn mehr, sie ist tot". Es tat ihm leid diese Worte zu dem Jungen Arzt zu sagen der erst seit einigen Tagen in seinem Team arbeitete. Er war ein netter Kerl und kannte die kleinen und großen Gemeinheiten des Lebens noch nicht. Ihm selbst war ein Patient vor einigen Jahren gestorben und er wusste wie schlimm diese Erfahrung für jemanden war der es sich zur Berufung gemacht hatte Leben zu retten.
    Aber die junge Polizistin war einfach zu schwer verletzt gewesen, sie hatten es nur wegen ihrer Jugend und ihres Kindes versucht sie zu retten - es hatte nicht sollen sein.
    Nun müsste das Kind alleine mit seinem Vater aufwachsen und er hoffte das ihm trotz des einscheidenden Erlebnisses irgendwann ein angenehmes Leben vergönnt sein würde...

    1. Der Neuanfang

    ...seit seine Mutter tot war machte ihm nichts mehr Spaß, die Mitschüler in der Schule hänselten und verspotteten ihn, sagten er wäre schuld am Tod seiner Mutter und so weiter und so fort - Kinder können grausam sein und wissen nicht wie viel Leid sie damit erzeugen können...
    ...die Lehre musste er abrechen weil die Schreinerei Konkurs anmelden musste und nicht mehr das Geld für einen Lehrling hatte. Sein Vater lag ihm sterben - der Krebs hatte ihn in seinem Griff und Freunde an die er sich wenden konnte hatte er nicht. Bereits in der Schule hatten ihm seine "Freunde" gezeigt wie viel er wert war. Nein, es war vorbei - trotz der Rettungswagen und der Polizistin die einige Meter von ihm entfernt stand und versuchte ihn zu überreden würde er springen.
    Er sah sie an als er sich über die Kante fallen lies und dachte mit einer stillen Träne im Auge an seine Mutter, die ebenfalls einmal Polizistin gewesen war.

    Er hatte niemals eine Reelle Chance gehabt...

  • Leider erst heute, da ich die letzen Tage nicht online war, aber ich möchte zu diesem Thread noch etwas sagen. :


    Es scheint so rüber zu kommen, als hätte ich nichts Besseres zu tun, andere Leute und deren Selbstgeschriebenes zu kritisieren.


    Zur Info: Ich bin in mehreren Foren für Schriftsteller und dort werden gepostete Geschichten von anderen (Hobby-)Schriftstellern gelesen und kommentiert. Hierbei geht es um konstruktive Kritik, denn durch konstruktive Kritik lernt man. Man kann ganz lapidar schreiben: „Die Geschichte ist scheisse.“ oder „Die Geschichte ist toll.“, das ist sicherlich nett (oder eben nicht - einfach subjektives Empfinden), aber das hilft jemandem, der sich ernsthaft mit dem Schreiben beschäftigt nicht weiter. Es geht schließlich um KONSTRUKTIVE Kritik (übrigens eine hohe Kunst, die nur die wenigsten Menschen beherrschen).


    Ich lese Geschichten vielleicht genauer als andere Menschen (die nicht schreiben und Geschriebenes als reine Unterhaltung sehen) und so stellen sich mir einfach mehr Fragen. Manche werden später in einer Geschichte beantwortet, manche nicht. Das ist ärgerlich, denn es hinterlässt einen schalen Geschmack beim Leser. Nichts ist schlimmer, als am Ende der Geschichte „Hm, was wollte mir der Autor damit sagen?“ zu denken.


    Nein, ich maße mir nicht an, all das einfach so zu wissen. Ich habe an zwei Schriftstellerkursen teilgenommen und das Handwerk des Schreibens von der Ideenfindung über die Rückblende bis zum spannenden Finale erlernt. Ich weiss also durchaus, wovon ich rede, wenn ich Kritik äußere. Und nein, ich bin nicht perfekt im Schreiben, aber habe vielleicht ein wenig mehr Ahnung als der pure Hobbyschriftsteller.


    Ob meine Kritik angenommen wird oder nicht, ist jedem selbst überlassen. Aber ich finde, man sollte zumindest auf Fehler hinweisen bzw. sagen, wenn Dinge unklar rüberkommen. Denn derjenige, der seine Geschichten in welcher Form auch immer veröffentlich und um Meinungen bittet, kann nicht erwarten, nur Lob zu erhalten. Zumindest nicht von „Schriftstellerkollegen“. Niemand ist perfekt, aber man kann daran arbeiten :)


    Das noch mal von mir zu diesem Thema.


    Babs

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